Vielleicht hätte Louis Armstrong die Nase gerümpft, vielleicht wäre er aber auch völlig aus dem Häuschen gewesen bei der Idee, Swing, Jazz und Klezmer miteinander zu kombinieren. Jahrzehnte nach der großen Ära des Swing sieht das so aus: Den Freilach aus der Klezmerwelt, jener berühmte Tanz im Zwei-Viertel-Takt, der zum Markenzeichen der jiddischen Musik wurde, und den Swing verbindet eine leichte beschwingte tänzerische Grundhaltung.
Freudental Die Klarinette zeigt ihre Facetten
Helmut Eisel und Sebastian Voltz begeistern mit einer Kombination aus Swing, Jazz und Klezmer.
Natürlich blieb das nicht unentdeckt von kreativen Geistern wie Helmut Eisel, dem Klarinettisten aus Saarbrücken und Sebastian Voltz, dem Pianisten aus Neunkirchen, der in sämtlichen Stilwelten zuhause ist. Im PKC Freudental, dem Pädagogisch-Kulturellen Zentrum in der ehemaligen Synagoge, geben die beiden am Sonntagabend ein Gastspiel, an dem auch Klezmer-Urvater und Klarinettist Giora Feidman seine Freude gehabt hätte.
Vielseitige Klarinette
Das Duo spielt vor Kennerpublikum. Diesen seltenen musikalischen Leckerbissen lässt sich keiner entgehen, der sich für Klezmer begeistert. Manche kaufen gleich ein Bündel von Eintrittskarten und bringen Freunde und Familie mit – wohl wissend, was sie erwartet. Das Duo Eisel/Voltz konzertiert seit 16 Jahren miteinander und hat sich in dieser Nische spezialisiert.
Die Möwe unter den Instrumenten, die Klarinette wird zur Virtuosin in den Händen von Helmut Eisel. Sie jauchzt. Sie seufzt. Sie lacht. Sie klagt. Sie schimpft. Sie neckt höhnisch und lacht Beifall. Sie schreit. Sie keift. Sie trauert um einen verstorbenen Freund, und sie wiegt leise das Kind in den Schlaf.
Das alles kann sie nur, weil Helmut Eisel als international renommierter Klarinettenkönig ihr das alles abverlangt. Eisel hatte im früheren Leben Mathematik studiert und war in der Software-Branche tätig, aber für seine schwarze Königin hat er 1993 seinen alten Beruf in die Ecke gestellt. Sebastian Voltz aus Neunkirchen konzertiert mit vielen Musikergrößen in Konzertsälen, hat sich spezialisiert auf Neue Musik und ist im Jazz zuhause. Von da aus ist es nur noch ein Schritt, zu dem, was er im PKC abliefert: eine fetzige, hoch emotionale, oft auch schrille, scharrende und fauchende Mischung aus Swing und Klezmer. Die beiden komponieren selbst.
Sie starten mit einem „Swinging Freilach“ von Helmut Eisel, greifen das berühmteste Stück des polnischen Komponisten Florian Hermann auf, „Dark Eyes“ und geben Jazzer Django Reinhard nur zu gerne eine Plattform mit „Swing 42“. Traurig, aber kriegsbedingt passend: Helmut Eisel hat ein Stück mit dem Titel „Two Sides of Jerusalem“ geschrieben. Beide steigen auch in die Tiefe des Schmerzes hinab, in der Komposition „Belz“ von Alexander Olshanetsky.
Abschied nehmen
Da es beim Klezmer oft um Abschied geht, wird hier das Ende einer Begegnung mit der Stadt „Belz“ Thema. Abschied nehmen beide noch einmal und zwar von „Micha“, einem lieben Freund und Musikerkollegen. Dem plötzlich Verstorbenen widmen sie im zweiten Teil ein Werk, das direkt nach dessen Tod entstand.
Das Experiment der Begegnung zwischen Melancholie und fröhlichem Sein gelingt gut an diesem Abend im PKC. Helmut Eisel hat ein Stück auf seine Mutter geschrieben, die Weltmeisterin darin war, in kürzester Zeit alles im Dorf zu organisieren, was gerade im Haus fehlte. Eisel überschrieb die Hommage an seine Mutter deshalb mit „Flitz, flitz“.
Immer wieder jubelt und schreit die Klarinette. Technisch ist Helmut Eisel ein Fingerakrobat, der expressivsten Sorte. Das hat er von seinem Großvater gelernt. Das Klavier denkt nicht daran ihr die Show zu stehlen. Am Ende imitiert die Klarinette sogar die schnatternde Ehefrau zu Hause. Keiner will die beiden Musiker gehen lassen, voller Vorahnung wie selten und damit kostbar ein Hörbonbon wie dieses zu finden ist.