Deutsches Literaturarchiv Marbach Versteckte Gemäldegalerie im Keller

Von Gabriele Szczegulski
In der Dauerausstellung des Literaturmuseums der Moderne in Marbach zeigen Museumsleiterin Vera Hildenbrandt und der Referatsleiter Bilder und Objekte, Mirko Nottscheid einige Porträts ausgewählter Künstler aus der Gemäldesammlung. Foto: /Martin Kalb

600 Gemälde aus der Zeit ab dem 18. Jahrhundert bis heute lagern unter dem Deutschen Literaturarchiv. Das älteste zeigt Friedrich Schiller, das neueste Siegfried Unseld und ist von Andy Warhol.

Wahre Schätze lagen im Kellerarchiv des Deutschen Literaturarchivs auf der Schillerhöhe. Das ist bekannt, sammelt das Archiv ja alles rund um die deutsche Literatur. Den historischen Ausgangspunkt bildeten die schwäbischen Dichter wie Friedrich Schiller, Wilhelm Hauff, Eduard Mörike und Ludwig Uhland. Aber auch das 19., 20. und 21. Jahrhundert werden durch Sammlungen von Dichtern und Schriftstellern dargestellt.

Andy-Warhol-Werk ist eines der wertvollsten der Sammlung

Dass aber neben den literarischen Schätzen auch jede Menge Kunst im Archiv gesammelt wird, ist nicht ganz so bekannt. 600 Gemälde insgesamt verwaltet Dr. Mirko Nottscheid, der die Abteilung Bilder und Objekte leitet. Die Gemälde zeigen Literaten, meist gemalt von den bekanntesten Künstlern ihrer Zeit. Spektakuläre Funde lagern da im Keller. Neueste Besonderheit ist ein Gemälde von Andy Warhol, das den Verleger Siegfried Unseld zeigt (die BZ berichtete). „Dieses Werk ist nun eines unserer wertvollsten. Vom Preis, aber auch von der Bedeutung her“, sagt Nottscheid.

Alle Porträts der Sammlung sind im Archiv aufgehängt, an Schubwänden, was den Eindruck einer Gemäldegalerie vermittelt. Obwohl die Sammlung primär auf Schriftstellerinnen und Schriftsteller ausgerichtet ist, sind darin auch namhafte Kunstschaffende repräsentiert. Schwerpunkte bilden die Bestände des württembergischen Klassizismus wie Gemälde von Johann Heinrich Dannecker oder Ludovike Simanowiz. Die Klassische Moderne ist vertreten durch Porträts von Max Beckmann, Otto Dix, George Grosz, Conrad Felixmüller, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka, oder Georg Kolbe.

„Die Porträts haben nicht nur einen dokumentarischen Charakter, weil sie die im Archiv vertretenen Schriftsteller zeigen, sondern sind auch immer Ausdruck ihrer Zeit, mal naturalistisch, dann impressionistisch, expressionistisch oder eben wie bei Warhol Pop Art“, sagt Nottscheid.

Vor allem die Gemälde expressionistischer Künstler hebt Nottscheid hervor: „Es ist ja die verlorene Generation, die während des Ersten Weltkriegs aktiv war und dann verschwand, und so haben wir Gemälde, von denen heute weder der Maler noch der Schriftsteller bekannt ist“, sagt er. Sein Lieblingsgemälde stammt aus dieser Zeit: ein Porträt von Walter Gramatte, das Wolf Przygode zeigt.

Gramatte war zu seiner Zeit sehr bekannt und eng befreundet mit Expressionisten wie Erich Heckel oder Karl Schmidt-Rottluff. Przygode war unter anderem Herausgeber der expressionistischen Zeitschrift „Die Dichtung“, die zwischen 1918 und 1923 erschien. Beide litten an den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs. „Es sind die Geschichten hinter den Gemälden, die oft noch interessanter sind als die Dichtung selbst“, sagt Nottscheid.

Die Keimzelle der Sammlung sind die mehr als 40 Gemälde, die Schiller zeigen. „Hier ist vor allem das Porträt des Dichters von Ludovike Simanowitz bedeutsam, weil sie die erste akademische Malerin war, die Porträts von damals bekannten Persönlichkeiten malen durfte“, sagt Nottscheid.

Fast jeder Schriftsteller hat sein eigenes Porträt

Fast jeder Schriftsteller hat sein eigenes Porträt – von Schiller bis in die Gegenwart: Man findet Hans-Magnus Enzensberger, Arno Schmitt, Uwe John, W.G. Sebald, Heiner Müller, Brigitte Kronauer, Hermann Hesse, Gerhart Hauptmann und und und. Nottscheid kauft, erwirbt, nimmt Schenkungen entgegen und versucht, die Sammlung so komplett wie möglich zu machen. Oft reicht sein Budget nicht, dann ist er froh, wie er sagt, wenn Förderer oder Stiftungen beim Ankauf helfen, wie beim Warhol-Gemälde.

Neben den Schriftsteller-Porträts sammelt Nottscheid aber auch andere Motive, wenn sie mit einem Literaten zu tun haben. Es gibt Gemälde von Schillers Geburtshaus in Marbach oder seinem Wohnhaus in Ludwigsburg. Stolz ist Nottscheid, dass er einige Original-Hesses hat. Hermann Hesse hat viele Aquarelle gemalt, vor allem von Schweizer Landschaften. „Hesse führte mit seinen Pastell-Zeichnungen eine Art Tagebuch. Es gibt Hunderte solcher Zeichnungen“, sagt Nottscheid.

In der Dauerausstellung im Literaturmuseum der Moderne hat Museumsleiterin Vera Hildenbrand elf Porträts berühmter Literaten von berühmten Malern ausgestellt, exemplarisch, wie die Zeichnung von George Grosz, die Bertolt Brecht zeigt. Oder die Porträts von Harry Graf Kessler und Samuel Fischer von Max Liebermann.

Ob es in Zukunft eine Ausstellung alleine mit den Porträts der Schriftsteller gibt? „Ich glaube nicht, wir zeigen sie immer nur, wenn sie thematisch zu einer Ausstellung passen, aber wer weiß?“, antwortet Mirko Nottscheid.

 
 
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