Das Gesundheitsamt informiert Corona-Infizierte „Was machen wir jetzt mit dem Hund?“

Von Claudia Mocek
1794 Menschen sind im Kreis Ludwigsburg positiv auf das Virus getestet worden.⇥ Foto: dpa/Britta Pedersen

Wer positiv getestet wurde, hat einen Anruf vom Gesundheitsamt erhalten. Ein Bericht von den Erfahrungen am anderen Ende der Leitung.

Bis heute haben sich im Kreis Ludwigsburg 1794 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Sie alle haben einen Anruf vom Gesundheitsamt erhalten, bei dem sie über das positive Testergebnis und Verhaltensregeln informiert wurden. Manch einer war geschockt, andere nahmen die Neuigkeiten gelassen, berichtet Dr. Uschi Traub. Die Leiterin des Fachbereichs Gesundheitsförderung hat mit ihrem Team auch bei Infizierten angerufen. Nicht immer eine leichte Aufgabe, auch für die Mitarbeiter des Gesundheitsamts.

„Der April war sehr intensiv“, schildert die Chirurgin Traub die Erfahrungen ihrer Abteilung. Bei positiven Tests sind die Labore dem Amt gegenüber meldepflichtig. Liegt eine solche Meldung vor, greift in Ludwigsburg jemand zum Hörer. Es sind unter anderem Kinderärzte, Chirurgen und Zahnärzte, die sich bei den Infizierten melden.

„Zunächst will ich erfahren, wie es demjenigen, der infiziert ist, geht“, sagt Traub mit ruhiger Stimme. Liegt derjenige bereits im Krankenhaus und muss unter Umständen sogar beatmet werden, muss sie sich nicht darum bemühen, ihn persönlich zu sprechen.

Ängstliche Reaktionen

Aber es gibt auch die Menschen, die sie zu Hause antrifft. Vor allem zu Beginn der Pandemie, als das Virus noch unbekannt war, reagierten viele verängstigt auf den Anruf. „Die Menschen hatten die Horrorberichte aus Italien und China gesehen und waren sehr verunsichert“, erinnert sich Traub: „Was passiert jetzt mit mir? Muss ich auch bald beatmet werden? Was machen wir jetzt mit dem Hund?“

Die Sorge um das Haustier habe viele umgetrieben, berichtet Traub. Die Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes bemühen sich darum, Lösungen aufzuzeigen – auf ehrenamtliche Hilfsgruppen, an die Info-Hotline oder auch an den Seelsorger zu verweisen.

Mithilfe von Fragen versucht Traub, die Situation am anderen Ende der Leitung einzuschätzen. Sie erinnert sich an eine Familie, bei der der Vater im Krankenhaus beatmet wurde und dessen Frau ebenfalls schwer erkrankt war. Die Tochter war zwar auch positiv getestet worden, ihr ging es aber so gut, dass sie zu Hause sein konnte.

Mit viel Feingefühl

„Wenn jemand schwer gelitten hat, braucht es viel Feingefühl“, sagt Traub. Manche Fälle bleiben den Mitarbeitern im Gedächtnis, etwa, wenn sie erfahren, dass der Infizierte bereits verstorben ist.

Je nach Ausgangslage dauern die Gespräche mit den Infizierten 15 Minuten bis zu einer Stunde. Darin erklärt Uschi Traub den Infizierten, dass es sich bei dem Anruf um eine Routine handelt und dass das Gesundheitsamt Kontaktpersonen ermitteln will, um weitere Ansteckungen zu verhindern. Sie bittet die Infizierten, ihre Kontakpersonen zu notieren und sendet ihnen Informationsblätter mit Verhaltensregeln zu. Manch einer rief noch einmal zurück, um weitere Fragen zu klären.

Auch wenn die Mitarbeiter die Telefonate mit den Infizierten unterschiedlich verarbeiten, „Befunde anzuschauen und mit den Patienten zu sprechen, ist unsere ureigene Aufgabe als Ärzte“, sagt Traub. Die Chirurgin betreut sonst die HIV-Sprechstunde. Etwa zwei bis sieben Mal im Jahr kommt es vor, dass sie jemandem mitteilen muss, dass er sich mit dem HI-Virus angesteckt hat. Sie kennt die Bandbreite der Reaktionen – von Gelassenheit bis hin zu Suizidgedanken. „Man lernt, damit umzugehen“, beschreibt sie ihre Erfahrungen.

Da auch viele andere Infektionskrankheiten meldepflichtig sind, kennt sie die Situation, schlechte Nachrichten überbringen zu müssen. Der Fall eines 15-Jährigen, der nach nur wenigen Stunden an einer Meningokokken-Meningitis verstarb, hat sie dennoch beschäftigt. „Für uns ist es auch die erste Pandemie“, resümiert Traub. „Wir müssen dazulernen.“ Während der Hochphase des Virus blieben zum Beispiel Einschulungsuntersuchungen auf der Strecke. Nun müsse entschieden werden, wie es damit weitergehen soll.

Und mit dem Virus? Bis auf Weiteres betreuen drei Scouts die Neu-Infizierten. Doch sollte es eine zweite Welle von Erkrankungen geben, müssten weitere Mitarbeiter wieder zum Hörer greifen.

Traub hofft, dass die Leute nicht leichtsinnig werden. „Noch sind wir nicht komplett über den Berg.“ Sie wünscht sich, dass sich die Menschen weiterhin vorsichtig und vernünftig verhalten – „mit Respekt vor dem Virus“.

 
 
- Anzeige -