Freiberger Firma bietet Alternative zu Luftfiltern Künstliche Gewitter reinigen die Luft

Von Heidi Vogelhuber
Chefin Lisa Herre (Mitte) hält das Herzstück der Freiberger Luftreinigungsgeräte in den Händen: die Ionisationsröhre. Links: Marketing-Chefin Bettina Pfisterer. Ricardo Palascino ist einer der drei Monteure von AirClean. Pro Tag fertigt er etwa sechs Deckengeräte. ⇥ Foto: Helmut Pangerl

Raumlufthygiene stand noch nie so im Fokus wie derzeit durch die Corona-Pandemie. Das Freiberger Unternehmen ProLog AirClean bietet eine Alternative zu Luftfiltern durch bipolare Ionisation.

Ein Gewitter ist ein faszinierendes Naturspektakel. Neben den optischen und akustischen Reizen besticht das Wetterphänomen noch durch etwas anderes: dem Danach. Jeder kennt die Luft nach einem Gewitter. Sie hat einen bestimmten Geruch, ist gereinigt und frisch.

Diesen Moment nach einem Gewitter hat sich Lisa Herre als Vorbild genommen und etwas erfunden, das ihr berufliches Leben maßgeblich geprägt hat. Die 28-jährige Bietigheimerin hat Maschinenbau studiert und ist Ingenieurin bei der Freiberger Firma ProLog Automation, die sich seit 2015 mit Service, Wartung und Installationen von fahrerlosen Transportsystemen befasst. Viel mehr war sie das, denn seit Anfang 2020 hat sich für sie viel verändert.

Aus Mitarbeiterin wird Chefin

Herre war in der Produktentwicklung sowie im Vertrieb tätig. In dieser Rolle wirkte sie an der Entwicklung des ProClean AGV mit, einem mobilen Reinigungsfahrzeug, das die Luft in geschlossenen Räumen reinigt und desinfiziert. „Die Wirtschaftsflaute im März 2020 war bestens geeignet, um die Entwicklung voranzutreiben. Es gab ein Problem und ich überlegte, wie man schnell etwas gegen Viren in der Luft machen kann. Eine innovative Lösung musste her“, erinnert sich Herre im Gespräch mit der BZ an die Anfangszeit der Corona-Pandemie.

Die Ingenieurin entwickelte eine Röhre, die aus zwei Metallgittern besteht, einem innerhalb einer Glasröhre und einem außerhalb. Wird diese sogenannte Ionisationsröhre an Strom angeschlossen, kommt es vereinfacht ausgedrückt zu kleinen Spannungsentladungen, die denselben Effekt haben, wie Blitze in der Natur (siehe Infobox). „Gewitter sind die Entladung der Atmosphäre und ein natürlicher Reinigungsprozess“, erklärt die Ingenieurin.

Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist ProLog AirClean ein eigener Betrieb und Lisa Herre in die Geschäftsführung aufgestiegen. In Zusammenarbeit mit der norddeutschen Firma Bioclimatic, die sich bereits seit gut 40 Jahren mit Luftreinigungssystemen befasst, wurden fünf Geräte verschiedener Größen (siehe unteres Foto) entwickelt. Aktuell rückt das Deckengerät Pro Air Top in den Fokus, da es ideal für Systemdecken, die in Büros, Schulen und Kitas üblich sind, geeignet ist. Diese Produktreihe wird komplett in Freiberg gefertigt. „Wichtig war uns, dass alles ‚made in Germany’ ist“, sagt Lisa Herre. Die Blechteile etwa kommen von einem Lieferanten aus Kornwestheim, die Kabel werden in Freiberg konfektioniert, erklärt sie.

Inzwischen besteht das ProLog-AirClean-Team aus sieben Mitarbeitern; drei Monteuren, einem Mitarbeiter für Planung und Einkauf, zwei Mitarbeitern im Vertrieb und Lisa Herre als „Mädchen für alles“, wie die Geschäftsführerin scherzhaft sagt. „Natürlich nutzen wir Synergien mit ProLog Automation, erklärt Bettina Pfisterer, Leiterin der Marketing-Abteilung, die derzeit vor allem im neuen Betrieb alle Hände voll zu tun hat. Denn einen Nachteil hat die Ionisation: Sie ist noch nicht so bekannt. „Bei vielen Ausschreibungen werden wir von vornherein ausgeschlossen, weil speziell ‚Luftfilter’ und nicht ‚Luftreiniger’ ausgeschrieben werden“, erklärt Pfisterer. Dabei ist die Wirksamkeit der Luftreiniger vom Bundesamt für Umwelt bestätigt worden.

Unterschied zu Luftfiltern

„Die Luft wird nicht angesaugt – und damit an den beispielsweise Schülern vorbeigeführt – und in einem Filter gesammelt, der anschließend in den Sondermüll muss“, erklärt Herre. „Bei der bipolaren Ionisation werden die Ionen in den Raum geblasen und die Keime inaktiviert. Wir sammeln Schadstoffe nicht, sondern inaktivieren sie, und zwar dort wo sie sind, ohne sie herumzuwirbeln.“ Nach etwa fünf Jahren müssen die zwei Ionisationsröhren, die in einem Deckengerät verbaut sind, getauscht werden. Diese seien dann regulärer Metallschrott. Preislich liege das Deckengerät bei 2500 Euro, was dem Preis eines vergleichbaren Profi-Luftfiltergeräts entspreche. Jedoch seien die Folgekosten geringer. Außerdem sei die Ionisierung erheblich leiser und damit gerade für Schulen gut geeignet.

Bislang wurden in der Freiberger Produktion gut 1000 Deckengeräte gefertigt. Die Stadt Leingarten im Kreis Heilbronn hat bereits eine Schule sowie das Rathaus mit 25 Geräten ausgestattet. „Interessant sind unsere Luftreiniger auch für Altenheime, Krankenhäuser, große Hallen wie die EgeTrans Arena sowie Allergiker“, ist Pfisterer überzeugt.

 

So funktioniert die bipolare Ionisation

Entlang der Ionisationsröhre wird Sauerstoff aus der Luft aktiviert: O2 wird gespalten, positiv und negativ geladene Ionen entstehen. Diese Ionen docken an Kohlenstoffketten an, etwa Schadstoffen wie Staub, Rauch, Allergenen, aber auch Viren und Bakterien, und gehen eine chemische Bindung ein. Die aktivierte Luft wirkt als natürliches Reinigungsmittel, wodurch Gerüche neutralisiert sowie Keime inaktiviert werden. Ionisation soll auch gegen Kopfweh und Müdigkeit in geschlossenen Räumen helfen.

 


So funktioniert die bipolare Ionisation:

Entlang der Ionisationsröhre wird Sauerstoff aus der Luft aktiviert: O2 wird gespalten, positiv und negativ geladene Ionen entstehen. Diese Ionen docken an Kohlenstoffketten an, etwa Schadstoffen wie Staub, Rauch, Allergenen, aber auch Viren und Bakterien, und gehen eine chemische Bindung ein. Die aktivierte Luft wirkt als natürliches Reinigungsmittel, wodurch Gerüche neutralisiert sowie Keime inaktiviert werden. Ionisation soll auch gegen Kopfweh und Müdigkeit in geschlossenen Räumen helfen.

 
 
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