Familienbericht in Bietigheim-Bissingen Häusliche Gewalt: Zahlen steigen

Von Uwe Mollenkopf
Die Fälle häuslicher Gewalt in Bietigheim-Bissingen sind laut dem Bericht des Familienbüros im vergangenen Jahr gestiegen. Foto: dpa

Im Verwaltungs- und Finanzausschuss stellte Petra Kümmerlin den Bericht des Familienbüros vor. Neben den Vorjahreszahlen ging es auch um die Corona-Folgen.

Vielfach sind seit Beginn der Corona-Pandemie Befürchtungen laut geworden, dass durch die Einschränkungen, welche dazu führen, dass die Menschen viel mehr in den eigenen vier Wänden sind, die häusliche Gewalt steigen könnte. Petra Kümmerlin, die Leiterin des Famlienbüros der Stadt Bietigheim-Bissingen, konnte das bei der Vorstellung des Jahresberichts der Einrichtung am Dienstag im Ausschuss für Verwaltung und Finanzen teilweise bestätigen. Allerdings sind die absoluten Zahlen nach wie vor niedrig und die Bewertung schwierig.

Das Familienbüro ist durch seine Zusammenarbeit mit der Polizei in das Thema häusliche Gewalt involviert. Es bietet Beratungen an und sorgt in Einzelfällen auch für eine Unterbringung der Täter in einer städtischen Unterkunft. Bei der Vorstellung des Jahresberichts ging Kümmerlin auch auf die aktuelle Entwicklung während der Corona-Krise ein. Demnach sind die Zahlen zur häuslichen Gewalt stark gestiegen.

Vor allem der Monat März, in dem die durch das Coronavirus bedingten Auflagen einsetzten, ist dabei auffallend. Wie Anette Hochmuth, die Sprecherin der Stadt, auf BZ-Anfrage mitteilte, wurden in diesem Monat im Familienbüro sechs Fälle häuslicher Gewalt registriert. Im Vergleich zum März 2019 (zwei Vorfälle) ist das dreimal so viel.

Die Zahlen sind jedoch nicht eindeutig. So wurden im April vier Vorfälle registriert, das ist sogar einer weniger als im April 2019. Im Mai 2020 wurden bislang ebenfalls vier Vorkommnisse gezählt, im Mai 2019 waren es fünf. Das kann sich bis zum Monatsende zwar noch ändern, bislang lässt sich außer im März aber keine Zunahme häuslicher Gewalt  während der Corona-Auflagen erkennen.

Nur wenige Fälle pro Monat

Matthias Volk, der Leiter des Ordnungs- und Sozialamts, wies in der Sitzung zudem darauf hin, dass die Zahlen absolut gesehen nicht sehr hoch seien. Pro Monat seien es nur wenige Fälle, so der Amtsleiter, sodass man schon bei ein paar Vorkommnissen mehr gleich beim doppelten Wert sei.

CDU-Stadtrat und Realschulleiter Claus Stöckle wandte zudem ein, dass derzeit auch keine Meldungen über häusliche Gewalt bei den Schulen eingingen. Das könne möglicherweise die Erklärung sein, dass nun vermehrt das Familienbüro Ansprechpartner sei.

Betrachtet man das Jahr 2019, so geht aus dem Bericht des Familienbüros hervor, dass es insgesamt 56 Vorkommnisse gab, bei denen in 23 Fällen ein Platzverweis durch die Polizei ausgesprochen wurde und in 39 Fällen Beratungen stattfanden. 26-mal wurde Strafanzeige gestellt.

Im Vergleich zum Jahr 2018 ist dies eine deutliche Steigerung. Damals lagen die Fallzahlen bei der häuslichen Gewalt noch bei 44 – was einem Anstieg um 21 Prozent im Jahr 2019 entspricht. Über einen längeren Zeitraum hinweg lässt sich indes kein klarer Trend ausmachen: So gab es im Jahr 2017 53 Fälle und im Jahr 2016 waren es 56 – und damit genauso viele wie 2019.

Alkohol und Finanzprobleme

Als Auslöser für Gewalt im häuslichen Bereich stehen nach Aussage von Petra Kümmerlin nach wie vor Alkoholkonsum und Streitigkeiten über finanzielle Angelegenheiten ganz oben. Häufig gehe das auch mit zunehmend beengten Wohnverhältnissen einher. „Vielfach sind die Paare eigentlich getrennt und doch gezwungen, weiterhin in einer Wohnung zu leben, da entweder niemand ausziehen will oder keine alternative Wohnung gefunden wird“, berichtete sie. Diese Fälle häuften sich.

Die Erscheinungsformen häuslicher Gewalt seien unterschiedlich. Kümmerlin: „Wir haben es in der Regel mit Bedrohungen und Körperverletzungen zu tun. Selten mit Stalking, Nötigung, Erpressung, Sexualdelikten oder Freiheitsberaubungen.“ Die Beteiligten kämen aus allen sozialen Schichten, zum Großteil jedoch aus einfachen sozialen Verhältnissen, bei denen Existenzängste im Alltag einen hohen Stellenwert hätten.

In den Beratungen, die das Familienbüro leiste, gehe es zum einen um die Beruhigung der aktuellen Konfliktsituation und zum anderen um weitergehende Maßnahmen für die Klienten. Fast immer werde eine Aussprache mit dem Partner angestrebt. „Weitergehende Beratungen oder Maßnahmen zur Hilfestellung müssen immer wieder auch mit Überzeugungsarbeit durchgesetzt werden“, so der Bericht des städtischen Familienbüros.

 
 
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