Eigenreportage Hinter den Kulissen der Handball-EM

Von Niklas Braiger
Mit dem Handy in der Hand und dem Mikrofon in der Hosentasche bewaffnet geht es für mich mitten ins Getümmel. Zuschauer befragen, Atmosphäre einfangen und hautnah dabei sein steht auf der Agenda. Foto: Marco Wolf

Bei der EM im eigenen Land sind alle Kameras auf die Stars gerichtet. Doch damit die Veranstaltung auch reibungslos abläuft, braucht es freiwillige Helfer. Ein Erfahrungsbericht.

München, Anfang Januar. Die Straßen sind glatt, die Gehwege noch glatter. Auch in der Olympiahalle muss alles glattlaufen, denn es steht das größte Handball-Event des Jahres an: Die Europameisterschaft. Auch zwei Schwaben sind zu Gast in der bayrischen Hauptstadt: Ich bin in diesem Jahr live vor Ort, jedoch nicht als Zuschauer. Zusammen mit meinem Vater Achim helfe ich als sogenannter Volunteer – also freiwilliger Helfer – mit, dass die EM ohne Probleme gespielt werden kann. Während sich die Vorrundengruppen C und F auf dem Parkett um den Einzug in die Hauptrunde duellieren, sind wir hautnah dabei und haben dabei einiges zu tun.

Ich bin im Bereich Social Media zuständig. Das heißt: Bilder machen, Videos drehen, Zuschauer interviewen und Content für den offiziellen Account des Olympiaparks auf Instagram, Tiktok und Facebook produzieren. Mein Vater darf derweil Taxi spielen. Er ist Fahrer für – mehr oder minder – wichtige Personen. Mal gilt es, Spieler vom Fitnessstudio ins Hotel zu fahren, mal kutschiert er Abgeordnete der European Handball Federation (EHF) vom Flughafen in die Arena.

Mit Volunteer-Erfahrung ins kalte Wasser

Damit geht es für uns beide bereits am ersten Tag auch direkt los. Zeit zum Eingewöhnen brauchen wir kaum, da wir seit Jahren in Stuttgart beim Pokal-Final-Four der Handballfrauen als Volunteers tätig sind. Ich schnappe mir direkt eine Kamera, ein Mikrofon und einen Kollegen und wir sind auf, um ein paar Fans zu interviewen.

Die Zuschauer werden gefragt, wer sie glauben, wird Europameister, wer für sie der beste Spieler der Welt ist oder wie sie ihr Land anfeuern. Nach einer kurzen Anmoderation werden die Szenen zusammengeschnitten und gepostet.

Während der Spiele heißt es dann Fans filmen, Atmosphäre einfangen, aber natürlich auch die Spiele genießen. Mit Island, Ungarn, Serbien und Montenegro kämpfen vier Mannschaften in Gruppe C um die beiden Hauptrundenplätze, die alle auf etwa einem Niveau sind. In Gruppe F ist Dänemark der klare Favorit und wird auch später dieser Rolle gerecht. Portugal ist ein Geheimtipp, Tschechien und Griechenland sind krasse Außenseiter.

Ab Tag eins ist schon klar: Die Skandinavier reißen die Hütte ab. Sowohl die Dänen, aber allen voran die Isländer reisen Scharenweise nach München, von der Insel im Atlantik sind fast 6000 Fans in der Halle. Dementsprechend laut ist auch die Stimmung bei ihren Spielen. „Es ist elektrisch, man kann die Stimmung richtig fühlen“, erzählt mir eine Gruppe Island-Fans. In ihrem zweiten und dritten Gruppenspiel enthüllen die Isländer etwa eine riesige Fahne, die sich über rund ein dutzend Reihen erstreckt.

So nah ans Geschehen wie als Volunteer kommt der normale Zuschauer nie. So bekomme ich die Möglichkeit, mit Weltmeister und Ex-Nationalspieler Dominik Klein und seiner Frau Isabell zu plaudern, darf Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul interviewen (alle drei sind EM-Botschafter für den Standort) oder sitze in den Zuschauerrängen unmittelbar neben den Dänischen Topstars Mikkel Hansen und Hans Lindberg.

Probleme mit der EHF führen zu Stimmungsumschwung

Doch an Tag drei der EM, vergangenen Samstag, gibt es plötzlich Stress. Als wir verfolgen wollen, wie die EM aus Sicht eines Spielers abläuft, kommt es zu Problemen. Neben dem Aufwärmen, dem Abklatschen mit den Fans oder Spielbildern war unser Plan, dass wir die Ankunft der Mannschaftsbusse filmen. Als wir noch auf die Delegation aus Portugal warten, spricht uns aus dem Nichts ein Mann der EHF an, was uns denn einfalle, hier zu filmen. Es stellt sich heraus, dass wir wohl keine Erlaubnis dafür hätten, irgendetwas in der Arena zu filmen, da die Rechte alle verkauft seien. Unzufriedenheit macht sich im Team breit. Eine lächerliche Aktion, wie ich finde, vor allem, weil es uns als Social Media Team damit die Hände bindet. Denn die Aussage: „Ihr dürft eigentlich gar nichts filmen“ bezieht sich nicht nur auf das Geschehen auf, sondern auch neben dem Platz. Nicht einmal die jubelnden Fans auf ihren Plätzen dürfen wir aufnehmen.

Während das alles hinter den Kulissen abläuft, fährt Achim sorgenfrei die Gäste von A nach B. Mit dem selbst ernannten „Schwabenexpress“ befördert er neben dem Präsidenten des Handballverbands Württemberg Hans Artschwager inklusive seiner Familie auch Dieter Klein und Michael Knorpp aus Steinheim beziehungsweise Oberstenfeld an die Halle. Die beiden bewachen als Zeitnehmer und Sekretär das Spielgeschehen. Die größten Probleme meines Vaters sind Schnee, Eis und rücksichtslose Münchner Autofahrer. Auf einer Tour bremst ihn ein anderer Verkehrsteilnehmer aus und er muss voll in die Eisen. Seine Fahrgästin kommentiert nur beeindruckt: „Gut reagiert, was ein Idiot.“

Die nächsten Termine als Helfer fest im Blick

Durch die EHF-Eskapaden passiert im Social-Media-Büro lange kaum etwas. Nur das Reposten von Beiträgen ist uns möglich, Aufnahmen aus der Halle sind Mangelware. Immerhin Zuschauer im Umlauf (dort wo sich die Essensstände befinden) dürfen wir aufnehmen und auch die drei Botschafter scheuen sich nicht vor der Kamera.

Erst am letzten Tag entscheidet sich das Team dazu, wieder etwas in die Offensive zu gehen und mehr Beiträge selbst zu veröffentlichen, Beschwerden der EHF bleiben aus. Selbst am letzten Spieltag der Vorrunde suchen wir das Gespräch und Videomaterial mit Zuschauern und fragen nach, wie sie das Turnier und die Stimmung in der Olympiahalle bis dahin fanden. Es gibt keine zwei Meinungen: „Grandios“, „Überragend“ oder „Einfach der Hammer“ erzählen uns die Fans.

Zwar ist die Handball-EM noch im Gange, nach sechs Tagen Action finden in München aber keine Spiele mehr statt. Doch die nächsten Volunteer-Termine stehen bereits im Kalender. Neben dem eingangs bereits erwähnten Final Four des DHB-Pokals der Frauen ist auch die Fußball WM der Männer im Sommer in Stuttgart eingeplant.

 
 
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