Normalerweise stehen sie selbst auf dem Platz. Doch obwohl sie auch sonst auf dem Rasen stehen, wird ihnen der Sport nicht langweilig. In der Sommerpause haben die regionalen Fußballer aber selbst einmal Freizeit, um die anstehende Europameisterschaft im eigenen Land zu genießen: An diesem Freitag geht es los mit dem Eröffnungsspiel Deutschland gegen Schottland. „Ich schaue natürlich zu. Grade die EM ist ja nicht jedes Jahr, da versuche ich, so viele Spiele wie möglich mitzunehmen“, sagt Tom Reichert, Torwart des Bezirksligisten TASV Hessigheim. Auch Landesliga-Stürmer Patrick Sirch betont: „Ich bin auf der Eröffnungsparty in Stuttgart. Ich will es ausnutzen, dass das Turnier in Deutschland ist, ist eine super Gelegenheit mit Freunden in den Biergarten zu gehen.“ Das Auftaktspiel wird er mit den Mannschaftskollegen des GSV Pleidelsheim bei einer Grillparty verfolgen. Reichert hat dieses Glück nicht, er ist bis nach dem zweiten Duell der Deutschen noch im Sommerurlaub.
Fußball-EM Lokale Fußballer trauen Deutschland viel zu
Kicker aus dem Umkreis haben ein paar Tipps abgegeben, wie weit es wohl für die deutsche Nationalmannschaft reicht. Die Meisten sind zuversichtlich.
Wie weit schafft es Deutschland?
Auch die Chancen der Deutschen sehen sie ähnlich. „Die Gruppe schaffen sie auf jeden Fall, dafür ist einfach zu viel Qualität im Kader“, ist Sirch der Meinung. Auch Maik Kheim, Torjäger des A-Ligisten TSV Häfnerhaslach traut dem Team einiges zu: „Ich hoffe natürlich, dass diese fünf bis zehn Prozent Heimvorteil auf die Mannschaft überschwappen und sie ihre Leistung steigern. Im Maximalfall ist der Titel drin, realistisch muss es aber schon zu diesem Maximalfall kommen.“ Reichert ist sich sicher, „wenn sie die Gruppe überstehen, dann können sie auch Europameister werden.“
Nesreddine Kenniche, der im Sommer vom FSV 08 Bietigheim-Bissingen zum SGV Freiberg in die Regionalliga wechselt, dämpft die Erwartungen etwas. „Wir sind kein Topfavorit, aber ich habe ein gutes Gefühl. Viertelfinale oder Halbfinale ist drin“, sagt der Stürmer.
Im Favoritenpool neben den Deutschen sind sich alle einige: Frankreich und England werden eine große Rolle spielen, auch die Niederlande stehen hoch im Kurs. Sirch ist sich sicher: „So eng wie dieses Jahr war es lange nicht mehr. Frankreich ist individuell das stärkste Team, die Mannschaft wirkt aber ein bisschen satt.“ Die Kicker haben jeweils noch ein paar Geheimtipps. Reichert hält große Stücke auf die Kroaten und Kenniche traut den Eidgenossen eine Überraschung zu.
Nur kleine Änderungen am Kader
Generell sind die Fußballer aus dem Umkreis sehr zufrieden mit dem Team, wenn sie anstelle von Bundestrainer Julian Nagelsmann wären, hätten sie nur marginal am Kader geschraubt. „Ich bin nominell mit dem Grundkader zufrieden“, erzählt der Häfnerhaslacher Kheim.
Sein Sturmpendant beim GSV Pleidelsheim ergänzt: „Ich hätte Mats Hummels mitgenommen und Leon Goretzka nachnominiert und nicht Emre Can. Sonst bin ich sehr zufrieden, wie der Kader aussieht. Er ist besser im Vergleich zu den letzten Jahren.“
Da geht auch Reichert mit. „Der Kader ist brutal stark, stärker als in den letzten Jahren.“ Als Torhüter fand er selbst den ursprünglichen Plan von Nagelsmann skurril, mit vier Torhütern ins Turnier zu gehen. „Mehr als drei braucht man nicht wirklich. Das Alexander Nübel gestrichen wurde, ist okay.“
Bei den Stärken und Schwächen der Nationalmannschaft gehen die Meinungen auseinander. „Die Schwächen sind definitiv ganz vorne, es fehlt der klassische Stürmer“, findet Kenniche, der hingegen die Defensive als „sehr gut besetzt“ tituliert und als Prunkstück das Mittelfeld und die Außenbahnen sieht.
Die anderen drei Amateurfußballer haben da andere Ansichten. Kheim geht komplett gegen Kenniches Aussage. „Wir haben in der Offensive viele Möglichkeiten, ein Stürmer, zwei Stürmer, ohne Stürmer und mit falscher Neun. Da sind wir sehr variabel. In der Defensive sehe ich eher unsere Schwäche, vor allem in der Konterabsicherung bei Ballverlusten.“
Da sieht Reichert ähnlich. „Gegen tief stehende Gegner sind wir anfällig bei Kontern“, analysiert er. Sirch ist der Meinung, dass „die Stärke in der Offensive liegt. Mit Florian Wirtz, Jamal Musiala, Leroy Sane, Niclas Füllkrug und Kai Havertz ist man da gut aufgestellt.“ Aufpassen müsse das Team nur dann, wenn zu viel drumherum geschehe. „Ich sehe die größte Gefahr darin, dass man sich mit Nebenschauplätzen beschäftigt, wie der Kapitänsfrage bei Ilkay Gündogan.“
Zusammenhalt als Stärke
Keeper Reichert findet: „Die Stärke ist der Zusammenhalt, auch dadurch, dass die EM im eigenen Land ist. Das schweißt zusammen.“ Und natürlich ein Faktor ist ganz entscheidend: die Rückkehr von Toni Kroos. „Das bringt viel Stabilität“, meint Kheim. Doch auch die Youngster sollen die Fans begeistern. „Wirtz und Musiala machen viel aus“, so Sirch.