Der Mundelsheimer Maler Karlheinz Groß Als ob er grad zur Tür raus wäre

Von Gabriele Szczegulski
Elfie Groß vor dem letzten Gemälde (Mitte) ihres Mannes, das er kurz vor seinem Tod 2009 gemalt hat. Es ist eines seiner typischen Stillleben mit dem Titel „Orientalische Schüssel“. Foto: /Oliver Bürkle

Am 15. Juli wäre der Künstler Karlheinz Groß 80 Jahre alt geworden. Seine Witwe Elfi Groß veranstaltet deshalb Tage der offenen Tür. 

Die Tür geht auf, der Besucher betritt das ehemalige Atelier im Haus des Künstlers Karlheinz Groß in Mundelsheim. Es ist, als ob der Maler nur eben schnell zur Tür raus wäre – alles ist noch so, wie Karlheinz Groß es 2009 hinterlassen hatte. Seine Staffelei, sein Arbeitstisch, die Bilder, die Bücher. Am 21. September 2009 fand seine Ehefrau Elfi Groß den Künstler tot im Bett, als sie nach einer einwöchigen Wanderreise nach Hause kam. „Wir hatten jeden Tag telefoniert, ihm ging es so weit gut, das war schon ein Schock, von dem ich mich lange nicht erholt habe“, sagt die heute 78-Jährige.

Seine Kunst soll nicht in Vergessenheit geraten

An diesem Samstag, 15. Juli, wäre ihr Mann 80 Jahre alt geworden und sie nimmt dies zum Anlass, das Haus, in dem er lebte und arbeitete, zu öffnen und seine Kunst noch einmal zu zeigen. „Ich möchte nicht, dass er und seine Kunst in Vergessenheit geraten“, sagt sie.

Sie erinnert sich gerne an die gemeinsamen Jahre mit ihm. „Es war eine faszinierende Zeit“, sagt Elfi Groß. Mit 17 hatte die Geisingerin, die in Bietigheim das Gymnasium besuchte, den jungen Karlheinz Groß kennengelernt. Er war mit seiner Familie aus Hannover nach Bietigheim gekommen, weil seine Vater in der Enzstadt eine Fahrschule übernahm. Auf der Realschule im Aurain hatte er die Mittlere Reife gemacht und ist dann auf die Stuttgarter Merzschule, um später Grafik zu studieren. „Mit Freunden zusammen hatte Karlheinz auf der Lug ein altes Gartenhäusle zur Disco umfunktioniert, dorthin ging ich mit Freundinnen“, so Elfi Groß. Es funkte, sie verliebten sich, 1970 wurde geheiratet. Karlheinz Groß hatte sich nach dem Studium als Buchgrafiker selbstständig gemacht. „Angestellt zu sein war seine Sache nicht, er konnte sich nicht gut unterordnen, er wollte sein eigener Herr sein“, sagt sie.

Im Haus in Mundelsheim gibt es einen Raum, in dem alle Bücher stehen, deren Cover Groß gestaltet hat oder die er illustriert hat. Klassiker wie Bücher von John Knittel (Autor von „Via Mala“), Robert Louis Stevenson („Die Schatzinsel“) oder Boy Lornsen, dessen Bücher wie „Jakobus Nimmersatt“ sogar auf japanisch erschienen sind, illustrierte er. Er arbeitete für fast alle renommierten Verlage.

Vor allem bekannt wurde er aber durch die Geschichten um „Billy Backenzahn“. Der Hund namens Mehmet, der Groß selbst nachempfunden war, eroberte in drei Staffeln a zehn Folgen in den 1980er-Jahren nicht nur kleine Zuschauer des „Sandmännchens“, sondern wurde auch im NDR und SWR ausgestrahlt und fand ebenso als Buch reißenden Absatz.

„Mit 50, so sagte mein Mann immer, wolle er sich nicht mehr von seiner Grafik, sondern von seiner Malerei ernähren können – das schaffte er“, sagt Elfi Groß. Ihr Mann wandte sich der Malerei zu. Er bewies sein Talent und Können in einer Ausstellung in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen 2003/2004 zu seinem 50. Geburtstag, in der seine Gemälde im großen Stil vorgestellt wurden. Er malte hauptsächlich mit Eiweißlasurfarben, auch Fotofarben genannt, mit denen er früher die Buchcover gestaltet hatte. Er malte vor allem Landschaften, in hellen, gleißenden, fröhlichen Farben. „Er war sehr positiv, er wollte mit seinen Gemälden erfreuen“, sagt Elfi Groß. Er malte im Urlaub, vor allem in der Camargue, am Lago Maggiore und in Spanien.

Als er im Camargue-Urlaub seine Lasurfarben vergessen hatte, kaufte er sich in Frankreich Acrylfarben und malte fortan mit diesen. „Er entdeckte das Stillleben für sich und malte dieses so großformatig wie es ging“, so seine Witwe. Eines ihrer Lieblings-Stillleben ist „Tisch mit Zitrone“, weil die Zitrone so frech vom Tisch rolle, sagt sie.

Eines ihrer anderen Lieblingsbilder ist eine Morgendämmerung am Lago Maggiore. „Die habe ich so gehängt, dass ich sie, wenn ich auf dem Sofa sitze, immer sehe.“ Diese beiden Gemälde wird sie auf jeden Fall behalten. „Alle anderen stehen zum Verkauf“, so Elfi Groß.

Doch den Grafiker wurde Karlheinz Groß nicht los, nicht nur in seinen Gemälden stechen grafische Elemente wie die Linie hervor: In seiner Wahlheimat Bietigheim-Bissingen engagierte er sich im Kulturausschuss und illustrierte alle Plakate für die städtischen Kulturveranstaltungen und die Ausstellungen im Hornmoldhaus und der Städtischen Galerie. Für Wolle Kriwanek, den Sänger und Sonderschullehrer, der damals in der Wohnung im Unteren Tor in Bietigheim wohnte, gestaltete er Plattencover. Die beiden wurden enge Freunde. Auch die Buchgestaltung blieb eine Leidenschaft, nur gestaltete er später seine eigenen Bücher. Er veröffentlichte Koch- und Malbücher. gestaltete für den damaligen Leiter des Stadtarchivs und späteren Kulturamtsleiter Stefan Benning historische Bücher.

LeidenschaftlicherBietigheim-Bissinger

Karlheinz Groß war leidenschaftlicher Bietigheim-Bissinger. Doch leider wurde ihm sein Bietigheimer Atelier zu klein und er fand in der Enzstadt nichts Geeignetes. Seiner Frau Elfi ist es zu verdanken, dass Groß nicht in den Norden zog, wo er ein altes Bauernhaus gefunden hatte. „Aber ich wollte meine Heimat nicht verlassen“, so Elfi Groß. 1993 kaufte das Paar das Haus in Mundelsheim mit großem Atelier in dem Raum, in dem ein Swimmingpool von den Vorbesitzern geplant war. „Wir haben das Becken mit einem Boden bedeckt“, so Elfi Groß.

Alljährlich lud der Künstler zu Tagen des offenen Ateliers oder zu Festen ein, kochte in seiner Outdoor-Küche. „Er war gesellig, kommunikativ und konnte sich gut vermarkten“, sagt seine Frau. Einmal noch will sie den geselligen Geist ihres Mannes heraufbeschwören. „Ich befürchte, ich kann in diesem großen Haus leider nicht ewig wohnen bleiben“, sagt Elfi Groß

 
 
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