Das sagt Freibergs Ex-Trainer Gehrmann über seine Entlassung bei den Kickers Viel Zuspruch nach dem Rauswurf

Von Andreas Eberle
Ramon Gehrmann nimmt Spieler Mohamed Baroudi tröstend in die Arme. Nach dem Rauswurf bei den Stuttgarter Kickers hat der Trainer nun selbst Aufmunterung nötig. ⇥ Foto: Pressefoto Rudel/Robin Rudel/Imago Images

Ramon Gehrmann muss die erste Entlassung seiner langen Trainer-Karriere verdauen. Der frühere Erfolgscoach des SGV Freiberg nimmt die Kickers-Mannschaft dennoch in Schutz.

Seit gut zwei Jahrzehnten ist Ramon Gehrmann Trainer. In dieser Zeit stand er stets bei einem Verein unter Vertrag, darunter sieben Spielzeiten beim SGV Freiberg. Am Montag machte der 47-jährige Fußball-Lehrer nun eine neue Erfahrung, die im rauen Sportbusiness eigentlich Usus ist: Er erhielt – von den Stuttgarter Kickers – den Laufpass und hat nun plötzlich jede Menge Freizeit, aber keinen Job mehr. „Der Zeitpunkt war für mich überraschend“, sagt Gehrmann und macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl.

Nur sechs der zehn angesetzten Oberliga-Duelle haben die als Aufstiegsfavorit in die Runde gestarteten Degerlocher bisher bestritten. Darum steht der frühere Bundesligist von der Waldau in der noch ziemlich krummen Tabelle derzeit nur auf Rang 14.

Das leidige Thema Corona wurde auch Gehrmann zum Verhängnis. Da ein Teil des Teams Ende August positiv auf Covid-19 getestet worden war und viele Spieler in Quarantäne mussten, konnte er mit der Mannschaft zwei Wochen lang nur per Video arbeiten. Lediglich ein Häuflein Kicker nahm in dieser Zeit an den täglichen Einheiten teil.

Trotzdem feierten die Kickers nach der Zwangspause einen 1:0-Sieg gegen Neckarsulm. Doch dann folgte mit dem 0:1 in Pforzheim ein weiterer Rückschlag. Die zweite Saisonniederlage, gepaart mit einer dürftigen Vorstellung, war der Auslöser für die Entlassung, die Lutz Siebrecht in nette Worte verpackte. „Ramon hat hier unter sehr schwierigen Bedingungen, zu denen vor allem auch Corona gehörte, sehr gute Arbeit abgeliefert“, teilte der Sportliche Leiter mit und bekundete „Respekt und Hochachtung vor der Trainerleistung“.

Seine Ex-Spieler nimmt Gehrmann selbst nach dem Rausschmiss noch in Schutz. „Die Mannschaft ist super intakt und topfit. Sie braucht nur Erfolgserlebnisse. Wenn die kommen, kehrt die Sicherheit ins Spiel zurück, und dann wird das Team marschieren, genauso wie auch Freiberg“, sagt Gehrmann. Er ist sich sicher: „Am Ende werden diese zwei Klubs oben stehen und aufsteigen – und ich drücke beiden ganz fest die Daumen.“

Spieler entschuldigen sich

Noch am Montag verabschiedete er sich von seiner bisherigen Truppe. „Die Spieler waren alle betroffen. Manche haben sich bei mir sogar dafür persönlich entschuldigt, weil sie die eine oder andere schlechte Leistung gebracht oder die Tore nicht gemacht haben“, verrät Gehrmann.

Aus dem Umfeld habe er ebenfalls viel Zuspruch erfahren. „Am Montag ist mein Handy fast explodiert“, berichtet der 47-Jährige von zig Nachrichten und Anrufen – von Fußballern, Funktionären, Mitarbeitern sowie Fanklub-Vertretern. Auch die halbe Oberliga habe sich gemeldet, so Gehrmann. „Viele waren schockiert. All die Unterstützung zeigt mir, dass ich gute Arbeit geleistet habe. Das gibt mir bei aller Enttäuschung ein gutes Gefühl“, sagt der gebürtige Sigmaringer, der als Lehrer an der Eliteschule des Sports in Stuttgart noch ein zweites berufliches Standbein hat. 

Den Wechsel im Sommer 2019 von den Blauen aus Freiberg zu den Blauen nach Stuttgart-Degerloch bereut er aber nicht. „Ich habe es genossen, unter professionellen Bedingungen zu arbeiten, und bin zu jedem Training mit einem Grinsen in die Kabine gekommen, weil ich den Job so gern gemacht habe“, sagt Gehrmann. Unterm Fernsehturm hat er jedenfalls Spuren hinterlassen. Die Kickers haben ihm zu Ehren sogar einen Ramon-Gehrmann-Fairplay-Preis ins Leben gerufen – als Anerkennung für seine große Geste am 17. Oktober 2020 im Heimspiel gegen den FC Nöttingen. Damals hatte der Coach ein Eigentor angeordnet, nachdem der SVK zuvor in einer zweifelhaften Situation einen Treffer erzielt hatte. Eine Aktion, über die sogar in Schweden, Vietnam und Thailand berichtet wurde.

Mehr Zeit für die Familie

Zu den Blauen wird es noch einen weiteren Bezugspunkt geben: Sohn Tristan (9) spielt im dritten Jahr bei den Kickers, aktuell in der U10. Das kommende und wider Erwarten freie Wochenende nutzt der geschasste Übungsleiter dazu, den Filius zu einem Turnier nach Augsburg und München zu begleiten. „Das musste mir bisher immer meine Frau abnehmen. Für einen Vater ist es das Größte, seinem Sohn beim Kicken zuzuschauen“, sagt Gehrmann. Eine Woche später feiert dann der Schwiegerpapa den 80. Geburtstag, für den der Coach mit Blick auf das Oberliga-Gastspiel beim TSV Ilshofen bereits abgesagt hatte. „Jetzt kann ich der Familie endlich mehr Zeit widmen als sonst und bin auch mal bei Familienfesten dabei.“

Der Sport wird aber weiterhin eine wichtigte Rolle in seinem Leben spielen. Gehrmann: „Ich bin und bleibe ein Fußballverrückter und will mir viele Partien anschauen. Vielleicht hospitiere ich auch mal beim einen oder anderen Trainer. Dazu hatte ich bisher ja kaum Gelegenheit.“

 
 
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