Ein neuer Teil der Sommerserie „Ferien daheim“ Was Ludwigsburg mit Aspirin, Botox und Viagra verbindet

Von Heidi Vogelhuber
Sabine Servinho-Lohmann zeigt an der Ecke Wilhelmstraße/Sternkreuzung, wo das Geburtshaus von Karl Pfizer, dem Gründer des gleichnamigen internationalen Pharmakonzerns, einst stand. Dieser kluge Kopf Ludwigsburgs erfand Viagra. ⇥ Foto: Martin Kalb

Nicht nur im Ausland sind Stadtführungen spannend. Die BZ begibt sich auf Erkundungstour durch die Heimat und entdeckt Ludwigsburg neu.

Kopfschmerzen nach einer durchzechten Nacht? Papier fürs stille Örtchen? Ein Mittel gegen die ungeliebten Falten im Gesicht und gleich noch eines, um die Flaute im Bett zu beenden? Für all das und mehr gab es in Ludwigsburg jeweils einen klugen Kopf, der eine zündende Idee hatte.

Im Urlaub wagt sich der größte Kulturbanause ins Museum und der faulste Tourist erkundet die Stadt per pedes oder im Zweifelsfall im Bus, um Neues und noch Unbekanntes zu erfahren. Warum macht man das eigentlich nicht einfach mal zu Hause? BZ-Redakteurin Heidi Vogelhuber zumindest weiß noch nicht alles über die Städte in ihrem unmittelbaren Umfeld und begibt sich daher auf Entdeckungstour durch die Heimat, um genau zu sein, durch Ludwigsburg. Das macht sie nicht allein, sondern hat sich professionelle Begleitung gesucht: Sabine Servinho-Lohmann.

Touren seit 25 Jahren

Seit 25 Jahren bietet die geübte Stadtführerin unterschiedlichste Touren durch die Barockstadt an, unter anderem in ihrer Paraderolle als Wilhelmine von Grävenitz, inklusive standesgemäßem Barock-Outfit. Dieses Mal jedoch soll es um „Kluge Köpfe aus Ludwigsburg: Von Tüftlern und Erfindern“ gehen. Anderthalb Stunden etwa führt Servinho-Lohmann ihre wissbegierige Gruppe quer durch Ludwigsburg, von einem historisch interessanten Ort zum nächsten. Stets mit einem flotten Spruch und einem Lächeln auf den Lippen, erzählt sie eine Anekdote nach der anderen und stellt sich den Fragen der Teilnehmer.

Treffpunkt ist vor dem MIK in der Eberhardstraße 1 und schon geht es los zum ersten Stopp: der Sternkreuzung. Dort nämlich stand, bevor es 1972 durch einen Neubau ersetzt wurde, das Geburtshaus von Karl Pfizer (1824 bis 1906), der in Ludwigsburg aufgewachsen ist und nach einer Apothekerlehre nach Amerika auswanderte, wo er sich zunächst mit Wurmpräparaten beschäftigte. Bekannt wurde der Ludwigsburger jedoch durch die Erfindung des Wirkstoffs Sildenafil, besser bekannt als Viagra. „In seiner Fabrik in Manhattan wurde übrigens Schwäbisch gschwätzt“, weiß die Stadtführerin, denn immer wieder kam Pfizer nach Ludwigsburg zurück und nahm kluge Köpfe mit in seine Fabrik.

Nächster Stopp ist der Arsenalplatz, dort hauste Hans Klenk (1906 bis 1983), der sich eine Ehrenbürgerschaft der Stadt mit einer ziemlichen Drecksarbeit verdiente. „Verlangen Sie doch nach einer Rolle Hakle (zusammengesetzt aus Hans Klenk), dann brauchen Sie nicht das unschöne Wort zu sagen“, sagte er wohl oftmals, als er in der Ludwigsburger Innenstadt sein Produkt bewarb: Lange, aufgerollte Bahnen von Krepppapier als „garantiert perforierte 444-Blatt-Rolle“, berichtet die Stadtführerin. Später dann 1000-Blatt. Ja, das Klopapier, das gerade in Zeiten von Corona eine wichtige Rolle einnahm, das wurde in der Barockstadt erfunden und ab 1928 in einer Fabrik an der Stuttgarter Straße produziert. Hakle ersetzte das Zeitungspapier, das zusammengeknüllt zum Abwischen des Allerwertesten verwendet wurde – was der eine oder andere Teilnehmer der Führung noch kannte. Am Marktplatz erzählt Servinho-Lohmann, dass Felix Hoffmann (1868 bis 1946), der in der Zentral-Apotheke seine Ausbildung absolvierte, erstmals Acetylsalicylsäure synthetisierte – seit 1900 in Tablettenform gepresst und als Aspirin vermarktet.

Aufputschmittel im Krieg

Ebenso erfand er für die Wehrmacht ein euphorisierendes Mittel für die Soldaten: Heroin. Einmal den Kopf gedreht, blicken die Zuhörer auf das „Calwer Amtshaus“ (Marktplatz 8), wo der Schriftsteller und Arzt Justinus Kerner (1786 bis 1862) geboren wurde. Kerner, nach dem übrigens die Rebsorte „Kerner“ aus Weinsberg benannt wurde, da er als Arzt täglich zwei Liter Wein empfahl, wie Servinho-Lohmann berichtet, entdeckte das sogenannte „Wurstgift“, Botulinumtoxin – heutzutage bekannt als Botox.

All die weiteren Anekdoten und Geschichten rund um berühmte Ludwigsburger würden diesen Bericht sprengen, aber soviel sei gesagt: Es lohnt sich die eigene Heimat besser kennenzulernen. Man läuft mit ganz anderen Augen durch die gewohnte Umgebung.

Info Die Anmeldung zu Führungen ist bei der Tourist Information im MIK, Eberhardstraße 1, Telefon (07141) 9 10 22 52, E-Mail: $(LEmailto:touristinfo@ludwigsburg.de:touristinfo@ludwigsburg.de)$ möglich.

www.ludwigsburg.de

 
 
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