Fußball-Weltmeisterschaft „Die WM gehört dort nicht hin“

Von Michael Nachreiner
Eine Verkehrsinsel vor dem Al-Shamal-Stadion am Rande von Al-Ruwais, in dem die deutsche Nationalmannschaft während des Turniers trainiert, ist mit Flaggen der teilnehmenden Nationen der Weltmeisterschaft in Katar dekoriert. Foto: dpa/Christian Charisius

Bevor die deutsche Nationalmannschaft an diesem Mittwoch (14 Uhr) gegen Japan zum ersten Mal ins Geschehen der Weltmeisterschaft eingreift, hat sich die BZ bei Spielern aus der Region umgehört, wie sie es mit dem Turnier in Katar halten.

Seit Sonntag rollt der Ball bei der Weltmeisterschaft in Katar. An diesem Mittwoch (14 Uhr/ARD) steigt auch die Auswahl des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) in den Kampf um die Krone ein. Zum Auftakt trifft die Elf von Bundestrainer Hansi Flick auf Japan. Außerdem hat es Deutschland in der Gruppe noch mit Spanien und mit Costa Rica zu tun. Bei aktiven Fußballern aus der Region hält sich die Freude über die Welttitelkämpfe aber in Grenzen – das hat eine Umfrage der BZ gezeigt.

Menschenrechtsverletzungen oder die Frage, ob man als Fan, als Mensch, so sein darf, wie man beispielsweise in seiner sexuellen Orientierung ist – all dies hat einen riesigen Schatten auf die WM in Katar gelegt. „Es ist eine politische Veranstaltung“, sagt Loris Hofmann. „Und es gibt so viele Themen, die mir den Spaß nehmen, mich auf den Fußball zu freuen. Das ist ganz komisch für mich als fußballbegeistertem Menschen. Aber die Weltmeisterschaft hat überhaupt kein Flair.“

Zeitpunkt der WM ist ein Unding

Für den 27 Jahre alten defensiven Mittelfeldspieler des Oberligisten FSV 08 Bietigheim-Bissingen ist aber auch der Zeitpunkt, an dem die Spiele in Katar stattfinden, ein Unding. „Es ist gerade anders als sonst bei einer Sommer-WM keine Ferien- oder Urlaubszeit. Es gibt aber auch überhaupt keine Anlaufstellen, um gemeinsam Spiele zu schauen – ich zumindest habe noch keine Kneipe gesehen, die Werbung für Public Viewing gemacht hat“, berichtet der Journalist aus Winnenden.

Auch Patrick Sirch geht es ähnlich wie Hofmann. „Die Vorfreude ist deutlich getrübt im Vergleich zu anderen Turnieren“, sagt der Mittelstürmer des Bezirksligisten GSV Pleidelsheim. „Das WM-Feeling ist mit dem Sommer verbunden. Da hat man mehr Zeit. Jetzt im Jahresendspurt ist man beruflich oder vom Studium stark eingespannt. Und es gibt da das ethische Dilemma.“ Neben den Menschenrechtsverletzungen zählt der 22-jährige Betriebswirtschafts-/Unternehmensführungs-Student dazu auch die ökologischen Sünden. „Es wurden extra zehn Stadien unter großem Energie-Einsatz gebaut, die nun alle einen hohen Energie-Verbrauch haben, weil ständig Klimaanlagen laufen“, erklärt der Pleidelsheimer.

Aktiv boykottieren wird Sirch die WM aber nicht. „Ich habe zwar kein großes Interesse. Aber ich bin fußballverrückt und werde die Spiele schauen, wenn es sich ergibt.“

Ob er Partien anschauen soll oder nicht, in der Frage ist Tim Schwara noch zwiegespalten. „Ich weiß nicht, was richtig oder falsch ist“, sagt der Stürmer des Landesligisten FV Löchgau. „Der Sport interessiert mich. Aber ich finde es befremdlich, dass so wenig auf den Fußball fokussiert ist. Vielmehr stehen Geld und Macht im Vordergrund.“

Für ihn „gehört die WM nicht dort hin“, erklärt der 25 Jahre angehende Realschullehrer und ergänzt: „Es trägt ein Land die Weltmeisterschaft aus, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden und Menschen nicht so sein dürfen, wie sie sind.“ Diversität werde nur geheuchelt.

Vorfreude ist auch noch nicht aufgekommen. „Bis vor zwei Wochen wusste ich noch nicht einmal, wer die deutschen Gruppengegner sind“, berichtet der Ludwigsburger. „Auch in der Kabine bei uns ist die WM kein Thema. Wenn darüber gesprochen wird, dann nur über das Sportliche.“

Von Viertelfinale bis Titel

So gleich die Fußballer in ihrem Umgang mit den Welttitelkämpfen sind, so unterschiedlich bewerten sie die Chancen der deutschen Auswahl. Vor allem Hofmann hat seine Bedenken, dass die DFB-Elf weit kommen wird. „Die Qualität ist nicht so hoch. Es fehlt ein bisschen ein Stamm, auf den man sich immer verlassen kann. Fast jeder Spieler ist austauschbar“, erklärt der Mittelfeldspieler der Nullachter. „Im Viertelfinale ist Endstation, vielleicht ist noch das Halbfinale drin. Aber den Titel traue ich Deutschland nicht zu.“

Sirch hat dagegen konkrete Vorstellungen, was die Flick-Elf erreichen wird. „Das Halbfinale wird’s“, sagt der Mittelstürmer des GSV. „Nach vorne geht immer was, in der Offensive sind wir stark besetzt. Aber es gibt zwei Schwachstellen: die Außenverteidiger und die Innenverteidiger.“

Den Titel traut dagegen Schwara der DFB-Elf zu. „Wir haben eine ziemlich homogene Mannschaft. Die Chemie passt. Und der Teamgeist ist immer wichtiger als individuelle Klasse“, erklärt der FVL-Stürmer.

 
 
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