Das stille Örtchen im Bönnigheimer Museum im Steinhaus Als die Toilette noch der Abort war

Von Jürgen Kunz
Im Museum im Steinhaus haben die Museumsmacher um Kurt Sartorius ein Plumpsklo rekonstruiert.⇥⇥ Foto: Kurt Sartorius

Ab 13. Juni ist das Schwäbische Schnapsmuseum wieder von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Viel Neues ist dabei zu entdecken. Im Rahmen der „Steinhaus-Geschichte“ wurde ein Plumpsklo rekonstruiert.

Die ehrenamtlichen Bönnnigheimer Museumsmacher um Kurt Sartorius sind im Schwäbischen Schnapsmuseum im Steinhaus immer für eine Überraschung gut. In der langen Zeit der coronabedingten Schließung wurde die Zeit genutzt, um neue Abteilungen und Erweiterungen einzurichten. Die „Abstinenzler-Kammer“ und der Schwarzbrennerraum wurde modernisiert und ein Monitor zeigt vorindustrielle Bestimmungsmethoden des Alkoholgehaltes (die BZ berichtete). Die „Steinhausgeschichte“ ergänzt nun die unterhaltsame Schau im Steinhaus – und dabei ein mittelalterliches Plumpsklo, der schwäbische Abort, rekonstruiert.

Es ist wahrlich kein appetitliches Thema, aber es gehört zum Leben. Eine Kindheitserinnerung mit einer Ohrfeige verbindet Museumschef Kurt Sartorius mit dem Abort: Nach der Einweihung des evangelischen Gemeindehauses war dort auch ab 1954 der Kindergarten untergebracht. „Im Alter von fünf Jahren kam ich deshalb von Schwester Gertrud im Bismarckstraßenkindergarten zu Tante Hildegard. Am ersten Tag sagte ich: ,Tante Hildegard, i muaß auf dr Abort.’“ Er bekam eine Ohrfeige mit der Bemerkung: „Sowas unanständiges sagt man nicht, das heißt Klo.“ Da habe er zum ersten Mal das Wort Klo gehört.

Fensterlosen Raum entdeckt

„Im Steinhaus sind wir in der Küche auf eine schmale Türe, Durchgangsbreite 40 Zentimeter, gestoßen, die in einen kleinen, fensterlosen Seitenraum mit der Grundfläche 80 mal 95 Zentimeter ging“, erklärt Sartorius. Dieser Raum wurde offensichtlich zuletzt als Speisekammer genutzt wie kleine Konsolen für Regalbretter an der Wand vermuten ließen. Aber im Boden war ein rechteckiges Loch. Dieses stammte von einem viereckigen Rohr aus Holzbrettern, durch welche die Hinterlassenschaften in einen Behälter im Erdgeschoß fielen. „Vom Plumpsklo war sonst nichts mehr erhalten. Um auch dieses heute unbekannte Klo zeigen zu können, haben wir den Einbau rekonstruiert“, so der Vorsitzende der Historischen Gesellschaft Bönnigheim.

Als der Bönnigheimer Geschichtsverein 1993 ins Steinhaus mit dem Schnapsmuseum einzog, war hinter dem dreiteiligen gotischen Fenster das Klo. Aber warum war es von der Küche dorthin verlegt worden? Sartorius: „Nun, es war natürlich nicht sehr hygienisch, von der Küche ins Klo zu gehen. Sogar in der Gesetzgebung hat sich das niedergeschlagen.“ So stand in der Vollziehungsverfügung zur Landesbauordnung von 1882, dass mit „Rücksicht auf die Gesundheit, den Anstand und die Reinlichkeit“ die Anbringung von Abtritten in Küchen verboten wird, für dieselben müssen abgesonderte, umwänderte Zugänge hergestellt werden. 1872 heißt es in der württembergischen Landesbauordnung: „Abtritte dürfen auf einer gegen Straßen und öffentliche Plätze gerichteten Gebäudeseite weder im Innern, noch an der Außenwand angebracht werden. Auf Nebenseiten der Gebäude sind Abtritte nur dann gestattet, wenn sie nicht von der Straße oder öffentlichen Plätzen aus störend in die Augen fallen.“ Hier war, nach Einschätzung von Sartorius, vor allem das Ortsbild wichtig. Die an der Außenwand angebrachten „Scheißhäusla“ sollten nicht gesehen werden.

Warm, aber mit G´schmäckle

Der Abort im Steinhaus war im Haus, also von der Straße nicht einsehbar. Was war der Unterschied? Im Haus waren die Aborte im Winter nicht so kalt. Dafür dürfte der Geruch der in einem Behälter im Haus befindlichen Fäkalien nicht so angenehm gewesen sein. „Jedes Haus hat sei eigenes G´schmäckle“, sagte man früher. Der Stall im Haus und die Toilette dürften dafür mitverantwortlich gewesen sein. Der Geruch war bei den außerhalb angebrachten Häuschen weniger maßgeblich. Aber im Winter war es dort sehr kalt, „arschkalt“, wie der Volksmund drastisch sagt. Außen an den Gebäuden wurden kleine Verschläge angebracht, von denen ein Holzrohr oder ein Rohr aus Steinzeug in eine Grube führte. Diese musste dann immer wieder geleert werden. Dazu wurde der Inhalt mit einer „Brühaschapfa“ in das bereitstehende „Brühafass“ auf einem Leiterwagen geschöpft. Entweder haben es die Landwirte selber gelehrt, oder ein Dienstleister wie der „Botemann“ hat’s abgeholt.

Mit dem Bau der Kläranlage und dem Anschluss an die Kanalisation im Jahr 1967 verschwanden die Plumpsklos und wurden durch Toiletten mit Wasserspülung ersetzt.

Info Das Schwäbische Schnapsmuseum im Bönnigheimer Steinhaus ist am Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Es dürfen maximal 20 Besucher im Museum sein, und die üblichen Vorsichtsmaßnahmen wie Maske und Abstand sind selbstverständlich.

 

Unter den Augen der Nachbartochter – Aus dem Lebensbericht von Carl Adolf Stock

Einen interessanten Einblick gab der Förster Karl Adolf Stock, der um 1870 im Schloss wohnte. Zu dieser Zeit war das königliche Forstamt im Schloss. „Die Hauptsache war, man hatte freie Wohnung. Als einziger, wirklicher Missstand wurde empfunden, dass in diesem oberen Stockwerk ein Abort fehlte. Von den früheren, vornehmen Zeiten her fand sich wohl ein kleines, ganz behagliches Kabinettchen neben dem Amtswohnzimmer des Forstassistenten, in welchem einst ein Nachtstuhl seine Dienste anbot, aber dieses Kabinettchen war jetzt leer. Im Bedarfsfall musste man die hohe und enge Seitenwendeltreppe hinab bis ins‘s Parterre und zur westlichen Seitenhaustüre hinaus ins Freie, um in den dort angebauten, höchst primitiven Kanzleiabort zu gelangen und das war sogar bei Tag von der Kanzlei aus unangenehm, ganz abgesehen von zeitweiligen Unbilden der Witterung. Die betr. Türe gab nämlich, trotz aller Besänftigungsversuche mit Öl und Fett, bei jedem auf- und zumachen ein überlautes, ganz infernalisches Gekreisch von sich, was jedesmal den Herrn Schullehrer Krumrein oder sein hübsches Töchterlein, die den gegenüber liegenden sogen. Cavaliersbau bewohnten, zur Kontrolle ans Fenster rief wo dann über dem sogen. „Neidhammelvorhängchen“ gerade noch ihre Augen sichtbar wurden.“

 
 
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