Geburtstag in Hessigheim Mit 100 Jahren noch sehr aktiv

Von Susanne Yvette Walter
Mathilde Bayer feiert heute in ihrem Haus in Hessigheim ihren 100. Geburtstag. Foto: /Martin Kalb

Die Ur-Hessigheimerin Mathilde Bayer lebt noch immer im eigenen Haus und bekocht Kinder und Enkel. 

Mathilde Bayer ist ein Hessigheimer Urgestein. Auf den Tag genau vor 100 Jahren kommt sie in Hessigheim auf die Welt und lebt dort bis zum heutigen Tag. Wenn die rüstige Seniorin in der Ottmarsheimer Straße aus dem Fenster schaut – und das tut sie sehr gerne – fällt ihr Blick direkt auf das „Koreahaus“, dort, wo früher ihr Geburtshaus stand. Heute feiert sie mit ihren beiden Töchtern Ilse Haiber und Waltraud Beck, sechs Enkeln und 14 Urenkeln ihren 100. Geburtstag.

Ihre Heimatverbundenheit hat sie an ihre Nachkommen weitergegeben. Tochter Ilse Haiber lebt ebenfalls in Hessigheim, Waltraud Beck in Löchgau und Enkel Samuel Haiber kommt noch immer gerne zum Mittagessen zu seiner geliebten Oma. „Heute gibt es Blumenkohl, Salzkartoffeln und Pfannkuchen“, erzählt er und legt seinen Arm um seine unglaublich rüstige Großmutter. Auch die anderen Enkel besuchen sie gerne und zu den 14 Urenkeln hat das Familienoberhaupt einen engen Kontakt.

„Viel schaffen müssen“

Mit neun Jahren kam Mathilde Bayer in das Haus, in dem sie heute noch lebt. Alte Möbel umgeben sie. Das Sofa ist ein Erbstück von ihrer Mutter und deren Mann und wurde inzwischen neu aufgepolstert. Eine Bilderwand mit lachenden Enkeln und Urenkeln ziert die Wohnstube. Im Esszimmer steht eine lange Tafel – Mathilde Bayer hat eine große Familie. Mit neun Jahren schon hat sie Kinder anderer Leute betreut und sich damit ein bisschen Geld verdient. Die Jubilarin ist als Einzelkind die ersten Jahre beim Großvater aufgewachsen, bis ihre Mutter geheiratet hat. „Der Stiefvater war wie ein richtiger Vater für mich und ein guter Opa für meine Töchter“, erzählt sie. Später hat sie „viel schaffen müssen“, im Gasthaus Cantz in Hessigheim. Dort feiert die Familie, in Erinnerung an alte Zeiten, den Jubeltag von Mathilde Bayer, denn im Gasthaus Cantz hat sie sechs Jahre lang alles gelernt, was eine Frau damals können sollte: putzen, kochen, Gäste bedienen.

Die ganze Familie schwört auf den Marmorkuchen von Mathilde Bayer. „Der ist unschlagbar, und sie macht ihn aus dem Stegreif, ohne Rezept“, erzählt ihr Enkel Samuel Haiber. Auch beruflich sind manche Nachkommen in ihre Fußstapfen getreten. Ihre Enkelin Jeanette und deren Mann Michael Klingler führen heute das Rats-stüble in Besigheim.

Im Hessigheimer Kindergarten war Mathilde Bayer tätig, bevor 1948 ihre Tochter Ilse und 1952 ihre zweite Tochter Waltraud auf die Welt kamen. Ihr Mann, der aus dem Hohenlohischen stammt, hat als Gärtner gearbeitet und später in einem Betonwerk. Die Jubilarin gewann der Landwirtschaft zuhause, dem Schweinemästen und Gemüseanbau ihre schönen Seiten ab. „Früher sagte sie gern, dass sie mal gschwind in den Garten geht. Dann kam sie stundenlang nicht mehr hoch und hat sogar das Essenkochen vergessen“, erinnert sich Tochter Waltraud Beck. Heute hat die Nachbarin die Pflege des Gartens am Haus übernommen. „Da blühen jetzt die Winterlinge. Das ist ebbes Wunderbares“, freut sich Mathilde Bayer, die Blumen über alles liebt. „Wenn die Oma einen Ableger in die Erde steckt, dann wächst er. Sie hat einen grünen Daumen“, so Enkel Samuel Haiber.

Nachdenkliche Momente

Altersentsprechend geht es Mathilde Bayer sehr gut. Katzen leben bei ihr. Immer noch schmiegt sich eine graue Schönheit an ihre Beine. Trotzdem gibt es Momente, da wird Mathilde Bayer nachdenklich, wenn sie so aus dem Fenster schaut, das heute noch mit Topfpflanzen geschmückt ist. „Ich hätte meine Mutter damals fragen sollen, wer mein Vater war“, denkt sie laut. Und sie nimmt wahr, dass heute kaum noch jemand auf den Straßen Hessigheims zu Fuß unterwegs ist, den sie kennt. „Überhaupt sieht man viel seltener Menschen auf der Straße. Früher haben die Nachbarn miteinander abends geschwätzt. Da vermisse ich ganz arg“, sagt sie. Eine junge Frau mit Hund kam regelmäßig an ihrer Tür vorbei. „Irgendwann habe ich das Fenster aufgemacht. Seit diesem Tag winkt sie mir immer zu und wir unterhalten uns – auch über das, wie es früher war, in Hessigheim zu leben“, erklärt Mathilde Bayer. Sie kann als eine der letzten Zeitzeugen Hessigheims berichten, wie es hier war in der vermeintlich guten alten Zeit.

 
 
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