Drückjagd bei Hohenhaslach Ab durch die Brombeeren

Von Martin Hein
Jagdleiter Philipp Notz (dritter von rechts) bei der kurzen gemeinsamen Besprechung im Jagdrevier Hohenhaslach-Nord. Nach der Sicherheitsbelehrung wurden die Jäger auf die Stände verteilt und die Treiber in Gruppen aufgeteilt. ⇥ Foto: Stefan Ott

Am Samstag fand die traditionelle revierübergreifende Drückjagd bei Hohenhaslach statt. 17 Jäger und ebenso viele Treiber machten Jagd auf Rehe und Wildschweine.

Optimales Wetter für eine Drückjagd sieht anders aus. Regen und Temperaturen um die 6 Grad. Eine revierübergreifende Drückjagd bei Hohenhaslach ist angesagt, und ich darf als Treiber teilnehmen. 17 Jäger bejagen mit Hilfe von ebenso vielen Treibern an diesem kalten, regnerischen Samstag etwa 170 Hektar Wald.

Corona bestimmt derzeit auch den Ablauf einer Drückjagd. Bevor es los geht, müssen alle Teilnehmer Formulare mit der Adresse ausfüllen. Die Jagdscheine der Jäger werden hingegen immer kontrolliert. Jagdleiter Philipp Notz begrüßt alle und hält eine Ansprache im Jagdrevier Hohenhaslach-Nord. Er terminiert den Start auf 9 Uhr und ab 12 Uhr ist „Hahn in Ruh“, soll heißen, danach darf nicht mehr geschossen werden. Alle müssen Signalkleidung tragen, dann folgt noch eine Sicherheitsbelehrung. Schwarzwild außer führenden Bachen darf geschossen werden. Also Schonzeit für Muttertiere samt Nachwuchs. Bei Rehwild ist alles frei. Nach einem Waidmannsheil und dem Wunsch nach einem „Guten Anlauf“ wird es ernst.

Die Jäger werden auf ihre Stände verteilt, die Treiber in Gruppen aufgeteilt und mit dem Lieferwagen in die Ausgangspositionen gefahren. Jeder bekommt einen Stock. Der Jagdleiter weist uns in das Gelände ein und erwähnt, dass Rehe sich gerne in Brombeeren verstecken. Also sind Brombeeren besonders interessant, nur anders als ich in dem Moment vermute.

Ab ins schwere Gelände

In einer langgezogenen Linie, mit gehörigem Abstand zum Nebenmann, in meinem Fall Nebenfrau Ute, geht es in das Gelände. Und was für ein Gelände! Durch den Dauerregen ist der Boden schwer, Laub und herumliegende Äste sind sehr rutschig. Langsam und in einer langgezogenen Linie marschieren wir los und machen, so gut es geht, einen Höllenlärm. Mit den Stöcken schlagen wir gegen Baumstämme, auf Brombeerverhaue, Büsche und Äste. Mit lautem Rufen wird die beachtliche Geräuschkulisse unterstützt. Bald hat sich bei mir als Favorit ein „Heeehoooh“ durchgesetzt. Meine Treiber-Nachbarin setzt auf ein beeindruckendes „Eieieiei“.

Und schon liegt der erste riesige Brombeerverhau auf meiner Strecke. Ausweichen gilt nicht, da muss ich jetzt durch. Tapfer kämpfe ich mich geradewegs in die stacheligen Brombeer-Ruten hinein. Meine Stiefel verhaken sich, mit einem uneleganten Stockeinsatz kann ich einen Sturz gerade noch verhindern. War doch gar nicht so schlimm, oder?

Die Stacheln waren kein Problem für meine Jeans, aber bereits nach den ersten Brombeeren leuchtet mir ein, warum eine wasserfeste Hose praktisch gewesen wäre. Dunkel färbt sich mein Beinkleid von den nassen Sträuchern. Zwei riesige Brombeersträucher später ist meine Hose vollends total durchnässt. Nach Nass kommt egal! Weiter geht’s. Die Topografie ist anspruchsvoll: Einmal geht’s steil bergab, dann wieder fast genauso steil bergauf. Äste, an denen ich mich hochziehen möchte, brechen ab, nasse Zweige peitschen mir ins Gesicht, egal, nur nicht den Anschluss verlieren und in der Linie bleiben. Treiber Florian hat mitgedacht. Mit einer Machete bahnt er sich geschickt einen Weg mitten durch die Brombeeren.

Wildsau und Fuchs in Sicht!

„Da eine Wildsau!“, ruft meine Treiberkollegin. Ich sehe gerade noch die Silhouette, der Schwarzkittel rennt in die falsche Richtung, und zwar nach hinten. An diesem Vormittag hat diese Wildsau sozusagen Schwein gehabt. Weiter geht’s durch das dichte Unterholz. Kurz darauf ertönt wieder ein Ruf: „Fuchs!“ Keine fünf Meter hinter uns rennt ein Fuchs quer durch das Dickicht.

Schon sind wir wieder am Fahrzeug. Ab geht’s ins nächste Revier, dort wieder in Linie Aufstellung nehmen. Philipp weist uns ein, in welche Richtung wir mit unserer Linie durch den Wald marschieren sollen. Schon wieder Brombeeren, irgendwie werden diese verflixten Brombeerverhaue immer größer, vorne liegt auch noch ein mächtiger Baum quer auf meiner Strecke. In der Ferne knallt ein Schuss. Hoppla, jetzt bin ich doch gestürzt, meiner Treibernachbarin ergeht es kurz darauf ähnlich. „Heeehooh“, und mit Schwung wieder gegen einen Baumstamm geklopft.

Das Gelände wird immer schwieriger, jetzt geht’s extrem den Berg runter und – ohje, drüben noch steiler wieder rauf. Der Aufstieg hat gefühlt eine Steigung wie die Eiger-Nordwand, nur mit Schlamm, nassem Laub, umgestürzten Bäumen und Ästen überzogen. Sehr kräftezehrend das Ganze. Keuchend komme ich endlich oben an, kaum noch Luft für ein „Heeehooh“. Ein Blick auf die Uhr, kurz vor Zwölf! Wie war das, ab 12 Uhr „Hahn in Ruh“? – geschafft, ab ins Auto.

Dann geht’s zurück zur Pfeifferhütte, dem „Dreiländereck“ im Sachsenheimer Wald. Dort treffen die Gemarkungen von Sachsenheim, Bönnigheim und Cleebronn aufeinander. In der Hütte lodert schon ein Feuer. Kaffee, Punsch, leckerer Nusszopf und Hefezopf sind eine willkommene Stärkung für die völlig durchnässte Jagdgesellschaft. Ich wringe meine Handschuhe aus, nasser geht’s nicht. Treiberkollege Alexander aus Ludwigsburg trocknet einen Handschuh an einem Stock über dem Feuer.

Rainer und Bernd, beide Jäger aus Ebhausen im Schwarzwald, kommen schon seit Jahren zur Drückjagd nach Hohenhaslach. Rainer ist zudem noch Prüfer beim Jagdverband. Er erzählt, dass derzeit mehr Leute denn je den Jagdschein machen, die Zahl habe sich in den letzten Jahren beinahe vervierfacht, der Anteil der Frauen betrage inzwischen rund 30 Prozent. Auf die Frage nach der Motivation für das „Grüne Abitur“ sagen die meisten: „Ich möchte wissen, woher mein Fleisch kommt“, so Rainer. Letzte Woche waren die beiden Schwarzwälder bei einer Jagd auf Rügen. „Die Drückjagd heute war mit die extremste Jagd für die Treiber, an die ich mich erinnern kann, was die Wetter- und Bodenverhältnisse angeht“, sagt Bernd und ergänzt: „Ich bin schon seit über 40 Jahren Jäger.“

Zwei Rehe und eine Wildsau

Inzwischen sind alle Jäger- und Treibergruppen an der Pfeifferhütte eingetroffen. Überall stehen Grüppchen zusammen und unterhalten sich angeregt. An einem quermontierten Baumstamm wird das geschossene Wild, wie die Jäger sagen, „aufgebrochen“. Zwei Rehe und eine Wildsau hängen kopfunter dort. Keine allzu üppige Ausbeute, aber Jagdleiter Philipp Notz nimmt es sportlich: „Das ist dem schlechten Wetter geschuldet“.

Wegen Corona darf keine Strecke gelegt werden, das heißt, dass die erlegten Rehe und die Wildsau nicht auf Reisig gebettet werden. Normalerweise wird auch von Jagdhornbläsern das „Wild verblasen“. Dieser Brauch muss wegen der Pandemie ebenfalls ausfallen.

 
 
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