Fasnet Zigeunerinnen an die Macht

Von Michaela Glemser
Beim Quiz rief der Bürgermeister einen Joker an. Foto: Martin Kalb

Närrische Häfnerhaslacherinnen übernehmen am schmotzigen Donnerstag von Bürgermeister Holger Albrich die Regentschaft.

Seit dem Schmotzigen Donnerstag haben die Zigeunerinnen in Häfnerhaslach wieder die Schlüsselgewalt über die Verwaltungsstelle im Ortszentrum. Bürgermeister Holger Albrich und Ortsvorsteher Valentin Stuber schlugen sich wacker bei ihren Premieren des beliebten Rathaussturms, mussten sich schließlich aber doch dem Narrengericht der lustigen Weiber in ihren langen, kunterbunten Röcken beugen.

Schlachtruf: „Spatza flieget“

Schon zum 28. Mal zogen die als Zigeunerinnen verkleideten Gymnastikfrauen des TSV Häfnerhaslach mit ihrem Schlachtruf „Spatza flieget“ durch die Straßen und Gassen der Kirbachtalgemeinde und verkauften aus ihren reichlich geschmückten Bollerwägen kleine Primeln, leckere Berliner und Plüschschweinchen als Glücksbringer. „Wir haben jetzt ein paar Jahre Pause mit dem Rathaussturm gemacht. In diesem Jahr war es aber wieder sehr schön. Sogar junge Verstärkung aus dem Zabergäu haben wir inzwischen erhalten. Schön wäre es, wenn auch die jungen Häfnerhaslacherinnen uns Zigeunerinnen in Zukunft unterstützen würden“, betonte Ursula Lorch.

Ihre Vereinskollegin Barbara Gerlacher war es, welche die Tradition des Schmotzigen Donnerstags und des damit verbundenen Rathaussturms vor über zwei Jahrzehnten aus ihrem einstigen Heimatort Bärenthal bei Tuttlingen mit ins Kirbachtal brachte. Auch Sachsenheims neuer Bürgermeister Holger Albrich musste sich erst einmal über die närrischen Frauen und ihre Späße informieren.

Rathaussturm wieder belebt

Er lud die Zigeunerinnen deshalb im vergangenen Herbst zu einer netten Kaffeerunde in sein Büro ein. Dabei wurde die Idee endgültig geboren, den Häfnerhaslacher Rathaussturm im Jahr 2020 wiederzubeleben.

Zu Beginn ihres Narrengerichts hielt Barbara Gerlacher eine Ausgabe der Sachsenheimer Zeitung vom 20. Februar 2120 in die Höhe und las daraus unter dem Applaus der zahlreichen Besucher folgende Schlagzeile vor: „Heute genau vor 100 Jahren stürmten die attraktiven und bestens gelaunten Häfnerhaslacher Zigeunerinnen wieder das Rathaus“.

Motto: „Häfnerhaslach first“

Unter dem Motto „Häfnerhaslach first“ bedachten die Zigeunerinnen Schultes Albrich und den „jüngsten Ortsvorsteher aller Zeiten“ Stuber zunächst mit Küsschen, bevor sie ihnen eine lange Mängelliste vortrugen, die ihrer Meinung nach möglichst bald verbessert werden müsse. „Die Steine auf dem Radweg nach Häfnerhaslach sind noch größer geworden. Mit welchem Rad sollen wir da fahren? Bis zur nächsten Radsaison, und die kommt schon bald, muss sich etwas tun“, forderte Gerlacher vom entmachteten Sachsenheimer Rathauschef, der mit seiner Familie nach Häfnerhaslach gekommen war.

Sobald das Wasserschloss endlich renoviert sei, müsse auch die Häfnerhalle auf Vordermann gebracht werden, denn es sei kein Dauerzustand, dass seit 15 Jahren ein Verein die Halle betreibe, empörte sich Gerlacher. Auch das Jagdhäusle wurde als „verlorenes Kulturgut“ angeprangert. Aber ebenso Lob erfuhr Albrich, den Gerlacher mit seinem fließenden Französisch als den „heimlichen Star“ der Bürgerfahrt nach Valréas im Jahr 2019 bezeichnete.

Der Sachsenheimer Bürgermeister hatte sich zuvor schon bei einem Quiz der Zigeunerinnen tapfer geschlagen und bei acht von zwölf richtig beantworteten Fragen seine Häfnerhaslacher Ortskenntnis unter Beweis gestellt. „Erst zwei Monate sind in diesem Jahr vergangen und schon werde ich von euch heute gefangen. Als Urzel bin ich an Fasching gewöhnt, beleidigt sein ist einfach verpönt“, reimte Albrich versöhnlich und holte aber schon bald zum Gegenschlag aus. „Das Jagdhäusle: Kein Mensch braucht das Ding! Es steht meistens leer, und Geld haben wir dafür nimmer mehr!“, stellte Albrich fest und intonierte den Hit „Wer soll das bezahlen?“. Schließlich rückte er aber doch gemeinsam mit Ortsvorsteher Stuber den Schlüssel der Verwaltungsstelle in Form eines großen Hefezopfes heraus und läutete das Glöckle auf dem Dach als Signal für die neue Regentschaft der Zigeunerinnen.

Diese waren mit ihrem Schultes mehr als zufrieden und boten Albrich, der nach eigenen Aussagen immer noch auf Wohnungssuche in der Stadt sei, sogar an nach Häfnerhaslach zu ziehen. „Bei uns gibt es schließlich Objekte jeder Art“, machten die Zigeunerinnen unter dem johlenden Gelächter der Zuschauer deutlich, die zu Akkordeonmusik vor der Verwaltungsstelle schunkelten und die Sektkorken knallen ließen.

 
 
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