Familie aus Sachsenheim Leben am Limit

Von John Patrick Mikisch
Michaela, Salomé, Amy und Jonas Viehoever (von links). Foto: /Martin Kalb

Für ihre Tochter Amy geben Jonas und Michaela Viehöfer aus Sachsenheim-Ochsenbach fast alles: Amy ist schwerbehindert und braucht rund um die Uhr Hilfe. Jetzt benötigt die Familie Unterstützung. 

Manche Menschen haben in der Lotterie des Lebens vom Start weg das große Los gezogen und kommen mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund auf die Welt. Amy hat eine Magensonde. Sie kann nicht sehen, sprechen und laufen, erleidet immer wieder epileptische Anfälle und ist in jedem Lebensbereich auf permanente Unterstützung angewiesen.

„Ihr vielleicht größtes Glück“, so Amys Vater Jonas Viehöfer, „ist vielleicht, dass sie in unsere Familie geboren wurde.“ Denn Amys Mutter Michaela ist Heilerziehungspädagogin und -pflegerin. „Sie hat früher schon in der Pflege gearbeitet“, erzählt Jonas Viehöfer, der selbst Erzieher ist und lange bei der Jugendhilfe in Vaihingen tätig war.

Amy braucht 24/7 Hilfe

Seinen Job hat er vor vier Jahren aufgegeben, um sich um Amy zu kümmern. „Auch um meiner Frau die Rückkehr in ihren Beruf zu ermöglichen“, erzählt der 41-Jährige. Zwar unterstützen ihn eine Tageskraft und ein Pflegedienst bei Amys Pflege. Die ist aber auch so ein Vollzeitjob, denn die inzwischen Siebenjährige benötigt rund um die Uhr Hilfe – und Aufsicht. „Wenn sie tagsüber länger als eine halbe Stunde schläft, kann ihr Körper das CO2 nicht ausatmen.“ Aufgetreten sei das erstmals bei einem Reha-Aufenthalt Amys, erzählt Viehöfer. Zum Glück, denn eine Kohlendioxidvergiftung kann tödlich ausgehen.

Allein schon deswegen benötigt Amy tagsüber jemanden, der über sie wacht und verhindert, dass sie zu lange schläft. Nachts tritt das Phänomen übrigens nicht auf. „Warum das so ist, lässt sich medizinisch bislang nicht erklären“, sagt Viehöfer.

Auch sonst ist Amy in gewisser Hinsicht ein medizinisches Rätsel. Amy ist ein Wunschkind, die zweite Tochter von inzwischen drei Töchtern. Ihre ältere Schwester Maja ist mittlerweile 19, die jüngere Schwester Salomé vier Jahre alt.

Eine OP soll Abhilfe schaffen

Schon die Schwangerschaft mit Amy sei schwierig gewesen, so der 41-jährige Vater. Nach der Geburt diagnostizieren die Ärzte eine Tracheomalazie, eine Erkrankung der Luftröhre, die das Ein- und Ausatmen erschwert und auch tödlich enden kann. Das soll sich mit der Zeit auswachsen, so die Prognose.

Doch Amy entwickelt sich nicht wie andere Säuglinge. Sie nimmt keinen Blickkontakt auf, reagiert nicht auf Geräusche, greift nicht nach Spielzeug. Ein MRT ihres Gehirns ist verwackelt und lässt keinen Aufschluss zu. Eine weitere Untersuchung ergibt, dass ihr Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt ist. Amy bekommt ein Sauerstoffgerät, die Tracheomalazie wird operiert. Jetzt soll alles besser werden, sagen die Ärzte.

Doch während eines Urlaubs bekommt Amy epileptische Anfälle. Ein MRT in einer Kinderklinik gelingt diesmal. Es zeigt massive Fehlbildungen ihres Gehirns: Nerven sind nicht verknüpft, das Sehzentrum funktioniert nicht. Sie kann ihre Beine und Arme nicht selbst bewegen, kann nicht selbstständig greifen und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Ärzte geben Amy nicht lange.

Sechsmal fast gestorben

Tatsächlich sei sie bereits sechsmal fast gestorben, sagt Jonas Viehöfer. Prognosen gäben die Ärzte schon lange nicht mehr. „Kinder mit ihrem Befund haben eine Lebenserwartung von 18 Jahren“, sagt Viehöfer. „Wir hoffen, dass es etwas länger wird.“ Dafür tut die Familie auch neben den zahlreichen Aufenthalten in Krankenhäusern und Kinderhospizen viel.

Es gibt zahlreiche Termine für Reha, Physiotherapie und Logopädie. Außerdem geht Amy in die zweite Klasse der August-Hermann-Werner-Schule in Markgröningen. Das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum mit Internat hat seinen Förderschwerpunkt auf körperliche und motorische Entwicklung gelegt.

Zu all diesen Terminen muss Amy gefahren werden. Das gilt auch für die meisten Freizeitaktivitäten. „Natürlich nimmt Amy daran teil“, sagt Jonas Viehöfer. „Wir sind viel und gerne draußen, machen Ausflüge und besuchen Freunde“, erzählt er. Für die jüngere Tochter Salomé sei Amy einfach eine Spielkameradin. „Amy kann zwar nicht sprechen, aber sie gurrt, um sich verständlich zu machen.“ Zum Beispiel beim Autofahren: „Das liebt sie, wahrscheinlich auch wegen der Vibrationen beim Fahren.“

Das Auto ist auch sonst wichtig für die Familie. Ohne sind all die Termine nicht möglich. Alleine schon wegen Amys Rollstuhl und der medizinischen Geräte, die immer in Reichweite sein müssen, Sauerstoff etwa und der sogenannte Cough-Assistent, der notfalls dabei hilft, Sekret aus der Lunge abzuhusten.

Ein neuer Bus muss her

Das Problem: Der dafür umgebaute Bus der Viehöfers, ein ehemaliger Ford Transit des DRK, ist inzwischen ein Fall für die Intensivstation; es muss dringend ein Ersatz her. Selbst bei einem Gebrauchtfahrzeug rechnen die Viehöfers mit Anschaffungs- und Umbaukosten von 50.000 Euro.

Geld, das sie derzeit nicht übrig haben, denn sie bauen ihr altes Bauernhaus in Ochsenbach gerade behindertengerecht um. Unter anderem soll es einen Aufzug bekommen. „Ich kann Amy nicht mehr in zwei Stockwerke hoch tragen“, sagt ihr Jonas Viehöfer, der deswegen gerade einen Bandscheibenvorfall kuriert.

Um die Summe zusammenzubekommen, hat die Familie daher einen Spendenaufruf auf der Online-Plattform Betterplace gestartet. Bislang sind knapp 7000 Euro eingegangen. „Wir haben auch das Landratsamt um Hilfe gebeten, aber noch keine Antwort“, sagt Jonas Viehöfer. Der alte Bus pfeift derweil aus dem letzten Loch: Klimaanlage und Kühlungspumpe seien ausgefallen, so der 41-Jährige. Der neue Bus könne auch ein Gebrauchtwagen sein. Einzige Voraussetzung „Er muss zehn Jahre halten.“ Dann wäre Amy etwa 18 Jahre alt. Das ist die Zeit, die ihr bleibt.

 
 
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