Samstagabend, Ludwigsburger MHP-Arena, laute Musik heizt ein, das Licht fokussiert, der künstliche Nebel verzieht sich. Als sie einmarschieren, geben ihre Fans das intensivste Kreisch-Konzert des Abends. Anfeuerungsrufe Hunderter Anhänger schallen durch die Arena. Sie sind die Publikums-Lieblinge des Abends. Sie haben bereits jetzt erreicht, was sie sich auf Stimmungsebene im Vorfeld vorgenommen hatten: die Halle für sich einnehmen. Und dann liefern sie auch sportlich ab: Die Tänzerinnen und Tänzer der Latein-Formation der TSG Bietigheim sind Deutschlands neue Nummer Drei.
Deutsche Formationstanz-Meisterschaft Erfolg auf ganzer Linie
Die TSG Bietigheim tanzt als erste süddeutsche Latein-Formation in der Geschichte der Deutschen Meisterschaften auf das Podium.
Beim Showdown um den deutschen Meistertitel im Formationstanz brachten die acht Tanzpaare ihre mitreißende Kür „Heart and Soul“ bravourös auf das Parkett und wurden von den Wertungsrichtern im Finale mit 31,67 Punkten belohnt. Nicht nur in der Platzierung, sondern auch gemessen an den Punkten rücken sie damit näher an die Spitze heran: Vor einem Jahr betrug der Rückstand auf die Zweitplatzierten der TSA Blau-Weiss Buchholz (32,37) noch über zwei Punkte. Der alte und neue Deutsche Meister kommt indes wieder aus dem Norden: Das A-Team des Grün-Gold-Clubs Bremen holte mit seiner Weltmeister-Kür von 2023, „Freedom and Peace“, einen überlegenen Sieg (34,25 Punkte) an die Weser, wo 2025 die nächsten nationalen Meisterschaften ausgetragen werden.
Teamgeist als Erfolgsrezept
Giuseppe Morsello und Nina Pohlmann, die beiden Captains, schlossen sich erst vor zwei Jahren der TSG an, wissen also auch, wie es anderswo zugeht. Was zeichnet die Bietigheimer aus und macht sie besonders? „Die Mannschaft formt aus sich eine Mannschaft“, erzählte der 35-Jährige der BZ und seine zwölf Jahre jüngere Kapitäns-Kollegin fügte an: „Wir haben als Team getanzt.“ Es seien die Mentalität und Einstellung jedes einzelnen Teammitglieds, Schwierigkeiten wie Rückschläge, Ausfälle und Umstellungen wegzustecken und sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen.
24,0 Jahre sind die aktuellen Tänzerinnen und Tänzer im Schnitt alt, bei einer Spanne von ebenfalls 24 Jahren, denn zwischen dem dienstältesten Tänzer, Dominik Streb mit 39, und dem Küken der Truppe, Robin Leipner (15), liegt fast ein Vierteljahrhundert. „Es ist absolut bemerkenswert, was er in diesem Alter für eine Leistung auf die Fläche bringt“, lobte Trainer Stefan Cramer den Jüngsten. Spürt er Druck, ist er nervös? Ja, schon, gab der TSG-Nachwuchs schüchtern zu, „aber manchmal merke ich das gar nicht.“ Und wenn es dann auf das Parkett geht, ist von Zurückhaltung und Schüchternheit weder bei ihm noch bei seinen – teils ebenfalls sehr jungen – Kolleginnen und Kollegen nichts zu sehen. Energiegeladen und ausdrucksstark lieferten sie am Samstagabend eine klasse Performance.
Nächste Topplatzierung im Visier
Doch ohne „die besten Trainer, die es gibt“, sei solch ein Erfolg nicht denkbar, betonte Morsello: „Ohne den besten Zement hält keine Mauer.“ Gemeint ist das Team um Stefan Cramer, der die TSG seit 2002 trainiert und die erneute Vereins-Bestleistung unmittelbar nach der Siegerehrung noch gar nicht richtig fassen konnte. „Da muss ich erstmal eine Nacht drüber schlafen“, sagte der Coach euphorisch und rief stolz: „Wir sind die beste süddeutsche Mannschaft ever!“ Nie zuvor war es einer Latein-Formation aus dem Süden des Landes gelungen, bei einer DM aufs Podium zu tanzen.
Beginn der Bundesliga 2025
Im Januar startet die Bundesliga-Saison. Schritt für Schritt haben sich die Bietigheimer in den letzten Jahren nach oben gearbeitet, immer das nächstgreifbare Ziel anvisiert – und erreicht. Zielvorgabe für die bevorstehende Saison: „Wir wollen weiter an uns arbeiten und noch mehr aus uns herausholen“, sagte Kapitän Morsello in der für das ganze Team typischen Bescheidenheit. Aber dann wagte er ihn doch, den nicht ganz verwegenen Gedanken: „Zweiter zu werden ist mittlerweile nicht mehr undenkbar.“ Beim fünften und letzten Turnier der Saison hat die TSG am 8. März ein Heimspiel, wenn das Turnier in Bietigheim stattfindet. Es wäre nicht der erste Heimvorteil, den die Formation zu nutzen weiß.