Die Sprachförderung war schwierig im Homechooling „Nur zu Hause lernen macht einsam“

Von Gabriele Szczegulski
Die 14-jährige Naomi Prisecaru (rechts) mit ihren Lehrern Clemens Beyer, Christine Zywietz, Mike Jankowski (von links) in Bietigheim-Bissingen.⇥ Foto: Martin Kalb

Naomi Prisecaru ist eine der Besten in der Sprachklasse der Schule im Sand, aber auch sie hatte mit dem Online-Unterricht zu kämpfen.

Naomi Prisecaru (14) hatte es eigentlich gut. Sie war eine der wenigen in der Sprachförderklasse der Gemeinschaftsschule im Sand, die schon einen eigenen Laptop hatten. Als er einige Zeit später kaputt ging, bekam sie wie viele ihrer Mitschüler, die keinen hatten, von der Schule einen gestellt. „Aber der Videounterricht war schwer für uns, die wir noch nicht so gut Deutsch können“, sagt sie. Vor allem dann, wenn sie gemeinsam mit ihrer achten Klasse Unterricht im Homeschooling hatte, also in allen Fächern außer Deutsch. „Ich verstand ganz schlecht, was gesagt wurde und ich weiß von anderen Sprachschülern, dass sie gar nichts verstanden, also auch nichts lernten, aber sich nicht trauten, etwas zu sagen“, sagt Naomi Prisecaru.

Eine sehr gute Schülerin

Die 14-jährige Rumänin, die in Griechenland geboren wurde und dort zur rumänischen Minderheit gehörte, weswegen ihre Eltern im Januar 2020 nach Deutschland kamen, ist eine sehr gute Schülerin, in Mathe schreibt sie eine Eins nach der anderen. „Ich will hier etwas Gutes lernen“, sagt die Schülerin. Ihr Vater und ihre Mutter arbeiten, wohnen in einer eigenen Wohnung und Naomi hat, anders als andere Migrantenkinder, ein eigenes Zimmer.

Weil sie so gut ist, besucht sie nicht nur die Sprachförderklasse der Sandschule, sondern auch schon den Unterricht in ihrer Regelklasse. „Ich habe im Homeschooling viel mehr lernen müssen als sonst, um gut zu bleiben“, sagt sie. Es habe ihr aber gefehlt, mit anderen Schülern über den Stoff zu sprechen. „Ich helfe auch nicht so guten Sprachschülern bei Mathe, das ging nun gar nicht“, sagt sie. Sie würden sowieso mit den Unterrichtsstoff hinterher hinken, sagt Mathelehrer Clemens Beyer.

Im Fernlernunterricht könne immer nur ein Schüler Fragen stellen, ein Gespräch sei nicht möglich, sagt er, man merke nicht wie im Präsenzunterricht, wenn ein Schüler hänge. „Wir können uns nicht unterhalten über den Stoff, wir können uns nicht helfen, das ist für uns, die wir nicht gut Deutsch sprechen, schlecht“, sagt Naomi. Vor allem die kleine Schwester habe sie beim Lernen genervt. „Sie dachte, ich bin zu Hause, also kann ich immer mit ihr spielen. Sie war ja auch nicht im Kindergarten. Sie störte mich dauernd.“

Zu dritt in einem Zimmer

Naomi weiß auch von Schulkameradinnen, die im Flüchtlingswohnheim zu dritt mit einem Handy in einem Zimmer lernten. „Wir haben dann ganz schnell angefangen, auch im Lockdown vor allem diese Sprachschüler wieder zurück an die Schule zu holen“, sagt Lehrer Mike Jankowski, der die Sprachförderklassen leitet. Aber für Schüler wie Naomi, die einen Großteil des Unterrichts in der Regelklasse sind, war das kompliziert, da diese ja ausschließlich im Fernelrnunterricht war. „Wir haben für ein paar der Schüler ein Klassenzimmer bereit gestellt, wo sie am Laptop arbeiteten konnten und so am Unterricht der Regelklasse teilnehmen konnten“, so Jankowski.

Rückschritte im Lockdown

 „Nur zu Hause zu lernen macht ganz schön einsam“, sagt Naomi. Sie sei sowieso etwas schüchtern und bekomme nicht leicht Kontakt. Zudem spreche sie mit ihrer Familie nur Rumänisch. „Ich hatte keine Gelegenheit, Deutsch zu sprechen“, sagt sie. Und sie telefoniere nicht so gern, auch nicht mit Freunden, weil sie sich nicht traue, „mit meinem schlechten Deutsch“. „Das ist Quatsch, dafür dass sie erst im Januar 2020 nach Deutschland kam und kein Wort Deutsch sprach, spricht sie jetzt sehr gut“, sagt Jankowski.

Aber es sei schon bemerkbar, dass die Schüler Rückschritte gemacht hätten, was das Deutsch betrifft. „Es ist immens wichtig, dass sie reden“, sagt Jankowski. „Schule ist viel besser“, sagt auch Naomi. Sie sei ständig müde, wenn sie zu Hause Unterricht habe, sei unkonzentriert, schlapp und unmotiviert. „Ich verstehe schon, dass viele meiner Freundinnen keine Lust mehr hatten mitzumachen, schlechter wurden“, sagt sie.

„Die Selbstmotivation ist im Fernlernunterricht viel schwieriger, viele Schüler driften ab, wir verlieren sie“, so Jankowski. Man brauche sicher um einiges länger, um die Schüler auf das Niveau zu bekommen, dass sie ohne Schulschließung haben würden.

Das gemeinsame Spiel auf dem Schulhof, die Gespräche in der Pause seien sehr wichtig vor allem für Migranten, die oft außerhalb der Familie keine Kontakte haben. „Ich lerne die meisten deutschen Wörter, wenn ich mit den Klassenkameraden Uno spiele oder draußen Fußball“, sagt Naomi, „endlich ist das wieder möglich“.

 
 
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