Die Tanzschule Harry Hagen in Bietigheim-Bissingen bleibt offen „Dann sollen sie mich einsperren“

Von Rena Weiss
„Tanzschule Harry Hagen: Wo Träume tanzen lernen“ steht auf dem Werbeplakat im Tanzsaal. Für Harry Hagen ist der neue Bund-Länder-Beschluss eher ein Albtraum. ⇥ Foto: Werner Kuhnle

Harry Hagen lässt seine gleichnamige Tanzschule im Buch offen, trotz Verbot.

Die Tanzschule bleibt offen“, sagt Harry Hagen, Inhaber der gleichnamigen Tanzschule im Bietigheim-Bissinger Ortsteil Buch. Doch der neue Bund-Länder-Beschluss von Mittwoch verbietet ihm die Öffnung ab nächster Woche Montag. „Institutionen und Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind, werden geschlossen“, heißt es darin und darunter fällt auch Harry Hagens Tanzschule. Der Bietigheim-Bissinger will das nicht länger akzeptieren und protestiert dagegen.

Privat anstecken

„Und wenn wir dafür ins Gefängnis gehen“, sagt er bestimmt für sich und seine Frau Sandra Sodogé, die ebenfalls Tanzlehrerin ist. Hagen kann es nicht nachvollziehen, warum nun wieder Freizeitbetriebe leiden müssen und in den Ruin getrieben werden. Neben Tanzschulen bleiben den November auch Theater, Konzerthäuser, Kinos, Fitnessstudios und Gastronomiebetriebe geschlossen (die BZ berichtete). Dabei sage selbst das Robert-Koch-Institut (RKI) von Letzterem kein hohes Ausbruchsrisiko ausgehe, sagt Hagen. „Ich bin überzeugt, dass sich die Menschen im Privaten anstecken und auch an den Schulen.“ Das begründet er damit, dass er regelmäßig sehe, wie Kinder auf dem Pausenhof dicht an dicht stehen – ohne Maske.

Denn die Abstandsregeln, Maskenpflicht und auch das bereits bestehende Hygienekonzept seiner Tanzschule halte er insgesamt für sinnvoll, den neuen Beschluss jedoch nicht. „Die Regierung haut nun auf die Freizeitbetriebe drauf.“ Hagen befürchtet dadurch erst recht einen Anstieg an Infektionen, denn nun seien die Menschen gezwungen, sich privat zu treffen. „Damit verlässt diese Verordnung den Boden demokratischer Ordnung.“ Denn es lege die Kultur und Gastronomie lahm ohne Not. „Was ist denn in vier Wochen?“, ergänzt er, „der Virus ist dann nicht weg. Werden wir dann auch im Dezember schließen müssen?“ Oder werde das Weihnachtsgeschäft noch erlaubt, da der Handel diesen so dringend braucht.

So wütend Harry Hagen über den Beschluss ist, seine Entscheidung dagegen anzugehen, indem er seine Tanzschule weiterhin öffnet, kommt nicht von ungefähr. Schon vor Wochen befürchtete er einen weiteren Lockdown und ähnlich lange keimte in ihm die Idee, diesen nicht hinzunehmen. So erklärte er auch seiner Kundschaft, dass die Tanzschule offenbleiben werde. „Sie haben applaudiert und gesagt, ich solle mich wehren“, sagt Hagen über die Kunden, von denen viele bereits seit Jahren im Buch tanzen. Hagen wisse, dass er diese Unterstützung brauche. „Es reicht nicht, wenn ich das alleine mache.“ Deswegen wolle er einen Aufruf starten und andere Freizeit- sowie Gastrobetriebe einladen, ebenfalls nicht zu schließen und sich gegen die Verordnung und damit gegen den finanziellen Ruin zu wehren.

Noch könne Harry Hagen seine Tanzschule über Wasser halten, sagt er. „Die Altkunden bleiben.“ Doch immer wieder breche beispielsweise aufgrund eines Wegzugs ein Kunde weg und in der aktuellen Zeit gebe es keine Neukunden. „Das wird auch so bleiben, denn den Menschen wird Angst gemacht“, sagt Hagen. Diese Faktoren sorgen für ein Defizit in der Kasse. „Ich weiß nicht, wie lange wir das aushalten.“ Er hofft, er könne die Tanzschule dank Ersparnisse bis März halten. Doch auch hier denkt Hagen weiter: Sollte es im März/April einen seriösen Impfstoff geben, brauche es weitere drei Jahre, bis der Großteil der Deutschen geimpft ist, ist der Tanzlehrer überzeugt. „Machen wir dann die nächsten drei Jahre so weiter?“ Werde es immer wieder Lockdowns und Rettungsschirme geben und wer zahle das dann? „Die Bundesregierung hat doch jetzt schon geschwind mal unseren Schuldenstand verdoppelt.“

Von Mittwoch auf Donnerstag haben Harry Hagen und seine Frau kein Auge zu getan. Denn sie haben sich den Kopf zerbrochen, und versucht zu verstehen, was da beschlossen wurde. „Wir hatten alle Hygienemaßnahmen getroffen und sie haben funktioniert.“ Er berichtet von einer Person, die in einer Gruppe Hagens tanzte. Kurz darauf wurde sie positiv auf Sars-CoV-2 getestet. „Aber keiner aus der Gruppe hatte sich bei ihr angesteckt“, zeigt Hagen als Beweis für das funktionierende Hygienekonzept auf. Von solchen Beispielen habe er auch aus anderen Tanzschulen in Deutschland und im Ausland gehört. „Das ist der Punkt, den ich nicht verstehe. Es hat sich gezeigt, dass dieses Konzept funktioniert.“ Damit kritisiert er auch große Betriebe in der Industrie, in denen Abstandregeln missachtet werden. Als Beispiel nennt er den Skandal um die Fleischereibetriebe (die BZ berichtete). Doch diese Betriebe erhalten keine Verordnungen. „Ich bin halt nicht der größte Steuerzahler, daher gibt es für uns keine Sonderregelung“, vermutet er als Grund für das Ungleichgewicht.

Konsequenzen ziehen

Der Bietigheim-Bissinger befürchtet, dass der Bund-Länder-Beschluss eine Erziehungsmaßnahme für Maskenverweigerer sein soll, für die er selbst kein Verständnis hat. „Doch die Politiker sollten wissen, dass es die Falschen trifft.“ Selbst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann habe man in seiner Ansprache ansehen können, dass er nicht hinter dem Lockdown steht, ist sich Hagen sicher. „Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem ziviles Ungehorsam angebracht ist“, und er ergänzt wohl ahnend was, da kommen mag, „schauen wir mal, wie weit die Stadt bereit ist zu gehen.“ Er werde die Konsequenzen tragen.

 
 
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