Fotografie Gesichter und Geschichten aus dem Lockdown im Landkreis

Von Gabriele Szczegulski
Yakup Zeyrek fotografierte in der Karlskaserne 29 Künstlerinnen und Künstler, darunter auch Lisa Thomas aus Bietigheim-Bissingen, die bei der Tanz- und Theaterwerkstatt arbeitet.⇥ Foto: Fotos: Yakup Zeyrek

Yakup Zeyrek fotografiert im Auftrag von Landrat Dietmar Allgaier überall dort, wo sich die Corona-Pandemie niederschlägt – ob positiv oder negativ.

Yakup Zeyrek ist Werbefotograf, hat ein großes Studio in Kornwestheim. Vor allem fotografiert er für Handel und Wirtschaft. Aber: Seit einem Jahr hat er wegen des Lockdown kaum Aufträge. Nicht nur, dass sein Studio bezahlt werden will, er hat auch Angestellte. zudem machte ihm mehr und mehr das Nichtstun zu schaffen. Auf Anraten eines Freundes begann er, den Lockdown, wie er sagt, zu fotografieren.

Buch über
DDR-Industriebrachen

Zeyrek hatte schon einmal die Auswirkungen eines zeitgeschichtlichen Ereignisses dokumentiert. Als die DDR und mit ihr ihre Wirtschaft in sich zusammenfiel, fotografierte er stillgelegte Industriebrachen und stellte die Menschen, die sie zuvor belebt hatten, mitten hinein. Und erzählte ihre Geschichten. Daraus wurde ein Buch. Daran erinnerte sich der Freund und sagte: „Mach das doch nochmal mit dem Lockdown“, sagt Zeyrek. Und so begann er überall dort, wo der Lockdown seine hässliche Fratze zeigte, in leer stehenden Restaurants und Läden, fotografierte aber auch die, die darin eine Chance sahen. Wie den Markgröninger Pizzabäcker, der singend auf Youtube für seinen Abholservice Werbung macht, eine hohe Klickzahl und viele Kunden erreicht.

Nach einigen Fotografien ging der Kornwestheimer zu Landrat Dietmat Allgaier und stellte seine Idee vor. Dieser war sofort begeistert. Demn Lockdown in seinem Landkreis zu dokumentieren, ihm Gesichter zu geben, fand er so gut, dass er Yakup Zeyrek einen Auftrag gab. Am Ende, wenn das Kreishaus wieder öffnen darf, soll Zeyrek eine Ausstellung konzipieren.

Der Fotograf schießt aber nicht nur Fotos, er will auch die Geschichten dahinter erzählen. Von der Blumenhändlerin, die sich Nacht für Nacht in den Schlaf weint. Oder von den Schülern des Beruflichen Schulzentrums in Bietigheim, die stundenlang Maske tragen müssen. Zeyrek fotografierte in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen, wo die Kunstwerke alleine vor sich hin hängen. Am ersten Tag der Ausgangssperre fotografierte er die leere, gespenstische Innenstadt in Bietigheim. Überall im Landkreis ist er, um Momentaufnahmen zu erhaschen und nicht nur die Fotos des Lockdowns sondern auch dessen Geschichten einzufangen.

Zur Zeit fotografiert Zeyrek in der Karlskaserne in Ludwigsburg – 29 Künstler aus den dort beheimateten Institutionen Tanz- und Theaterwerkstatt, Kunstschule Labyrinth und Jugendmusikschule. Sie alle tragen schwarze T-Shirts und ein Plakat vor sich, auf dem in kurzen Worten das steht, was sie derzeit empfinden. Denn alle sind arbeits- und beschäftigungslos, haben keine Perspektive mehr. Der Schauspieler Paul Schäfer schrieb darauf – scheinbar – einen Witz: „Geht ein Schauspieler zum Arzt. Der sagt: Sie haben nur noch drei Wochen zu Leben, fragt der Schauspieler: Wovon denn?“

Endlich mal
wieder lachen

Die Improvisationskünstlerin Sandra Hehrlein will unbedingt lachen auf dem Foto, weil das ihr Beruf ist und sie es derzeit so selten kann. Ute Kabisch, Leiterin der Jugendmusikschule will aufmerksam machen, dass jeder genau hin- und zuhört, was jetzt passiert.  Yakup Zeyrek wird weiterfotografieren, solange die Pandemie herrscht. Mittlerweile bekommt er auch Anfragen. Eine Leiterin einer Mundelsheimer Tanzschule sagte: „Das ist Balsam für unsere Seele, dass sich jemand für unsere Situation interessiert“.

 
 
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