Demenz-Parcours in Pleidelsheim „In die Haut des anderen schlüpfen“

Von Bettina Nowakowski
Der Simulationsanzug zeigt, wie man sich körperlich im Alter fühlen kann.  Foto: /Oliver Bürkle

Im Johanniter-Haus in Pleidelsheim fand ein Demenz-Parcours statt, der verschiedene Alltagssituationen aus der Sicht eines demenzerkrankten Menschen nachempfinden lässt.

Das Interesse war groß am DemenzParcours im Johanniter-Haus in Pleidelsheim. „Wir mussten Interessenten leider zum Teil absagen, weil sich so viele Leute angemeldet haben“, bedauert Christiane Kiemle, Leiterin der Pflege im Heim. 23 Teilnehmer, darunter ein Mann, fanden sich ein, um einmal auszuprobieren, wie es ist, in „die Haut demenzerkrankter Menschen in Alltagssituationen zu schlüpfen“.

Ziel war es, dabei das Verständnis gegenüber den Betroffenen zu fördern. „Lassen Sie sich darauf ein und schauen Sie, was es mit Ihnen macht“, forderte Christiane Kiemle die Anwesenden auf.

Verschiedene Alltagssituationen

Sich reinfühlen in die Situation demenzerkrankter Menschen ermöglicht der Demenz-Parcours „Hands on Dementia“ mit Hilfe von Holzboxen mit Spiegeln, an denen verschiedene Alltagssituationen dargestellt werden, wie zum Beispiel „Einkaufen“, „Autofahren“, „Bürotätigkeiten“ oder „Am Ende des Tages“. Dabei sollen kleine Aufgaben gelöst werden, die sich im ersten Moment einfach und simpel anhören.  

„Demente sind in ihrer Welt der festen Überzeugung, sie können alles und machen alles richtig“, erklärt Christiane Kiemle. Aber sie würden dann auch merken, dass bestimmte Dinge einfach nicht mehr gelingen, dass sie sich Handlungsabläufe nicht mehr merken können. Das führe bei den Betroffenen oft zu Enttäuschung, Wut oder Verzweiflung.

Der Demenz-Parcours ermögliche es Angehörigen und Pflegenden, nachsichtiger zu werden im Umgang mit Demenzerkrankten, deren Handlungen besser nachvollziehen und verstehen zu können.

An den fünf Stationen sind Holzboxen aufgebaut, die schnell begreifbar machen, wie komplex eine simple Alltagsaufgabe für einen dementen Menschen sein kann. So geht es bei der Station „Am Ende des Tages“ zum Beispiel darum, Sonne, Mondgesicht und Sterne nachzuzeichnen. Die Box hat eine offene Seite und ist oben zur Hälfte geschlossen. Die offene hintere Hälfte ist einsehbar, allerdings nur über einen Spiegel, der an der Innenseite angebracht ist. Nur mit Blick in den Spiegel soll man jetzt die Figuren nachzeichnen. Eine Aufgabe, an der man scheitern kann, denn der Kopf will etwas ganz anderes als die Hand, die es ausführen soll.

Auch an der Station „Autofahren“, bei der man Spielzeugautos auf einer Straßenkarte an ein bestimmtes Ziel führen muss, macht man diese Erfahrung. Sandra Grobotek stellt fest: „Das ist gar nicht einfach, sondern wahnsinnig anstrengend.“ Ein schwieriges Thema auch „Essen und Trinken“. Das Trinken aus der Schnabeltasse will erst einmal gelernt sein. Das Gefüttertwerden mit einem großen Löffel vermittelt schnell das Gefühl, wie schwierig es ist, das Essen vom Löffel aufzunehmen und dann auch noch herunterzuschlucken.

„Es fühlt sich alles so schwer an“

Und kaum jemandem mag bewusst sein, wie viele Handlungsabläufe die Vorbereitung zu einem Frühstück umfasst. In den dargestellten Foto-Beispielen sind es 41 Einzelhandlungen. Für demente Menschen eine große Herausforderung, weil sie dazwischen „vergessen“, was im normalen Alltag ganz automatisch und zeitgleich abläuft: Geschirr aus dem Schrank holen, Kaffee kochen, Brötchen schmieren. Abläufe, die mit nachlassender Gedächtnisleistung nicht mehr ausführbar sind.

Besonders gut angekommen ist der Simulationsanzug, der mit Hilfe von Gewichten, Brille und Kopfhörern das Gefühl vermittelt, wie es körperlich ist, sich im hohen Alter zu bewegen. „Es fühlt sich alles so schwer an“, stellt Jürgen Sauer fest. Die Erlebnisse der Teilnehmer äußern sich in durchweg positiven Rückmeldungen. Mehr Verständnis und Toleranz sind Erkenntnisse am Ende der Veranstaltung. „Wir überlegen, ob wir so etwas nicht öfter anbieten“, meint Christiane Kiemle. Das Interesse ist auf jeden Fall da.

 
 
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