Die Verwaltung von Bietigheim-Bissingen warnt vor eigenen Berechnungen Keine Inzidenzzahl für die Stadt

Von Rena Weiss
In der Flüchtlingsunterkunft in der Geisinger Straße in Bietigheim-Bissingen wurden 31 Personen positiv auf Covid-19 getestet.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Bietigheim-Bissingen hofft, dass die hohen Infektionszahlen eine Ausnahme bleiben.

„Es gibt keine Inzidenzzahl für Bietigheim-Bissingen“, betont Anette Hochmuth, Pressesprecherin der Stadt. Die Inzidenzzahlen werden stets nur auf Ebene der Landkreise und Stadtkreise berechnet. „So sehen es die Bestimmungen von Bund und Ländern zur Vergleichbarkeit der Zahlen und der damit einhergehenden Maßnahmen vor“, erklärt die Sprecherin, weil vermehrt Bürger einen Wert für die Stadt errechnet haben. Zuletzt auch Stadtrat Claus Stöckle, der in der Gemeinderatssitzung am Dienstag die Stadt mit dem Berchtesgadener Land verglich. Davor warnt die Stadt jedoch.

Als kreisangehörige Stadt ist Bietigheim-Bissingen Teil der Zahlen des gesamten Landkreises. „Dies gilt ebenso für Freudental, die mit dem Pflegeheim in den letzten Tagen auch sehr hohe Werte hätten, wenn man sie nur auf die Freudentaler Bevölkerung beziehen würde.“ Eine solche Zahl werde weder berechnet noch würden sich daraus Folgerungen ergeben. Die Maßnahmen des Landratsamts seien vielmehr individuell auf das konkrete Infektionsgeschehen bezogen – also im Fall Freudentals mit den besonderen Schutz der Bewohner und Mitarbeitern im Pflegeheim, erklärt Anette Hochmuth.

In Bietigheim-Bissingen gibt es mit dem Flüchtlingsheim in der Geisinger Straße einen Bereich, in dem besonders viele Infektionen aufgetreten sind (die BZ berichtete). „Deshalb hat das Landratsamt dort auch die notwendigen Maßnahmen wie eine Schließung für Besucher und Quarantäne für die Bewohner angeordnet.“ Gleichzeitig wurden alle Bewohner getestet und einige, die nicht infiziert sind, zu ihrem Schutz in andere Bereiche verlagert. Darüber hinaus gebe es keinen besonderen Bereich, aus dem sich ein überhöhtes Infektionsgeschehen ablesen lasse. Es seien zahlreiche Familien betroffen, aber auch Einzelpersonen. „Daher könnte es an verschiedenen Familienfeiern liegen, aber auch auf andere Ursachen zurückgehen“, so die Stadtsprecherin. Oberbürgermeister Jürgen Kessing hatte unter anderem Familienfeiern als Grund für höhere Zahlen in der Stadt genannt. Das Landratsamt arbeite indes in jedem Einzelfall intensiv daran, die Ansteckungswege zurückzuverfolgen.

Hohe Infektionsraten

„Die von Stadtrat Stöckle erwähnten hohen Werte wurden von ihm persönlich errechnet. Es handelt sich um eine private Rechnung, die nichts mit den offiziellen Inzidenzzahlen zu tun hat.“ Mit dem Inzidenzwert seien bestimmte Aussagen und Maßnahmen verbunden, auch im allgemeinen Verständnis der Menschen, die hier nicht gelten. „Wir sollten zur allgemeinen Verwirrung nicht beitragen“, sagt Hochmuth zu solchen Berechnungen. Richtig sei jedoch, dass in der Stadt hohe Infektionsraten aufgetreten sind. Ein wesentlicher Grund sei das Flüchtlingsheim.

Die Stadt appelliere seit Wochen an die Bürgerschaft, die Corona-Regeln zu beachten, den Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann, und bei privaten Feiern Zurückhaltung zu üben. „Es sollte jedoch vermieden werden, die Menschen mit Zahlenspielen, die wenig Aussagewert haben, zu panischen Reaktionen zu verleiten.“ Dabei spricht die Stadtsprecherin auch die bereits wieder auftretenden unnötigen Hamsterkäufe an. Das Ordnungsamt und die Polizei seien mit Kontrollen intensiv daran, die Einhaltung der Bestimmungen, auch der Quarantänebestimmungen, zu überwachen. „Lückenlos sind solche Kontrollen natürlich nie, aber sie wirken.“

Die Infektionszahlen in Bietigheim-Bissingen

423 bestätigte Fälle aus Bietigheim-Bissingen gibt es laut dem Landratsamt (Stand 20. Oktober). „Dabei handelt es sich um die Gesamtsumme seit Beginn der Pandemie“, erklärt Stadtsprecherin Anette Hochmuth.

125 seien indes aktuell infiziert. Es handle sich dabei um diejenigen, die sich in der Quarantäne aufgrund eigener Infektion befinden. „Daraus wird deutlich, dass die Werte der letzten sieben Tage keineswegs regelmäßig so hoch sind, sondern eben ausnahmsweise – und gerade deshalb haben wir auch die Chance, bei Einhaltung der Corona-Regeln die Zahlen auch wieder deutlich zu reduzieren.“

107 Neuinfektionen gab es in den letzten sieben Tagen. „Da unsere Einwohnerzahl mit rund 44 000 unter dem Schwellenwert von 100 000 liegt, ist der Wert hochgerechnet derzeit 243.“ In wenigen Tagen, wenn die einmalig hohen Zahlen vom 16. Oktober (54 Neuinfektionen) wieder aus dem Sieben-Tage-Spektrum entfallen, könne es schon wieder ganz anders aussehen, so Hochmuth. Dies zeige, welche Bedeutung eine ausreichend große Datenmenge für die Berechnung solcher Durchschnittswerte habe und weshalb einzelne Infektionsherde nicht direkt zu einem Lockdown einer ganzen Stadt führen.

 
 
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