Drei Bietigheim-Bissinger Musiker Hartmut Engler und der Entensong

Von Jörg Palitzsch
Vor dem Hit „Lena“ arbeitete Hartmut Engler für „2 CVCV“ mit Luigi Triviali zusammen (links). Der Liedermacher Dirk Bojer nannte seine CD „13“ auf einem Aufkleber „Das Abschiedswerk“ (Mitte) und Konrad Kujau (rechts) rockte mit den Rock‘n‘Roll Junkies. ⇥ Foto: bz

Bevor Pur vor 30 Jahren zum großen Erfolg ansetzte, sang Frontmann Engler über das Kultauto Citroën 2CV. Liedermacher Dirk Bojer ist vergessen und Konrad Kujau hatte den Blues.

Bietigheim-Bissingen hat bundesweit den Ruf, eine Hochburg der Rapmusik zu sein. Die Stadt an Enz und Metter kann ebenso auf Live-Veranstaltungen mit Weltstars wie Joe Cocker, Avicii sowie ZZ Top verweisen und hat mit dem Festival „Best of Music“ dem Publikum jahrelang viel musikalische Abwechslung geboten. Daneben gibt es Musik aus Bietigheim-Bissingen, die noch nicht ganz vergessen und etwas eigenwillig ist – drei Beispiele.

Vor 30 Jahren legte die Pop-Band Pur mit ihrem ersten Single-Hit „Lena“, dem Album „Nichts ohne Grund“ (1991) und einer ersten großen, fast einjährigen Tournee die Grundlagen für ihren Erfolg. Aber alle Stars fangen mal klein an. Noch bevor Hartmut Engler mit seiner Band durch die Decke schoss, arbeitete er mit dem Musiker und Verleger Luigi Triviali zusammen, bürgerlich Ludwig Stark. Stark gilt als Autor des Standardwerkes „Beat in Ludwigsburg“, und hat auch die Bücher „Der PURE Wahnsinn sowie „Pure Texte“ von Engler veröffentlicht, der vor 30 Jahren mit dem Fred-Jay-Preis für Liedtexter ausgezeichnet wurde.

Auf der CD „2 CVCV“ singt der Frontmann von Pur über die Annehmlichkeiten einer Ente. „Am Rastplatz Wunnenstein schaltet sie mein Radio ein und wir fahr‘n von Stau zu Stau, zu der zärtlichen Melodie vom 2 CV. Ihr 2 CV, CV, CV, Ihr 2 CV, CV, CV. In diese Hupe hab ich mich verliebt. Ich bin so froh, dass es sie gibt.“ Eine kleine Kostbarkeit für Fans von Hartmut Engler, bevor Pur zum großen Erfolg ansetzte.

Minimalistische Musik

Auf der Liste der Söhne und Töchter der Stadt Bietigheim-Bissingen taucht neben Hartmut Engler auch der 1968 geborene Dirk Bojer auf. Der Liedermacher hat vor 30 Jahren ab 1991 in Eigenregie und bei kleineren Labels CDs veröffentlicht. Bojer spielte minimalistische Musik, oft nur mit einer einzigen Melodie auf der Akustik-Gitarre und Texten, in denen er sensibel, ironisch und sarkastisch mit ganz alltäglichen Dingen abrechnete.

Der Liedermacher trat in kleineren Clubs in Berlin auf und träumte davon, einmal im Vorprogramm von Reinhard Mey spielen zu können. In einem Interneteintrag von „bobrobotboy“ erfährt man, das sich Dirk Bojer 2010 umgebracht haben soll und anonym in Berlin beerdigt wurde. „Er war ein Sänger aus dem Volk. Die Stimmungen, die er mit seinen Liedern geschaffen hat, bedurften nicht der Virtuosität. In einer Welt voller Dünkel und Technikwahn, erzeugter Einsamkeit und Worthülsen wird einer wie Dirk Bojer belächelt“, schrieb 2016 der Liedermacher, Schriftsteller und DDR-Dissident Stephan Krawczyk über den Bietigheimer-Bissinger.

2006 erschien Bojers CD „13“, darauf ein Aufkleber „Das Abschiedswerk“ – versehen mit drei Ausrufezeichen. Seine letzte CD „Autodidakt“ stammt von 2007.

Konrad Kujau ist nicht nur als Kunstfälscher bekannt. Nach seiner Verurteilung wegen Betrugs im Jahr 1985 nutzte er seine Popularität auf vielfältige Weise. Bei der Wahl zum Bundestag 1994 kandidierte er für die Autofahrerpartei, zwei Jahre später trat er zur Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart an. Dazwischen spielte Kujau mit einer Band namens Rock ‘n‘ Roll Junkies die CD „Rebellen der Kunst“ ein.

Rebellischer Rockismus

Nachdem Sänger Guntram Sailer bereits 1992 in Stuttgart eine Vision von noch mehr Rock ‘n’ Roll-Süchtigen und den „rebellischen Rockismus“ als eigenständige Religion ausgerufen hatte, kam es 1995 zu einem Treffen mit Kujau. Der zählte, so ist im CD-Booklet nachzulesen, ebenfalls zum Kreis der offiziellen Kunstabhängigen. Ergebnis des Treffens war ein 20-minütiges Album, das mit dem „Fälscher Blues“ eröffnet wird. „Hallo hier singt euer Konny und nicht irgendeine Fälschung. Ihr braucht alle unsere Kunst, hinterher wollt ihr Vergeltung“, singt Kujau zur Melodie des von Eddie Cochran zum Hit gemachten und von The Who für die Rockmusik adaptierten „Summertime Blues“. Mit Songs wie „Er war der Fälscher der Bücher“ und „Schtonk“ nimmt Konrad Kujau nochmals Bezug auf seine Kunstfälschungen. „Doch wir geben nicht auf, denn wir lieben unsere Kunst“, heißt es am Ende der CD.

 
 
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