Erligheimer Mühle 127 Jahren in Familienbesitz: Mühlentradition endet

Von Jürgen Kunz
Harald und Heinz Stengel in ihrer Erligheimer Mühle, die seit 1896 in Familienbesitz ist. Am 30. Juni muss der 57-Jährige aus gesundheitlichen Gründen den Betrieb aufgeben. Foto: /Werner Kuhnle

Der 57-jährige Müller Harald Stengel muss nach vier Generationen aus gesundheitlichen Gründen den Mühlenbetrieb zum 30. Juni aufgeben.

Es ist einfach körperlich zu anstrengend“, sagt Harald Stengel. Der 57-jährige Müllermeister und Ernährungswissenschaftler hat trotz einer schweren Erkrankung mehr als ein Jahrzehnt den Betrieb der Erligheimer Mühle aufrecht erhalten, jetzt ist es ihm einfach nicht mehr möglich. Sein 89-jährigen Vater Heinz hat in den letzten Jahren wieder das Mahlen übernommen, rund ein Dutzend von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben in dieser Zeit den Verkauf im Mühlenladen und auf den Wochenmärkten, die Liefertouren sowie den Vertrieb in rund 30 Supermärkten in der Region gestemmt. „Der Einsatz der Mitarbeiter war überdurchschnittlich, ohne deren Engagement hätte die Mühle schon vor längerer Zeit schließen müssen“, sagt Harald Stengel. Man merkt Vater und Sohn die Wehmut darüber an, dass nun am 30. Juni eine 127-jährige Familientradition enden muss.

Große Produktvielfalt

Die Produktpalette der Stengel-Mühle an Weizen-, Dinkel-, Emmer- und Roggenmehle, an Grieß und Dunst, Brotbackmischungen, unterschiedlichen Bio-Müsli- und Flocken sowie Bio-Spezialmehle, -Speisegetreide, – Hülsenfrüchte sowie -Saaten ist groß und wird seit vielen Jahrzehnten von den Kunden geschätzt. „Wir sind von den Verarbeitungsmengen eine Kleinmühle und haben uns bewusst spezialisiert als Müller für den Endverbraucher“, sagt Harald Stengel. Bis Ende des Monats werden die Produkte noch verkauft.

1522 wurde erstmals die Erligheimer Mühle urkundlich erwähnt und sie ist damit der älteste Gewerbebetrieb in Erligheim. 1996 hat Hermann Bader, der Urgroßvater von Harald Stengel, die Erligheimer Mühle gekauft. Müller Max Stengel, der bereits 1934 die Mühle von Wasserkraft auf Elektrizität modernisierte, fiel im zweiten Weltkrieg. Seine Ehefrau Hedwig führte die Mülle alleine weiter. Die Mahlwerke wurden 1954 und 1963 erneuert. Sohn Heinz übernahm 1964 den Betrieb von seiner Mutter. Heinz Stengel, Müllermeister in dritter Generation, hat die Mühle 1998 an seinen damals 28-jährigen Sohn Harald übergeben. In der Hochzeit der Erligheimer Mühle haben Heinz und Harald Stengel das Getreide von mehr als 50 Bauern gekauft und auf eigene Rechnung weiterverarbeitet und vertrieben. „Jetzt am Ende waren es noch fünf Bauern“, erklärt Harald Stengel .

Keinen Nachfolger gefunden

„Die Chance, dass das Gebäude irgendwann noch einmal als Mühle genützt wird, besteht nicht“, sagt Harald Stengel, der lange vergeblich einen Nachfolger gesucht hat. Das Interesse an einer spezialisierten Kleinmühle, wie die Stengel-Mühle, sei einfach zu gering, auch weil man mit den großen Getreidemühlen nicht mithalten könne. Hinzukomme, dass in Deutschland ausgebildete Müller international gefragt sind: „Müller mit einer guten Ausbildung können auf der ganzen Welt arbeiten“, betont Harald Stengel, zumal es viele Länder gebe, in denen es keine Ausbildung zum Müller gibt.

„Das Mühlengebäude soll einfach eine neue Funktion bekommen“, hofft der 57-Jährige. Es gebe auch schon Überlegungen: „vielleicht etwas mit Kultur“.

 
 
- Anzeige -