Finanzlage in Bietigheim-Bissingen Schnelle Besserung ist nicht in Sicht

Von Uwe Mollenkopf
Das Gewerbegebiet Laiern mit dem Porsche-Turm. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer brechen ein. Foto: Martin Kalb

In Bietigheim-Bissingen wurde am Dienstagabend der Nachtragshaushalt einstimmig verabschiedet. Die Stadt muss starke Steuereinbrüche verkraften.

Das ist man in Bietigheim-Bissingen nicht gewohnt. „Zum Teil erschreckend“, seien die Zahlen des Nachtragshaushalts, der am Dienstagabend im Gemeinderat zur Beschlussfassung anstand, kommentierte Oberbürgermeister Jürgen Kessing. „Als steuerstarke Stadt spüren wir besonders die Auswirkungen der Corona-Pandemie“, erklärte Bürgermeister Joachim Kölz. Man befinde sich finanziell „in einer nie da gewesenen Krise“.

Der Nachtrag, in dem die massiven Steuerausfälle, die Bietigheim-Bissingen verkraften muss, eingearbeitet sind, wurde in der Sitzung einstimmig verabschiedet. Doch, so war zu hören, die eigentlichen Sparrunden stehen erst noch bevor.

Kölz ging in seinem Finanzzwischenbericht und den Erläuterungen zum Nachtragsetat nicht mehr auf die Zahlen im Einzelnen ein. Wie berichtet hat die Stadtverwaltung die veränderte Finanzsituation schon vor einem Monat im Gemeinderat dargelegt und die Verhängung einer Haushaltssperre empfohlen, was von den Stadträten auch so beschlossen wurde. Die gravierendsten Einbrüche gibt es laut Kölz bei der Gewerbesteuer, die nach derzeitigem Stand um 22,3 Millionen Euro einbricht, inklusive 4,8 Millionen Euro, die an Einnahmen aus dem Gewerbegebiet Laiern fehlen. Bei dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer sind es 3,3 Millionen Euro weniger. Doch das sei nur der augenblickliche Stand, fügte Kölz hinzu. Die Tendenz zeige derzeit eher nach unten.

Der Bürgermeister erklärte aber, die Stadt werde zugesagte Zuschüsse weiter auszahlen und begonnene Planungen und Investitionen weiterlaufen lassen. „Die Pflichtaufgaben führen wir fort“, stellte er klar. Gleichwohl gehen Kessing und Kölz nicht davon aus, dass sich die Lage rasch bessert. Die finanzielle Erholung werde viel langsamer voranschreiten als in der Finanzkrise von 2008 bis 2010.

Daher müssten im September mit Blick auf den neuen Haushalt Beratungen im Gemeinderat über große und kleine Sparmaßnahmen geführt werden, um die Einnahmesituation zu verbessern, sagte Kölz. Im investiven Bereich müssten Pläne verschoben oder aufgegeben werden. Denn: Das Regierungspräsidium Stuttgart habe bereits mitgeteilt, dass im Hinblick auf die Haushaltsplanung 2021 ein Defizit in ähnlicher Höhe wie 2020 sehr kritisch gesehen werde.

Auch für Thomas Wiesbauer, Fraktionsvorsitzender der CDU, ist der Nachtragsetat nur der Anfang. „Weitere Hiobsbotschaften stehen im Raum“, sagte er in der Sitzung. Die Diskussion über freiwillige Leistungen werde nach der Sommerpause beginnen müssen. Zu den Pflichtaufgaben, bei denen es keine Abstriche geben dürfe, rechnete er die Bereiche Kindergärten, Schulen und Klinik. Einsparmöglichkeiten sah Wiesbauer insbesondere beim Unterhalt von Gebäuden und Straßen. „Noch sehen wir nicht schwarz, aber das Licht wird deutlich dunkler“, meinte der CDU-Fraktionschef.

Laut Traute Theurer, der Sprecherin der GAL, müssen die Weichen neu gestellt werden, damit auch nach dem Überwinden der Corona-Krise nicht dauerhaft Steuern wegbrechen. Nötig sei ein Umdenken mit Blick auf die Abhängigkeit von der Autoindustrie, sagte sie und verwies auf Porsche im gemeinsamen Gewerbegebiet Eichwald. Die Konsolidierung werde über mehrere Jahre gehen. Bietigheim-Bissingen leiste sich viel, aber alles müsse finanziert sein, so Theurer.

Der Nachtrag sei nur ein erstes Vorzeichen, „auf das, was kommen wird“, meinte auch Ute Epple, die Sprecherin der Freien Wähler. Man müsse sparen und gleichzeitig höhere Einnahmen erzielen. Die Freien Wähler hätten sich schon früher höhere Steuern und Gebühren vorstellen können. Es dürfe jedenfalls keine Tabus geben, so Epple.

Thomas Reusch-Frey, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, betonte, dass der Nachtragsetat noch kein Sparhaushalt sei. Dr. Georg Mehrle (FDP) lobte, dass die Debatte weniger aufgeregt geführt werde als im Jahr 2008. Damals sei auch über Kleinstbeträge debattiert worden. Man dürfe sich nicht kaputtsparen, so der FDP-Stadtrat. Dem pflichtete auch Oberbürgermeister Jürgen Kessing bei.

 
 
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