Filmakademie Ludwigsburg „Ich will nicht der Herr Direktor sein“

Von Gabriele Szczegulski
Andreas Bareiß ist der neue Leiter der Filmakademie Ludwigsburg. Foto: /Martin Kalb

Dr. Andreas Bareiß hat die Geschäftsführung und künstlerische Leitung der Filmakademie mit viel Enthusiasmus übernommen. Sein Ziel: Die Hochschule mit Europa zu vernetzen.

Zum Interviewtermin muss sich der neue Leiter der Filmakademie Ludwigsburg, Dr. Andreas Bareiß, zuerst vom bisherigen, Thomas Schadt, verabschieden. Sie treffen sich regelmäßig zum Gespräch, „er führt mich in die Geschichte und die Arbeit der Filmakademie ein, ich kann ganz offen alles mit ihm diskutieren, dafür bin ich sehr dankbar“, so Bareiß.

Herr Bareiß, was hat den Reiz für Sie ausgemacht, die Leitung der Filmakademie zu übernehmen?

Dr. Andreas Bareiß: Ganz ehrlich, ich hätte für keinen anderen Job der Welt die Leitung des Berliner Büros der Gaumont-Filmproduktion aufgegeben. Aber als der Anruf kam, sagte ich: Wenn sie mich haben wollen, komme ich. Ich durfte ja selbst 2007/2008 in Ludwigsburg in der deutsch-französischen Masterclass, dem Atelier Ludwigsburg–Paris, studieren, kenne das Ludwigsburger Konzept der Filmakademie, wie ich es nenne, ganz genau und finde es sehr gut. Seit Jahren bin ich hier auch Dozent. Mit den jungen Menschen die Zukunft der Branche zu gestalten, ist eine Freude.

Die Hochschule hat einen sehr guten Namen. Das Ludwigsburger Konzept mit Dozenten, die aus der Praxis kommen, hat sich mehr als bewährt. In Ludwigsburg entstehen Verbindungen, die das ganze Leben halten, weil man im kleinen Ludwigsburg so eng zusammenlebt und -arbeitet, dass man beinahe einen Lagerkoller bekommt. Aber das schweißt auch zusammen. Das ist das Geheimrezept des Erfolgs der Filmakademie. Diese Vernetzung von Studierenden, Ehemaligen und Dozierenden macht das Studium sehr nachhaltig und die Filmakademie in der Branche einflussreich. Viele bedeutende Filmemacher kommen aus der Filmakademie. Mascha Schilinski gewann den Preis der Jury beim Filmfestival in Cannes, die Autorin ihres Films „In die Sonne schauen“ hat in Ludwigsburg studiert und viele aus der Crew. Der Ludwigsburger Jochen Laube hat mit seiner Produktionsfirma Sommerhaus und der Serie „Die Kaiserin“ einen Netflix-Hit gelandet. Die dritte Staffel wurde schon von Netflix angefordert. Und die Gaumont-Serie „Die Barbaren“ war bei ihrem Start auf Netflix die am meisten angesehene nicht englischsprachige Serie.

Was genau an dem Konzept der Filmakademie ist das Besondere?

Die DNA der Hochschule ist, dass die Dozierenden aus der Praxis kommen, mit ihrem Wissen praktische Erfahrung weitergeben können. Und mit den jungen Menschen in Kontakt zu sein, ist auch für die Dozierenden eine gute Möglichkeit, am Puls der Zeit zu bleiben. Neues mit ihnen zu entwickeln und gemeinsam die Filmbranche zu entwickeln. Ich nenne das den Ludwigsburger Think Tank. Ich werde auch den Branchenbeirat wieder einberufen, an dem Vertreter aus der ganzen Branche und vielen Bereichen teilnehmen, um der Filmakademie neue Impulse zu geben. Die Internationalisierung ist wichtig an der Filmhochschule, die Branchennähe und das interdisziplinäre Arbeiten. Wir an der Filmakademie denken nicht in Gewerken, sondern bilden Fachleute aus, die sich in allen Gewerken auskennen.

Wie sehen Sie Ihre Rolle an der Filmakademie?

Ich will nicht der Herr Direktor sein, sondern in der Praxis stehen, mit den Studierenden auf Augenhöhe. Wichtig ist für mich, nicht nur fachliche Kenntnisse zu vermitteln, sondern ihre Haltung zu prägen. Werte wie Zuversicht und Optimismus weiter zu geben, ist wichtig, gerade in einer schwierigen, problembeladenen Zeit. Filme und Serien haben in Zukunft eine große Rolle inne. In dieser schwierigen Zeit müssen sie Unterhaltung mit Tiefgang und etwas Positivem bieten, aber auch die Themen der Zeit ansprechen. Und finanziell erfolgreich sein, denn man darf nicht vergessen, die Filmbranche ist auch ein Wirtschaftsfaktor, den man noch verstärken könnte und der endlich auch die Anerkennung braucht, die er verdient.

Was ist Ihnen für die Zukunft der Filmakademie wichtig und für die Zukunft Ihrer Studierenden?

Für mich gibt es da drei Hauptpunkte. Die Akademie muss auf die Herausforderungen in der Filmbranche vorbereitet werden. Damit meine ich die immer schwieriger werdende Finanzierung von Filmprojekten, das Finden von Ressourcen und Themen sowie die Wirtschaftlichkeit. Das Zweite ist die rasante technische Entwicklung, auf die wir unsere Studierenden einschwören müssen, damit sie angemessen damit arbeiten können. KI ist keine Zukunftsmusik mehr. Es ist wichtig, zu vermitteln, dass KI durchaus einsetzbar ist im Film, aber mit Bewusstsein um die Schwächen. Das Dritte ist der sich extrem im Wandel begriffene Markt. Formate verändern sich, Serien und Filme werden mehr und mehr auf Social-Media-Plattformen kommen und dafür produziert werden. Handyformate nenne ich das. Die Filmbranche ist international sehr vernetzt. Das Film-Mekka war bisher Hollywood. Unter Trump wird sich das ändern, durch die Zölle und seine Politik gegen ausländische Studierende und Firmen.

Hat die Filmakademie den Wechsel in der Politik in den USA bemerkt?

Die Filmakademie machte jährlich einen Hollywood-Workshop, zu dem Studierende aus der Filmakademie in die USA reisten. Das war vertraglich geregelt. Dieser Vertrag wurde nun ohne Angaben von Gründen von der USC School of Cinematic Arts gekündigt und die Filmschule ist für uns derzeit nicht erreichbar. Es wäre auch die Frage gewesen, ob wir unsere Studierenden in die USA geschickt hätten. Es gibt dort keine Willkommenskultur mehr und es ist unverantwortbar, dort Studierende hinzuschicken. Aber auf der anderen Seite ist es mir auch ein Anliegen, die Brücken in die USA nicht abzubrechen.

Wie können Sie diesen Verlust ausgleichen, auch in Hinsicht von Kooperationen bei Filmproduktionen?

Da sind wir schon dran, die Zusammenarbeiten zu erweitern. Wir haben in China, das ein sehr erfolgreiches Produktionsland ist, Partner in den Hochschulen, mit denen gemeinsame Projekte angedacht sind. London entwickelt sich mehr und mehr zum Filmzentrum. Viele Entscheidungen, auch was Filme in den USA betreffen, werden dort getroffen. Die Filmhochschule in London beteiligt sich nun an der deutsch-französischen Masterclass, die damit zu einem europäischen Projekt wird. Und nicht zu vergessen Mittel- und Osteuropa. Polen, Tschechien und Ungarn sind Filmländer und für uns sehr spannend. Wir arbeiten an Konzepten der Zusammenarbeit mit London und den osteuropäischen Ländern. Europa muss in der Filmbranche zusammenrücken und den Markt mehr beeinflussen. Kontakte zu knüpfen, europaweit zu einflussreichen Partnern in der Branche, ist ein weiterer Punkt. Zum Glück gibt es einige wichtige Personen, die in Schlüsselpositionen sitzen und die in Ludwigsburg studiert haben, womit wir wieder bei der Vernetzung wären. Die Film-Chefinnen von Amazon MGM Deutschland oder von Warner Bros. Deutschland sind Absolventinnen der Filmakademie. Da liegt es nahe, dass sie sich auch bei uns einbringen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Biografie

 Andreas Bareiß wurde 1980 in Ludwigsburg geboren und wuchs in Stuttgart auf. Er hat, wie er sagt, von Kindheit an „zwei Lieben“: Den Film und Frankreich, wo er regelmäßig mit seinem Vater war. Er spricht die Sprache fließend. Schon früh filmt er mit einer eigenen kleinen Kamera, arbeitete als Jugendlicher in Stuttgart in einem Kino als Kartenabreißer. „Ich sah jeden Film drei mal und vertiefte mich in sie“, so Bareiß.

Nach dem Abitur wollte er an einer Filmakademie studieren, entschied sich aber dann doch für ein Jurastudium, das er auch abschloss. Dennoch studierte er ein Jahr an der deutsch-französischen Masterclass an der Filmakademie Ludwigsburg und Paris. „Das war das beste Jahr meines Lebens“, sagt er. Doch nach seinem Abschlussfilm promovierte er in Jura, und wurde Medienanwalt für Filmrecht in Berlin in einer angesehen Kanzlei. Dort betreute er Firmen, die für Holywood Filme machten und Produktionen im Studio Babelsberg. Als die französische Filmfirma Gaumont ein Berliner Büro eröffnen wollte, wurde er für sie tätig und später Geschäftsführer. Er begann, eigene Filmproduktionen zu verwirklichen.

Bareiß wurde bekannt durch erfolgreiche eigene Produktionen wie in letzer Zeit die Serien „Die Barbaren“ oder „Westwall“. Gaumont wird mit Bareiß bei ausgewählten Projekten auch künftig als Berater und Produzent auf freiberuflicher Basis zusammenarbeiten. „Im Moment will ich mich aber voll auf die Filmakademie konzentrieren und keine Filme produzieren, ich bin an der Hochschule zu 100 Prozent gefordert und will meine ganze Kraft dort einsetzen“, sagt Bareiß. Für die Zukunft will er aber nichht ausschließen, wieder Filme zu produzieren.

 
 
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