Das Jagen wird immer beliebter – auch im Kreis „Der Jagdschein ändert das Leben, das muss man wollen“

Von Heidi Vogelhuber
Ein Jäger steht mit seinem Gewehr in seinem Jagdrevier. Angehende Jäger jedoch können ihre Ausbildung derzeit nicht abschließen, da sie nicht praktisch unterrichtet werden können. Vielerorts wird die Theorie vorgezogen. ⇥ Foto: dpa/Uwe Anspach

Das Jagen wird immer beliebter. Die Theorie ist am PC zu absolvieren, auf die Praxis müssen die Jagdschüler aufgrund der Pandemie noch warten.

Mehr Jagdschüler trotz Corona“, vermeldete der Deutsche Jagdverband. „Es ist eher so, dass Corona es erst möglich macht“, sagt Erik Müller von der Jägervereinigung Ludwigsburg im Gespräch mit der BZ. 18 820 Frauen und Männer haben sich 2020 bundesweit der staatlichen Jägerprüfung gestellt. Spitzenreiter sind Niedersachsen mit 3973 Prüfungsteilnehmern sowie Baden-Württemberg mit 3169 Aspiranten (neun Prozent mehr als 2019) für das sogenannte „Grüne Abitur“.

„Grundsätzlich merken wir die Tendenz, dass sich viele junge Männer zum Jäger ausbilden lassen wollen, aber auch der Frauenanteil wächst stetig“, sagt Müller. Der coronabedingten Kurzarbeit, dem Arbeiten von zu Hause aus und den eingeschränkten Urlaubs- und Freizeitmöglichkeiten sei es aber zu verdanken, dass Interessierte nicht nur mit der Ausbildung zum Jäger liebäugeln, sondern auch damit beginnen. „Der Zugang zu den theoretischen Inhalten ist online deutlich einfacher“, sagt Müller.

Einfacher heiße aber nicht weniger. Wer Jäger werden möchte, muss rund 150 Theoriestunden absolvieren, das dauert etwa drei Monate. Es folgt dann der praktische Unterricht, der etwa genauso lang dauert: Schießen, Tiere zerlegen, Hochsitze bauen und so weiter. Hier jedoch enden die digitalen Möglichkeiten. „Es gibt zwölf Pflichttermine bei der Schießausbildung – ähnlich wie in der Fahrschule“, erklärt Müller. Seit Mai 2020 warten jedoch Jagdschüler auf das Schießtraining. „Alleine in Ludwigsburg sind es 20 Jagdschüler, die noch nie eine Waffe in der Hand hatten. Bundesweit sind es 2500“, sagt der erfahrene Jäger, dessen Revier bei Großbottwar liegt.

Wer wo jagen darf wird in Deutschland durch das Revierjagdsystem geregelt (siehe Infobox). Bis ein Jagdschüler jedoch schießen darf, braucht es viel Übung und intensive Betreuung, erklärt Müller. „Wir schießen mit großkalibrigen Waffen auf 100 Meter Bahnen.“ Nicht jeder Schießstand habe so lange Bahnen. Bislang habe die Ludwigsburger Jägervereinigung in Neckarweihingen geübt, der Stand wurde jedoch geschlossen. Inzwischen habe man sich mit benachbarten Kreisvereinigungen zusammengetan und sich im Schießstand in Fellbach-Schmiden langfristig eingemietet. Für die Jäger gibt es dort neben 100- und 50-Meter-Ständen auch einen laufenden Keiler und einen Kipphasen zum Üben.

Doch das Schießen sei nur ein kleiner Teil, es mache vielleicht zehn Prozent aus. „Jäger sein ist eine Passion. Der Jagdschein ändert das Leben und das muss man auch wollen“, sagt Müller. Gerade unter jüngeren Jägern entstehe ein neues Verständnis für Gemeinschaft, das Teilen gleicher Werte und des Erlebens der Natur. Wo früher eher grummelnde Einzelgänger zu finden waren, sei es nun vielerorts eine zusammengehörige Gruppe, sagt der erfahrene Jäger. Er begrüße das neue Miteinander. Gerade in der Jägervereinigung Ludwigsburg sei das auch unumgänglich. „Wir haben eine Besonderheit: Wir bieten das ‚Lehrprinzenmodell’ an. Jagdschüler können vom ersten Ausbildungstag an mit erfahrenen Jägern mitgehen und werden direkt in ein Revier eingebunden“, erklärt Müller. Schießen dürfe der Schüler selbstredend nicht, könne aber schon aus dem Erfahrungsschatz des Jägers lernen und ein Gefühl für die Aufgaben und den Wald bekommen. Denn auch unliebsame Aufgaben wie das Säubern des Waldes gehören zu den Pflichten. „Aktuell ist das Retten von Rehkitzen ein großes Thema“, sagt Müller. Landwirte sind gesetzlich verpflichtet, vor dem Mähen nach Rehkitzen zu suchen, dies unterstützen die Jäger mit Wärmebild-Drohnen, in die die Jägerschaft investiert habe.

 
 
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