Ditzingen Der Macher im Fachwerkidyll

Von Franziska Kleiner
Schöckingen ist geprägt von Traditionen. Diese zu bewahren, dennoch mit der Zeit zu gehen, ist seit 20 Jahren eine Herausforderung für den Ortsvorsteher Michael Schmid. Foto: Simon Granville

Schöckingen ist der kleinste Teilort Ditzingens. Das schmälert das Selbstbewusstsein der Gemeinschaft nicht. Das dürfte auch am Ortsvorsteher liegen.

Michael Schmid macht nicht gerne viele Worte um das, was er, der Ortsvorsteher in Schöckingen, bewirkt – oder besser: in 20 Jahren bewirkt hat. Er betont lieber, dass die Höhepunkte seiner Amtszeit entweder daraus bestanden, dass er geerntet hat, was vor ihm angestoßen worden war: so zum Beispiel die Ortsumfahrung von Schöckingen. Oder dass die Bürger gemeinsam das Fest zum Ortsjubiläum feierten. Zwei Jahre lang war die 1200-Jahr-Feier für 2014 vorbereitet worden.

An eine Idee glauben

20 Jahre ist Schmid Ortsvorsteher, bei den Kommunalwahlen im Juni tritt er zwar für die Freien Wähler im Gemeinderat an, nicht aber für den Ortschaftsrat. Damit geht auch seine Zeit als Ortsvorsteher zu Ende. Er gehörte 40 Jahre dem Gremium an, zwei Jahrzehnte als dessen Vorsitzender.

Dass er nicht mehr für den Ortschaftsrat des 1850 Einwohner zählenden Schöckingen antreten würde, habe er schon anlässlich der letzten Wahl vor fünf Jahren erklärt, sagt Schmid. Unerwartet kommt der nahende Schnitt an der Spitze der Schöckinger Ortsverwaltung daher nicht. Doch gleichgültig lässt ihn das Ende seiner Amtszeit nicht, natürlich nicht.

Schmid lebt sein Verständnis vom Amt des Ortsvorstehers, „er wirbelt für den Ort“, heißt es häufig. Wenn es darum ging, Menschen und Ideen zusammenzubringen, dann hatte er meist seinen Anteil daran. „Eine Idee ist schnell entwickelt, aber sie umzusetzen, das ist die große Herausforderung“, sagt der 63-Jährige. An eine Idee zu glauben, von der man überzeugt sei, damit auch mal vorneweg zu gehen, die Gemeinschaft davon zu überzeugen und mitzunehmen – das ist sein Verständnis vom Amt des Ortsvorstehers.

Ein Wettbewerb bringt nach der Pandemie neuen Schwung

Das ist zu Beginn seiner Amtszeit so gewesen, das war auch in der jüngeren Zeit so – wenngleich sich die Gemeinschaft wandelte. Die Vereine hätten nicht mehr denselben Stellenwert in der Bevölkerung, die Kirche ebenso wenig, beobachtet Schmid. Beide Entwicklungen sind keineswegs ortsspezifische, sondern landesweite Trends. Aber die Auswirkungen im Ort seien doch immens: Ein Verein wie der Handharmonikaclub musste sich auflösen, die Kirche verliert Gläubige und damit Mitglieder einer Gruppe, die in der Vergangenheit immer wieder gemeinsam Ideen realisierten, um die Gemeinschaft weiterzuentwickeln.

Heute ließen sich die Menschen eher für zeitlich befristete Projekte begeistern, sagt Schmid. Auch das ist ein landesweiter Trend, der präge Schöckingen nachhaltig. Schmid bewertet diese Entwicklung nicht, er stellt das sachlich fest. Er bedauert, dass sich im Ort lieb gewonnene Vereine auflösen, hebt zugleich die positiven Aspekte neuer Entwicklungen hervor.

Vor diesem Hintergrund sei der bundesweite Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ zum richtigen Zeitpunkt gekommen, sagt er. Die „traurige Feststellung“ nach der Pandemie sei gewesen, dass man nicht nahtlos anknüpfen konnte an die Zeit vor Corona, viele Aktive waren nicht mehr mit dabei. Zugleich entstanden neue Ideen, viele Projekte befassten sich mit Umwelt und Nachhaltigkeit, Schmid freut sich darüber, sagt aber zugleich, dass es immer auch Aufgabe des Ortsvorstehers und des Ortschaftsrates sei, „den ganzen Ort im Blick zu haben“ – die jungen Familien, die Senioren, die Alteingesessene ebenso wie die Neuzugezogenen.

Just für die Zugezogenen sei es bisweilen einfacher, über zeitlich befristete Projekte den Ort und die Menschen näher kennenzulernen und sich zu integrieren. Zumal sich jene, die sich bewusst für Schöckingen, die Natur, für überschaubare Strukturen, für die Gemeinschaft und gegen Anonymität entscheiden, zugleich als Ditzinger sähen. Sie seien Ditzinger, die bewusst in Schöckingen lebten. Die Schöckinger heute arbeiteten in global agierenden Unternehmen, seien in ihrer Freizeit zugleich nach Stuttgart oder Ludwigsburg orientiert. Heute sei die dörfliche Struktur kein Nachteil mehr. Das, so Schmid, sei früher anders gewesen.

Noch immer wirkt die Fachwerkkulisse identitätsstiftend. Die Gebäude, die landwirtschaftlichen Höfe, die Scheunen, die Natur machen Schöckingen aus, das zugleich dringend Wohnraum benötigt. Diesen wird es mit dem Neubaugebiet und der Errichtung von Mehrfamilienhäusern bekommen – die Aufgabe des Ortschaftsrates wird es sein, den Wandel, sein richtiges Maß zu begleiten.

Manchmal brechen sich noch traditionelle Denkweisen Bahn, die das Miteinander der Teilorte erschweren – aber stärker ist inzwischen die Erkenntnis, als Teilort im Gemeinderat ernst genommen zu werden. Die Empfehlungen der Ortschaftsräte hätten bei der Entscheidung im Gemeinderat Gewicht, sagt Schmid. Das habe sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Das Detailwissen des Ortschaftsrats fließe in die Entscheidung der Gesamtstadt ein. Das sei dem Selbstbewusstsein der Teilorte zuträglich, sagt Schmid. Wohl wissend, dass das Miteinander im Gemeinderat ein ums andere Mal sorgfältig austariert werden müsse.

 
 
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