Einschätzungen zum neuen Pflegekräftegesetz „Nur ein Mosaikstein unter vielen“

Von Uwe Roth
Das seit März geltende Gesetz, das die Einwanderung von Pflegekräften aus nicht EU-Staaten erleichtern soll, führt bei den Anbieten von Pflegedienstleistung zum "vorsichtigem Optimismus".⇥ Foto: BZ-Archiv

Seit März wird die Einwanderung von Pflegekräften aus nicht EU-Staaten erleichtert. „Vorsichtig optimistisch“, so bewerten die Anbieter von Pflegedienstleistungen die Auswirkungen des Gesetzes.

Die Bundesregierung hat die Einwanderung von Fachkräften aus nicht EU-Staaten erleichtert. Anbieter von Pflegedienstleistungen im Landkreis zeigen sich vorsichtig optimistisch, dass sich mit dem seit März geltenden Gesetz in ihrem Bereich der Fachkräftemangel entschärfen lässt.

Im Landratsamt Ludwigsburg wird das neue Gesetz laut einem Sprecher vorbehaltlos „begrüßt“. Rudi Schrödel, Geschäftsführer der Awo Ludwigsburg, sagt, für ihn sei „nicht einschätzbar“, ob sich tatsächlich mehr Pflegekräfte von außerhalb der Europäischen Union (EU) rekrutieren ließen. Für Schrödel ist das Gesetz „ein später Versuch, sich eines zu lange vernachlässigten Problems anzunehmen. Die Intention werte ich dennoch positiv.“

Arbeitnehmer aus den EU-Mitgliedstaaten haben ein weitgehend unbeschränktes Arbeitsrecht. Andere ausländische Kräfte benötigen hingegen eine Arbeitserlaubnis und Anerkennung ihres Ausbildungsabschlusses sowie einen Nachweis ihrer Sprachenkenntnisse. Alles zusammen war bisher schwer oder gar nicht zu bekommen. Da der europäische Arbeitsmarkt abgeschöpft ist, hoffen Pflegeeinrichtungen, mit erleichterten Einreisebedingungen Fachkräfte insbesondere aus dem asiatischen und lateinamerikanischen Raum nach Deutschland zu bringen.

Der Awo-Geschäftsführer beklagt jedoch, dass sich die Bundesländer gegenüber der Bundesregierung durchgesetzt hätten und weiterhin das Anerkennungsverfahren eigenständig regelten: Bürokratische Hürden der Anerkennung ausländischer Abschlüsse durch Behörden wie das Regierungspräsidium Stuttgart seien zu hoch. „Verfahren dauern sehr, sehr lange. In der Regel nicht unter neun Monate nach unseren Erfahrungen“, so Schrödel. „Doppelt bitter ist es, wenn der gleiche Personenkreis der Bewerber in Hessen eine Anerkennung erhält, aber in Baden-Württemberg nicht.“

Die Evangelische Heimstiftung, die im Landkreis einige Einrichtungen hat, erwartet kaum Veränderungen. „Große Neuerungen im Gesetz betreffen die Pflege nicht“, teilt eine Sprecherin in Stuttgart mit. Sie hofft als positive Auswirkung eine Verkürzung der Anerkennungsverfahren auf „maximal drei Monate“. Sprachliche Hürden seien zu bewältigen, sagt sie. In ihrem Unternehmen funktioniere es deswegen, „weil wir als großer Träger eine Referentin haben, die sich um solche Belange zentral kümmert“. Bei kleineren Trägern dürfte es aus ihrer Sicht schwieriger sein. Denn die Prozesse und Vorgänge seien sehr komplex und die Bearbeitung nehme viel Zeit in Anspruch.

Der Bedarf an Pflegekräften dürfte in den kommenden Jahren im Landkreis weiter steigen: Laut einer Mitteilung der AOK haben sich „die Anzahl und der Anteil der Pflegebedürftigen sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich erhöht.“ 2018 erhielten demnach 6400 weibliche und 3800 männliche AOK-Versicherte im Landkreis Pflegeleistungen. Das waren 5,7 Prozent aller AOK-Versicherte. 2014 bezogen noch 8700 oder 4,8 Prozent der Versicherten Pflegeleistungen. Gründe lägen in der demografischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung in der Bevölkerung. Ab 85 Jahren erhielten zwei von drei Versicherten Pflegeleistungen.

Eine AOK-Sprecherin in Ludwigsburg kommentiert, dass das neue Gesetz „nur ein Mosaikstein unter vielen sein kann, um die Herausforderungen in der Pflege auch im Landkreis Ludwigsburg zu lösen“. So bräuchten die Anbieter „mehr Flexibilität, eine qualitativ hochwertige Pflege zu organisieren, die auf die Rahmenbedingungen vor Ort zugeschnitten ist.“

Bei der Awo in Ludwigsburg herrscht jedoch keine Krisenstimmung: „Unsere aktuelle personelle Situation ist nach wie vor gut“, so der Geschäftsführer. Der Fachkräfteanteil bewege sich konstant um die 60 Prozent. „Wir benötigen und beschäftigen grundsätzlich keine Leiharbeitnehmer.“ Leiharbeit in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern sollte aus seiner Sicht untersagt werden. In den Awo-Einrichtungen kommen die ausländischen Mitarbeiter „nahezu aus Südosteuropa“. Bei den Fachkräften beträgt der Anteil nach Angaben von Schrödel bei zehn Prozent und Hilfskräften bei 40 Prozent. Der Anteil aus Nicht-EU-Ländern liegt noch unter drei Prozent.

 
 
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