Erstmals hat ein Pflegeheim im Landkreis Ludwigsburg Ansteckungen gemeldet Corona in Sersheimer Pflegeheim

Von Frank Ruppert
Im Pflegeheim „am Schlösslesbrunnen“ in Sersheim gibt es mehrere Corona-Fälle.⇥ Foto: Oliver Bürkle

Erstmals hat ein Pflegeheim im Landkreis Ludwigsburg mehrere Ansteckungen mit Corona gemeldet. Abgesehen von Einzelfällen blieben die Heime bislang meist verschont.

Senioren gelten als besonders gefährdet, schwer an Covid-19 zu erkranken. Deswegen stehen Pflegeheime derzeit besonders im Fokus. Bundesweit haben Heime in Wolfsburg und Würzburg mit einer Reihe an Erkrankten für Aufsehen gesorgt. Am Donnerstag meldete das Pflegeheim „Am Schlösslesbrunnen“ in Sersheim, das zur Evangelischen Heimstiftung gehört, dass man aktuell drei Corona-Fälle habe. Zwei Bewohner und eine Mitarbeiterin seien positiv getestet worden. Die notwendigen Maßnahmen wurden seitens der Heimleitung mit dem Landratsamt Ludwigsburg, Bereich Gesundheitsamt, besprochen und vor Ort umgesetzt. „Leider ist zwischenzeitlich ein Heimbewohner im Klinikum verstorben“, so die Mitteilung weiter.

Neun Bewohner mit Symptomen wurden getestet

Aktuell haben neun weitere Bewohner und vier Mitarbeiter dort seit Mittwoch typische Symptome, die eventuell auch auf das Virus hinweisen. Sie wurden am Donnerstag getestet. Das Ergebnis soll in den nächsten Tagen vorliegen. „Wir wissen nun, dass auch ein zweiter Mitarbeiter infiziert ist“, erklärte Michaela Sowoidnich, Regionaldirektorin der Evangelischen Heimstiftung, am Donnerstagnachmittag auf BZ-Anfrage. Man sei in den Pflegeheimen schon seit Wochen vorbereitet. „Wir wussten aber, dass das Virus nicht vor der Pflegeheimtür Halt macht“, so Sowoidnich. Man arbeite ohnehin mit Schutzkleidung und habe erst kürzlich vom Land eine Lieferung erhalten, allerdings nur kleine Mengen. Eine hauseigene Beschaffungsgesellschaft bei der Pflegestiftung kümmere sich um Nachschub. „Es gibt allerdings sehr viele dubiose Angebote. Generell ist der Markt gerade einfach leer gefegt“, erklärt die Regionaldirektorin.

In Sersheim wurden alle Patienten nun unter Quarantäne in ihren Einzelzimmern gestellt. Die infizierten Heimbewohner werden dabei von anderen Pflegern betreut, als die gesunden. Schon seit Wochen desinfiziere und reinige man mehr als sonst. Die Hausleitung in Sersheim habe alle Angehörigen der Bewohner informiert und laut Sowoidnich habe man dabei nur positive Rückmeldungen erhalten. Es sei wichtig, dass die Pfleger in diesen Zeiten auch positive Stimmen hören. Nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt würden aber auch in Sersheim jetzt nur diejenigen Bewohner und Mitarbeiter getestet, die Symptome zeigten. Die positiv getestete Bewohnerin könne ebenfalls derzeit im Heim bleiben. Der verstorbene Bewohner sei eigentlich wegen eines Sturzes ins Krankenhaus gekommen und dort getestet worden.

Keine bestätigten Fälle in Awo-Heimen im Kreis

Christian Ruppert, Geschäftsführer des Awo-Bezirksverbands Württemberg, der 13 Pflegeheime mit 1000 Bewohnern und 250 Bewohner im Betreuten Wohnen betreibt, spricht von arbeitsreichen vergangenen Wochen. Die Awo betreibt unter anderem in Kirchheim und Kornwestheim Pflegeheime. Nicht nur dort herrsche derzeit Ausnahmezustand. Niemand, bis auf Handwerker, die dringende Arbeiten ausführen müssen, dürfen rein. Die angeordnete Besuchseinschränkung haben zu Beginn vor allem die Angehörigen hart getroffen, erzählt der Geschäftsführer. Einige hätten erbost an die Scheiben geklopft, weil sie nicht verstehen wollten, dass sie nicht hineindürfen. Das habe sich mittlerweile aber beruhigt. Besonders hart sei das Besuchsverbot vor allem für Angehörige von Bewohnern, die im Sterben liegen.

Da auch das Betreuungsangebot in den Gruppen heruntergefahren sei, komme es nun zu mehr Einzelbetreuung. Außerdem gebe es eine erfolgreiche Facebook-Aktion der Awo, in der Kinder aufgerufen werden, Karten und selbstgemalte Bilder zu schicken. Diese werden dann in den Heimen gezeigt.

„Wir hatten zum Glück noch keinen bestätigten Corona-Fall“, sagt Ruppert. Es gebe aber eine Reihe von Problemen, die den Geschäftsführer in den vergangenen Wochen fast rund um die Uhr zum Arbeiten zwangen. Da wäre zum einen die Schutzkleidung: Laut Robert-Koch-Institut sollen alle Mitarbeiter in Pflegeheimen Schutzkleidung tragen. „Das Sozialministerium gibt das nicht vor, aber wir halten uns an das RKI“, sagt Ruppert. Die Verteilung der Schutzkleidung durch Bund, Land und Landkreise sei katastrophal. Man wisse nicht wann, von wem und wie man Kleidung bekomme. „Deshalb haben wir das selbst organisiert“, erklärt Ruppert. In der vergangenen Woche habe er dafür Aufträge im Wert von 1,2 Millionen Euro erteilt und nächste Woche würden die derzeit benötigten FFP-2-Masken geliefert. Nur wegen der Eigeninitiative sei man in dem Bereich gut aufgestellt.

Quarantäne-Stationen sind nicht überall möglich

Seit Anfang der Woche seien die Pflegeheime dazu aufgerufen Quarantäne-Stationen einzurichten für Bewohner, die sich infiziert haben. „Wir treffen dazu in allen unseren Heimen Vorkehrungen“, so Ruppert. In Kornwestheim habe man dafür etwa einen großen Saal, in Kirchheim habe man allerdings weniger Platz. Sollten sich dort Bewohner anstecken, müssten sie nach Korwestheim oder Leingarten gebracht werden.

Ärger macht ihm auch eine andere Regelung: Das Sozialministerium habe erst eine Ausgangssperre für Pflegeheime verhängt, diese aber wegen rechtlicher Bedenken wieder aufgehoben. Derzeit sei es so, dass alle Bewohner, die rausgehen, bei der Rückkehr zwei Wochen in einem Einzelzimmer in Quarantäne gebracht werden müssen. Diese Aussicht halte viele davon ab, rauszugehen. In diesem Zusammenhang steht auch die Rückkehr von Patienten aus dem Krankenhaus. Auch diese müssen vorsorglich in Quarantäne gebracht werden. Die Kliniken hätten dafür derzeit keine Kapazitäten das selbst zu machen.

Stefan Ebert, Geschäftsführer der Kleeblatt-gGmbH, die 26 Pflegeheime betreibt, ist froh darüber, dass es dort bislang noch keinen Corona-Fall gebe. Auch bei den Kleeblatt-Heimen arbeite man seit Wochen nur noch mit Schutzausrüstung. „Wir haben täglich Krisensitzungen und auch ein Krisenteam“, erklärt Ebert. Dieses Team werde dort eingesetzt, wo es zu Corona-Fällen in Heimen komme. Die speziell geschulten Pflegekräfte kümmern sich dann um die Infizierten und die Pflegekräfte vor Ort weiter um die Gesunden.

Die Einrichtung von richtigen Quarantäne-Stationen sei bei den Kleeblatt-Heimen häufig räumlich gar nicht möglich. „Wir betreiben ohnehin Klein- und Kleinstpflegeheime“, sagt Ebert. Auch bei ihnen sei die Schutzkleidung Mangelware. „Es ist eine neue Situation für alle. Ich glaube, dass das Gesundheitsamt aber alles tut, was es kann“, nimmt der Geschäftsführer staatliche Stellen in Schutz. Wie Michaela Sowoidich und Christian Ruppert betont auch Stefan Ebert, welch tolle Arbeit die Pflegekräfte leisteten, vor allem unter den derzeit erschwerten Bedingungen.

 
 
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