Gärtnern liegt im Trend Glücklich ist, wer einen Garten hat

Von Gabriele Szczegulski
Joachim Zimmermann, Vorsitzender des OGV hat einen eigenen Garten, viele andere suchen einen, bekommen aber keinen, da es keine freien Gärten gibt.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Der Corona-Lockdwown hat den Trend hin zum Gartenstückle, der seit Jahren zunimmt, noch gesteigert. Doch einen Garten zu finden, ist schier unmöglich.

Wenn Gärten, die im Besitz der Stadt Bietigheim-Bissingen sind, vom Liegenschaftsamt neu vergeben werden sollen, dann ist ein Bewerber an der Reihe, der sich schon vor mehr als zehn Jahren dafür beworben hat. Laut Stadtsprecherin Anette Hochmuth gibt es aber keine freien Gärten im Besitz der Stadt. Aber die Nachfrage nach Gartenstücken ist enorm gestiegen, wie sie sagt. 2019 gab es jährlich 30 Anfragen, 2020 mehr als 90, Tendenz in 2021 steigend. Die städtischen Gärten sind beliebt, weil sie nicht in einer Kleingartenanlage liegen und nicht durch den jeweiligen Verein, der die Anlage betreibt, mit Regeln verbunden sind.

Zudem: Die Preise städtischer Gärten sind günstig, variieren je nach Zustand und Angebot des Gartens, ob ein Wasseranschluss vorhanden ist oder nicht. Oft liegen die Preise jedoch deutlich unter 100 Euro im Jahr. Es gibt Anlagen in allen Stadtteilen, beispielsweise in der Kammgarnspinnerei, in Metterzimmern, Bereich Totensteige, in Bissingen, Bereich Brandholz, Bruchwald oder Oberfeld, auch in Bietigheim in den Büttenwiesen oder den Mühläcker und beim Friedhof Sankt Peter, so Hochmuth.

Der Obst- und Gartenbauverein (OGV) Großsachsenheim hat keine eigene Kleingartenanlage. Aber der Vorsitzende Joachim Zimmermann ist Anlaufstelle für Nachfragen nach Gartengrundstücken. „Seit einem Jahr steigt die Nachfrage nach Grundstücken zur Pacht oder zum Kauf gewaltig, aber ich muss alle enttäuschen“, so Zimmermann. Derzeit gebe es keine freien Stücke auf Sachsenheimer Gemarkung, im Gegenteil, viele Besitzer, die in den letzten Jahren ihren Besitz brachliegen ließen, reaktivierten ihn, konnte er beobachten.

Er sieht aber auch bei den Mitgliedern des Vereins derzeit eine zunehmende Aktivität. Der OGV Bönnigheim hatte einen Online-Vortrag zum Thema Hochbeet bauen angeboten, wozu auch die OGV Klein- und Großsachsenheim eingeladen hatten. Insgesamt 84 Teilnehmer waren zugeschaltet. „Wir haben Mitglieder, die bauen nun schon ihr zweites Hochbeet“, sagt Zimmermann. „Der Garten wurde während der Pandemie zu einem regelrechten Rettungsanker“, sagt er. Vor allem auch für Familien mit Kindern. „Die sind es vor allem, die ein Grundstück in freier Natur und Privatsphäre wollen und keinen Garten in einer Anlage, da die Kinder toben sollen, gegrillt wird und weniger auf ordnungsgemäßes Gärtnern geachtet wird“, sagt Zimmermann.

Auch Walter Zeyhle, Vorsitzender des Obst-, Garten- und Weinbauvereins Besigheim stellt eine größere Nachfrage nach Garten- oder Wiesengrundstücken fest. „Leider wollen die meisten das Stückle zum Spielen, Festen und Grillen. Mit der Pflege einer Streuobstwiese wollen viele nichts zu tun haben“, sagt er. Zeyhle und sein Verein kümmern sich vor allem um den Erhalt von Streuobstwiesen. Er sieht den Trend hin zum eigenen Garten auch schon vor der Corona-Pandemie. „Seit ungefähr fünf Jahren wollen viele jüngere Familien eine Wiese oder einen Garten, und die wollen sich dann auch um die Pflege kümmern und das Grundstück bewirtschaften und sind bei uns Mitglieder geworden“, sagt er.

In einer Kleingartenanlage, wie die „Unterer Park“ im Buch, die zum Großteil von den Siedler- und Gartenfreunden Buch betreiben wird, in der aber auch der Obst- und Gartenbauverein Bietigheim Mitglieder hat, ist genau der Wechsel in der Gartennutzung ein Problem, wie die Vorsitzende Traute Theurer sagt. „Heutzutage wollen Gartenbesitzer einen Swimmingpool, ein Trampolin, einen Whirlpool, eine Outdoor-Küche, einen großen Sandkasten und einen luxuriösen Grill im Garten, das ist den Kleingärtnern in den Anlagen ein Dorn im Auge“. Vor allem, wenn die Großfamilie zusammenkommt, störe dann auch der Lärm.

In Kleingartenanlagen sowie in Gärten, die im Landschaftsschutzgebiet liegen, sind diese Freizeitanlagen überhaupt nicht erlaubt, wie sie sagt. „Diese Gärten sollen zu einem Drittel bepflanzt sein, ein Drittel Obstbäume haben und zu einem Drittel Wiese“, sagt Theurer. Auch bei Streuobstwiesen sei die Umwandlung in einen Freitzeitgarten problematisch. Die Gartennutzung habe sich aber vor allem, wenn Familien mit Kindern Gartenbesitzer sind, total verändert. „Die Gärten sind keine Wirtschaftsgärten mehr, nur ganz wenige junge Familien wollen auch Gemüse anbauen“, so Theurer. 

Sie findet das schade. „Wir vom OGV bieten Samentüten für Kinder an, damit sie lernen, wie man sät und erntet“, sagt sie. Sie befürchtet aber auch, dass in Nach-Corona-Zeiten die Begeisterung für den Garten und seine Pflege wieder nachlasse und die Grundstücke dann verwildern. „Ein Garten ist immer auch Arbeit“, sagt sie denjenigen, die bei ihr nach einem Grundstück nachfragen. „Aber es gibt grade keine freien Stücke.“

 
 
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