FSV 08 Bietigheim-Bissingen Leidenschaftliche Nullachter verlieren hitziges Topspiel

Von Andreas Eberle
Packende Zweikämpfe gab es im Oberliga-Topspiel en masse. Hier behält 08-Innenverteidiger Wissem Aouadi gerade noch das Gleichgewicht und springt akrobatisch über den am Boden liegenden Kickers-Torjäger David Braig hinweg. Foto: Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Der FSV 08 Bietigheim-Bissingen hält beim Oberliga-Spitzenreiter Stuttgarter Kickers lange mit. Drei späte Gegentore besiegeln die 0:3-Niederlage unterm Fernsehturm. Die bisher drittplatzierte Bruchwald-Elf überwintert nun auf dem sechsten Rang.

Für Wissem Aouadi war schon am Samstag irgendwie Weihnachten. Der 23-jährige Innenverteidiger, der in der Vorsaison noch für Croatia Bietigheim in der Bezirksliga gekickt hatte, stand bei der 0:3-Niederlage seines FSV 08 Bietigheim-Bissingen gegen den Oberliga-Topfavoriten Stuttgarter Kickers die kompletten 90 Minuten auf dem Platz. „Ich habe immer noch nicht ganz realisiert, wo ich mittlerweile spiele. Der Sprung ist schon gewaltig“, gab Aouadi zu.

4120 Fans zum Jahresausklang

4120 Zuschauer – ein Oberliga-Saisonrekord – lockte das Topspiel am Samstagnachmittag ins Gazi-Stadion. Zum Vergleich: Bei den Croatia-Heimpartien in Metterzimmern war es Aouadi gewohnt, vor 100 Zuschauern zu spielen, auch am Bruchwald ist die Kulisse meist überschaubar. „Es war für einige von uns das erste große Spiel in ihrer Karriere. Man hat dem einen oder anderen angemerkt, dass er so eine Situation nicht gewohnt ist. Die Kulisse hat uns trotzdem nicht gehemmt. Die Mannschaft hat das super durchgezogen“, fand Bissingens Kapitän Marius Kunde.

Eine vorweihnachtliche Bescherung gab es für seine Nullachter im letzten Spiel des Jahres 2022 aber nicht. In der Vorsaison hatten sie noch einen 2:1-Überraschungscoup auf der Waldau gefeiert. Diesmal war der Favorit stärker. Die Kickers gehen nun mit sieben Punkten Vorsprung auf Hauptverfolger SG Sonnenhof Großaspach in die Winterpause. Die Bietigheim-Bissinger rutschten dagegen um drei Plätze ab und überwintern auf Rang sechs.

Harakiri in der Schlussphase

Bis zur 71. Minute hielten die leidenschaftlich kämpfenden Gäste dem Druck des Herbstmeisters stand und gut dagegen. Dann leitete Pero Mamic mit einem schlecht getretenen Freistoß unfreiwillig den Rückstand ein. Die Kickers kombinierten sich blitzschnell über David Braig und Konrad Riehle durch – und am langen Pfosten vollstreckte der alleingelassene Kevin Dicklhuber zum 1:0 – sein 18. Saisontreffer.

In der Endphase verfuhren die Gäste nach der Devise „alles oder nichts“: Trainer Markus Lang schickte mit Roman Kasiar und Adrian Heinle zwei zusätzliche Offensivkräfte aufs Feld und beorderte auch noch Innenverteidiger Mamic nach vorne. Heraus kam aber Harakiri. Gegen die nun total offene Bissinger Abwehr spielten die Blauen ihre individuelle Klasse aus und schlugen noch zweimal eiskalt zu. Nach einer Hereingabe von David Kammerbauer drückte erst Braig, Stuttgarts anderer Torschütze vom Dienst, den Ball über die Linie (86.). Zwei Minuten später gelang dem eingewechselten Loris Maier mit einem Traumtor das 3:0. „Das Beste kommt zum Schluss“, kommentierte Stadionsprecher Daniel Räuchle den 18-Meter-Kunstschuss. „Das sind zwar auch nur Menschen“, sagte Aouadi über seine renommierten Gegenspieler wie Dicklhuber und Braig. „Aber gegen solche Topleute musst du noch konsequenter dran sein, denn sie machen aus zwei Chancen gleich ein Tor – und brauchen dafür eben nicht zehn Chancen, wie das vielleicht in der Bezirksliga der Fall ist.“

Vor dem Doppelschlag der Degerlocher hatte die Bruchwald-Elf zweimal den Ausgleich auf dem Fuß gehabt: Ex-Kickers-Profi Benedikt Landwehr schoss knapp vorbei (73.), und der zur Pause eingewechselte Kevin Ikpide scheiterte freistehend an Roman Castellucci (77.). Mehr vom Spiel und ein klares Chancenplus hatte aber der Ex-Bundesligist, dessen Geduld sich letztlich auszahlte.

Sportlicher Leiter sieht Gelb

Beide Teams gingen auf dem holprigen Rasen, der eher einem Rübenacker glich, emotional zur Sache. Schiedsrichter Stefan Fimpel musste seine ganze Autorität aufbieten, um die erregten Gemüter auf und neben dem Feld zu besänftigen. Eine der sieben Gelben Karte sah sogar Oliver Dense, der Sportliche Leiter der Nullachter. „Bei einem Topspiel gehört Hitzigkeit dazu. Wir haben Feuer reingebracht“, sagte Kunde, der sich mit seinem Stuttgarter Kapitäns-Kollegen Dicklhuber eine Privatfehde geliefert hatte. Kunde: „Er hat zweimal so getan, als ob man ihn trifft und eine Show gemacht – aber so ist er halt.“

Stimmen zum Spiel

Markus Lang, 
Trainer des FSV 08 Bietigheim-Bissingen: Uns hat es viel Spaß gemacht, hier vor der Kulisse zu spielen. Es war ein intensives Spiel, bei dem aber alles im Rahmen geblieben ist. Der Sieg der Kickers ist über die gesamte Spielzeit gesehen absolut verdient, aber meiner Meinung nach ein, zwei Tore zu hoch. Über die Entwicklung unserer Mannschaft sind wir trotzdem sehr zufrieden. Auch heute haben wir uns nicht versteckt, dagegengehalten und versucht, Akzente zu setzen. Damit haben auch wir zu einem sehr guten Spiel beigetragen – vor einer Kulisse, die so ein Duell auch verdient hatte. Die Kickers wirken sehr gefestigt und fokussiert. Ich denke, dass der Kampf um den Aufstieg für sie diesmal ein gutes Ende nimmt.

Mustafa Ünal, 
Coach der Stuttgarter Kickers: Es war ein ereignisreiches Jahr – mit dem Rückschlag in der Relegation, aber auch mit vielen Höhen. Was ich mal loswerden möchte: Es ist schwer vorstellbar, als Kickers-Fan in der Oberliga stolz rumlaufen zu können. Aber ich glaube, jetzt sind wir mit dem Verein und der Mannschaft wirklich an einem Punkt angekommen, an dem man als Kickers-Fan selbst in der Oberliga stolz sein kann und sich nicht verstecken muss. Das ist für uns aber kein Grund, sich auszuruhen, sondern noch mehr Motivation.

Marius Kunde,
08-Kapitän: Leider haben wir nicht bis zum Ende sauber verteidigt. Das ist uns in der ersten Halbzeit noch super gelungen. Als wir alles nach vorne geworfen haben, sind wir eingebrochen. Trotzdem Kompliment an die Mannschaft. Sie hat alles gegeben. Wir müssen nicht aufsteigen, die Kickers dagegen schon – und das eigentlich schon seit Jahren. Klar ist es jetzt blöd, mit einer Niederlage in die Winterpause zu gehen. Aber wir haben keinen Grund, Trübsal zu blasen. Mit der Hinrunde und unserer Punkteausbeute sind wir zufrieden. Wir gehen weiter unseren Weg, greifen im neuen Jahr wieder an und geben weiter Gas.

 
 
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