Der Bietigheimer Leonardo Di Stefano Ruiz boxt in den USA Der spanische Junge will die Boxwelt aufmischen

Von Andreas Eberle
Eine Szene aus dem fünften Profikampf von Leonardo Di Stefano Ruiz am 14. Dezember 2019 in Karlsruhe: Der Bietigheimer trifft mit einer Linken voll ins Gesicht des Georgiers Paata Varduashvili. ⇥ Foto: Stefan Fraenkle

Der 26-jährige Bietigheimer Leonardo Di Stefano Ruiz, „El Niño“ genannt, kämpft am 27. November in den USA um einen internationalen WBC-Gürtel. Von Andreas Eberle

Wladimir Klitschko war schon früh ein Fan von Leonardo Di Stefano Ruiz. „Du wirst mal ein Champion, wenn du dranbleibst“, flüsterte der Weltklasse-Schwergewichtler dem Nachwuchsboxer vom MBC Ludwigsburg ins Ohr. Das war im Juli 2017. Während eines Besuchs bei der Lernstiftung von Uwe Hück in Pforzheim hatte Klitschko das Sparring einiger junger Faustkämpfer beobachtet – und der talentierte Di Stefano Ruiz war ihm sofort aufgefallen.

Der heute 26-jährige Spanier, der mit Ehefrau Isabel und dem zweieinhalbjährigen Sohn Raúl in Bietigheim lebt, ist inzwischen tatsächlich auf dem besten Weg zu einem Champion. Am 27. November steht in Philadelphia sein bisher bedeutendster Kampf an. Dann trifft er im Weltergewicht auf den Mexikaner José Alan Herrera. Es geht um den internationalen Gürtel des Verbands WBC.

„Das ist der bisher größte Schritt in meiner Karriere. Ich werde alles tun, um diesen Gürtel zu holen. Dann kann Bietigheim stolz sein, einen weiteren Champion in der Stadt zu haben“, sagt Di Stefano Ruiz.

An Selbstbewusstsein mangelt es ihm jedenfalls nicht. „Ich fühle mich wie ein Jäger, ich fühle mich unschlagbar – und ich genieße das Rampenlicht in vollen Zügen“, sagt der gebürtige Ludwigsburger und ist sich sicher: „Ich werde mal Weltmeister.“ Mit einem Triumph über Herrera würde er in der Weltrangliste zumindest schon mal in die Top 50 vorstoßen.

Stierkopf auf der Brust

In den Ring steigt Di Stefano Ruiz für Spanien, das Herkunftsland seiner Mutter, die aus Andalusien stammt. Die Verbundenheit mit seinen iberischen Wurzeln ist auch auf seiner breiten Brust zu sehen, wo ein schwarzer Stierkopf tätowiert ist. Der Kampfname spricht ebenfalls Bände: „El Niño“ („der Junge“). Sein Profidebüt hat er im September 2019 gefeiert. Die Bilanz seitdem ist mit acht Siegen in acht Kämpfen, davon sieben durch K.o., makellos. „Ich habe genetisch bedingt viel Kraft. Es gibt viele Boxer, die hart schlagen, aber ich treffe meine Gegner immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das ist eine Gabe“, stellt Di Stefano Ruiz fest.

Den Feinschliff für den Fight in den USA, den ESPN live überträgt, holt er sich derzeit im Summit-Trainingscenter im kalifornischen Big Bear Mountain. Unterstützt wird er dabei von MBC-Trainer Alexander Geier, der schon zu Amateurzeiten stets an seiner Seite stand.

Abenteuer in Tijuana

Seine drei letzten Kämpfe hat Di Stefano Ruiz alle in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana bestritten. In der Big Punch-Arena schickte er zwischen Februar und Mai nacheinander die drei Lokalmatadore Erick Ivan Castro Oseguera, Adan Caro Gutierrez und Fernando Silva auf die Bretter. Nach Tijuana war der K.o-Spezialist aus dem Schwabenland wie die Jungfrau zum Kind gekommen: Promoter Luis Alberto Muratalla Olivas hatte ein Video von ihm gesehen und ihn kurzerhand nach Mexiko eingeladen. Kost und Logis waren frei, Geld gab’s keines. „Nach mehr als einem Jahr Pause habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten und wollte unbedingt wieder boxen“, nennt Di Stefano Ruiz den Grund, warum er Anfang des Jahres allein in eine der gefährlichsten Städte der Welt gereist ist – mitten in der Pandemie. Vor Ort hatte er sogar einen Leibwächter. „Ich habe Schüsse gehört und Tote gesehen“, berichtet der Spanier von seinen Erlebnissen. „Trotzdem ist mir Mexiko ans Herz gewachsen. Dort habe ich viele tolle Menschen kennengelernt.“

Bereits als Amateur hätte er international durchstarten können. Von seinen 88 Kämpfen verlor er nur sechs. 2016 triumphierte er beim Montana-Cup in Paris und erhielt das Angebot, an den Olympiastützpunkt nach Heidelberg zu wechseln – mit der Aussicht, für das deutsche Nationalteam an den Sommerspielen in Rio teilzunehmen.

Kampfstil passt besser zu Profis

Letztlich entschied sich Di Stefano Ruiz aber für eine Laufbahn als Berufsboxer – auch auf Rat seiner Ludwigsburger MBC-Trainer Geier und Achim Böhme. Beide fanden, dass sein Kampfstil besser in die Profiszene passt als zu den Amateuren. Doch das war nicht der einzige Grund. „Schon als kleiner Junge habe ich davon geträumt, Profiboxer zu werden. Außerdem musste ich ja Geld verdienen, denn meine damalige Freundin und heutige Frau war schwanger“, erzählt Di Stefano Ruiz, der sich zwischendurch zum Zerspanungsmechaniker hatte ausbilden lassen. Und vielleicht haben ja auch die Worte, die Wladimir Klitschko ihm damals ins Ohr geflüstert hat, zusätzlich nachgeholfen.

 
 
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