Dokument aus dem Jahr 1898 in Hofen aufgetaucht Komplette Liste der Traurigkeit

Von Jürgen Kunz
Handschriftlich, zu Beginn in der damals üblichen Sütterlinschrift, wurden die Sterbefälle im „Leichenschau-Register“ der Gemeinde Hofen eingetragen.⇥ Foto: Jürgen Kunz

Bei einer Haushaltsauflösung ist das sogenannte „Leichenschau-Register“ der Gemeinde Hofen aufgetaucht. Der erste Eintrag stammt vom 7. Juli 1898.

Das Sterberegister der Gemeinde Hofen umfasst rund 75 Seiten und listet in unterschiedlichen Sütterlin-Handschriften fein säuberlich die Gestorbenen seit 7. Juli 1898 auf. 55 Jahre lang wird jeder Todesfall dokumentiert und die Todesursache benannt.

„Die im Allgemeinen wenig bemittelten Einwohner, deren Erwerbsquellen in Ackerbau, Viehzucht und etwas Weinbau bestehen, sind sehr fleißig und führen einen eingezogenen Lebenswandel; ihre körperliche Beschaffenheit zeigt aber zuweilen Neigung zu Cretinismus und dicken Hälsen, auch sind gichtische Krankheiten in allen Formen ziemlich verbreitet, dessen ungeachtet erreichen Manche ein hohes Alter“, heißt es in der Oberamtsbeschreibung Besigheim aus dem Jahr 1853 über den kleinen Ort, der zu diesem Zeitpunkt 487 Einwohner hatte.

Bei einer Haushaltsauflösung ist jetzt das sogenannte „Leichenschau-Register“ der Gemeinde Hofen aufgetaucht. Der erste Eintrag stammt vom 5. November 1898. An „Lungenschwindsucht“ ist der 46-jährige Fabrikarbeiter Christoph Paul Kraft am 7. Juli 1898 morgens um halb 6 Uhr nach der Diagnose des Bönnigheimer Arztes Dr. Fleischmann gestorben. Es ist der erste Eintrag im Hofener „Leichenschau-Register“. Das Jahr 1898 verzeichnet bis Dezember insgesamt sechs Sterbefälle, die vom Königlichen Oberamtsschriftführer Lang am 4. Dezember beurkundet wurden. Neben der „Lungenschwindsucht“ starben die Menschen an „Darmkatar“, „Gicht“ und „Wochenbettfieber“. Auch eine Totgeburt weist das Register aus.

Hohe Kindersterblichkeit

Um die Jahrhundertwende waren die Anzahl der Totgeburten und die Kindersterblichkeit hoch. In den zehn Jahren bis 1910 erreichten 43 Kinder nicht das vierte Lebensjahr. Das Hofener Sterberegister listet auf, dass darüber hinaus meist Ältere ab 60 Lebensjahren im Ort starben. Im sogenannten Mittelalter zwischen 25 und 59 Jahren gibt es dagegen kaum Todesfälle. Ob dies am „Hofener Heilbrunnen“ lag, der im Bönnigheimer Heimatbuch von 1984 benannt wurde, ist nicht nachzuweisen. In „Die wechselvolle Geschichte einer Ganerbenstadt“ heißt es: „Der ,untere Brunnen’ war bei der Wette von Holunder- und Haselnussgesträuch stimmungsvoll eingerahmt. Er liefert ein gutes Trinkwasser. Noch besser ist das Wasser des ,Taufbrunnens’, der sich eine Viertelstunde nördlich von Hofen an der Straße Richtung Hohenstein befindet.“ Nach der mündlichen Überlieferung wurde seinem Wasser Heilkraft zugeschrieben. Dort sollte man Heilung von Zahnweh finden. „Der Patient sollte sich um Mitternacht ,unbeschrieen’ an den Brunnen begeben. Bei 12-Uhr-Schlag musste ein Kreuzer über den Kopf weg ins Wasser werfen, worauf das Zahnweh verschwunden sein soll“, so steht es im Bönnigheimer Heimatbuch.

Zur „Neigung zu Kröpfen“ in der Hofener Bevölkerung, die noch in der oben genannten Oberamtsbeschreibung vermerkt worden war, stellte 1914 der staatlich bestellte Schularzt, Medizinalrat Dr. Schmidt, Brackenheim, fest, dass sich „in dieser Hinsicht Hofen mit den anderen zur Wasserversorgungsgruppe gehörigen Gemeinden (Gemmrigheim, Hessigheim, Hohenstein und Löchgau) sich in bestem Lichte zeige“.

Im Jahr 1915 sind die Menschen in Hofen im Alter von 70, 73 und 79 Jahre an Altersschwäche, einer mit 62 Jahren an Zwerchfellentzündung auf Grund von Gallensteinen und mit 22 Jahren an „Lungenschwindsucht“ gestorben. Auch der Tod von zwei Kleinkindern im Alter von drei beziehungsweise vier Monaten war zu beklagen. Insgesamt starben acht Hofener in diesem Jahr. Bemerkenswert sind Einträge im Jahr 1920: Es starben nur zwei Hofener, eine Zwölfjährige an Lungentuberkulose und eine 86-jährige Frau an Herzschwäche.

Von April 1940 bis März 1941 bescheinigte der Bönnigheimer Dr. Büchner ausschließlich „Altersschwäche“ als Todesursache bei den 75- bis 80-Jährigen. Ein 35 Jahre alter Mann erlag einer Magenoperation in Heilbronn. Zu einer polizeilichen Untersuchung führte der Tod eines 67-jährigen Landwirts, der am 4. August 1944 morgens um 2 Uhr von seiner Familie „tot angetroffen“ wurde. Auch der Sturz eines 76-Jährigen, der am 2. Januar 1945 verstarb, musste von der Polizei in Hofen untersucht werden. Der letzte Eintrag stammt vom 11. Juni 1953: Fünf Tage zuvor hatte abends um 9 Uhr der Bönnigheimer Arzt Dr. Kuder einen „Herz- und Pulsaderstillstand, Leichenstarre“ einer am 11. Januar 1879 geborenen Frau festgestellt.

Info Über viele Jahrzehnte war das „Leichenschau-Register der Gemeinde Hofen“ in einem privaten Haushalt aufbewahrt worden. Jetzt kam es zum Vorschein und soll ins Stadtarchiv Bönnigheim kommen. Birgit Papendorf vom Fachbereich Kultur und Soziales im Rathaus: „Das ist ja ein sehr interessanter Fund, den wir fürs Archiv erhalten.“

 
 
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