Diamantene Hochzeit in Löchgau „Es war die richtige Entscheidung“

Von Jonathan Lung
Sigrid und Walter Bilger aus Löchgau feiern das Fest der Diamantenen Hochzeit Foto: /Martin Kalb

Vor 60 Jahren gaben sich Sigrid und Walter Bilger das Ja-Wort.

1964 trafen Sigrid, die damals noch Jaisle hieß, und Walter Bilger eine Entscheidung. Heute, sechs Jahrzehnte, drei Söhne und drei Enkel später, blicken sie zurück auf eine wechselvolle Zeit – und würden sich heute wieder so entscheiden.

Dabei war schon die erste Begegnung 1951 schwierig und teuer. Als Sigrid elf Jahre alt war, sollte ihre Freundin auf dem Weißenhof Milch holen. Sigrid entschloss sich, sie zu begleiten. Dort boten die Söhne des Hofs an, die Mädchen und die Milchkanne auf ihren Fahrrädern zurückzubringen. Sigrid stieg daraufhin bei Walter hinten aufs Rad, bevor sie später auf den Dorfpolizisten trafen: „Zwei Mark Strafe musste er bezahlen“, sagt Sigrid lachend in ihrer Küche, „da hat er noch nicht gewusst, dass ich ihn noch viel mehr kosten werde.“

Zunächst ein lockerer Kontakt

Nach dieser ordnungswidrigen Fahrt blieben sie in lockerem Kontakt, sahen sich immer mal wieder beim Tanzen. Einem Verkupplungsversuch seiner Schwester, die auch Sigrids Arbeitskollegin war, umging er, ernsthaft Ausgehen sollten die Eheleute nämlich erst im Jahr 1963: Beide kamen gerade aus England zurück, wo Sigrid als Au-pair gearbeitet, und Walter einen langen Sanatoriumsaufenthalt nach einer Tuberkuloseerkrankung hinter sich gebracht hatte.

Ein wenig später gingen sie gemeinsam ins Kino. „Da wolltest du nicht auf den Pferdemarkt“, erinnert sich Walter noch heute lachend an den damaligen Herbst – sie gingen dann aber doch. Später sagte er zu Sigrid: „Du hast mir schon immer gefallen“. Ein halbes Jahr später entschieden sie sich füreinander: Im Juni 1964 heirateten Sigrid und Walter.

Die ersten Jahre waren dann nicht einfach: Walter, 1935 geboren, konnte nach seiner Krankheit nicht gleich wieder dem körperlich anstrengenden Maurerberuf nachgehen, machte dann aber später den Maurermeister. Sigrid, Jahrgang 1940, arbeitete 28 Jahre als Pfarramtssekretärin in Kleinsachsenheim. Der erste Sohn kam im Winter nach der Hochzeit auf die Welt, die anderen dann im Zwei-Jahres-Takt. Und dann schließlich der Hausbau in Löchgau, wo beide geboren sind, nachdem sie 13 Jahre in Kleinsachsenheim gewohnt hatten. „Das Sparen haben wir immer noch drin“, sagen die beiden.

Als Maurermeister bekam Walter das Angebot, nach Afrika zu gehen, auch eine gute Bezahlung winkte. Er entschied sich aber für die Familie, denn auch der zweite Sohn war inzwischen auf der Welt: „Ich brauch dich hier“, sagte Sigrid zu ihrem Mann damals. Und das sei auch die richtige Entscheidung gewesen, sagt Walter heute.

Eine Ehe auf Augenhöhe

Die Eheleute begegneten sich stets auf Augenhöhe, er überlässt ihr viele Entscheidungen, auch was die Finanzen betrifft. So manchen dramatischen Engpass auf dem Konto verschwieg sie ihm jedoch: „Da hättest du nachts nicht schlafen können, wenn du das gewusst hättest“, meint Sigrid.

„Natürlich hat man auch mal gestritten“, bestätigt Sigrid die Knackpunkte des Alltags, „aber nicht so, dass es nicht mehr weitergegangen wäre.“ Schimpfwörter fielen keine, auch zu einer Eskalation sei es nie gekommen. „Nur Harmonie kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Sigrid, „wer streitet denn nicht?“

„Wenn ich Krimis schaue, geht er halt ins Bett und schaut Fußball“, beschreibt sie die Kompromissfindung in ihrer Beziehung. „Jeder lässt den anderen so sein wie er ist“, sind sie sich einig. Walter beispielsweise engagierte sich lange im Fußball und war im Schützenverein aktiv. Mit 60 Jahren ging er dann in Rente – und konnte so die gesamte Kindheit seiner Enkel aktiv miterleben. Noch heute erinnert sich der inzwischen junge Erwachsene an die gemeinsamen Fahrten, wenn Opa ihn als Kind abholte.

Wie man so lange zusammenbleibt? „Weil ich dich mag“, sagt Walter zu Sigrid. Manchmal steckt er ihr noch heute unbemerkt Zettel mit Liebesgruß in den Geldbeutel – auch nach 60 Jahren Ehe. Denn diese Ehe sei eine Entscheidung füreinander gewesen. Beide sind sich zu ihrer Diamantenen Hochzeit einig: „Es war die richtige Entscheidung damals.“Jonathan Lung

 
 
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