Gemeinderäte online: Übertragung von Sitzungen ist bisher noch die Ausnahme

Von Uwe Mollenkopf
Auch in Bietigheim-Bissingen werden die Ratssitzungen bislang nicht in die Wohnzimmer übertragen. Foto: Martin Kalb

In Ingersheim werden Ratssitzungen seit Ende 2020 digital übertragen. Die Erfahrungen sind gut. Woanders tut man sich damit noch schwer.

Wir wollen eine attraktive Möglichkeit anbieten, die Sitzungen zu verfolgen. Damit ist es möglich, Entscheidungen transparent nachzuvollziehen und auch die Aussagen der einzelnen Akteure zu sehen“, sagt Ingersheims Bürgermeisterin Simone Lehnert. Gemeint ist die Übertragung von Ratssitzungen per Livestream über Youtube, wie es erstmals bei Lehnerts Amtseinsetzung coronabedingt praktiziert worden war. Danach pausierte der Livestream, bis Ingersheim im November 2020 damit wieder fortfuhr.

Kein Speichern im Netz

Die Rathauschefin sieht sich durch die Resonanz bestätigt. „Je nach Thema und Tagesordnungspunkt hatten wir im vergangenen Jahr, beispielsweise als es um das Thema des Bebauungsplanes für ,In den Beeten II’ ging, bis über 100 Zugriffe.“ Sie will den Service daher auf jeden Fall fortführen.

Nach den Sitzungen sind die Mitschnitte im Netz allerdings nicht mehr abrufbar. Der Grund: „Der Livestream dient dazu, live an der Sitzung dabei zu sein. Als Ersatz für den Besuch der Sitzung. Ein anschließendes Veröffentlichen der Sitzung online würde einen ganz anderen Charakter erzeugen“, sagt Simone Lehnert. „Zudem glaube ich, dass es auch rechtlich gar nicht möglich wäre.“

Sind die Ingersheimer Sitzungsübertragungen ein Modell für andere Gemeinden? Derzeit eher nicht. „Es haben mich noch keine Anfragen anderer Kommunen hierzu erreicht“, sagt die Bürgermeisterin. Ihr sei auch nicht bekannt, ob es andere Kommunen gebe, die ebenfalls im Livestream die Sitzungen übertragen.

Im benachbarten Bietigheim-Bissingen hat man immerhin schon einen Anlauf unternommen – der aber scheiterte. „Bei einer internen Diskussion mit Vertretern des Gemeinderats gab es einige Gegenstimmen zu Livestreaming oder ähnlichen Formen der digitalen Ratssitzungen, weshalb eine Umsetzung bisher unterbleibt“, sagt Anette Hochmuth, die Sprecherin der Stadt. Denn: „Solange nicht alle Mitglieder des Gemeinderats dem zustimmen, überwiegt das Persönlichkeitsrecht und lässt eine digitale Sitzung nicht zu.“

In Sachsenheim war es bislang kein Thema, die Sitzung für die Öffentlichkeit online zu übertragen. Die Verwaltung sieht hier mehrere Faktoren, die dagegen sprechen. „Zum Übertragen eines Livestreams wären externe Dienstleister und eine weiterführende Kameratechnik nötig. Dies verursacht hohe Kosten“, erklärt Sprecherin Nicole Raichle.

Es habe eine vergleichbare Einrichtung bei der Vorstellungsrunde der Bürgermeisterkandidaten 2019 gegeben. Da bei den Sitzungen in Sachsenheim nicht mit einem Rednerpult, sondern mit einzelnen Mikrofonen an den Sitzplätzen der Räte gearbeitet werde, müsse sogar an einen Kameramann gedacht werden.

Probleme mit dem Datenschutz

Raichle sieht zudem Schwierigkeiten beim Datenschutz, da alle Ratsmitglieder, externe Fachleute, Verwaltungsmitarbeiter und Gäste ihr schriftliches Einverständnis geben müssten. „Gerade die Möglichkeit, im Nachhinein Mitschnitte der Sitzungen ins Netz zu stellen, erscheint uns kritisch.“ Hier müssten die Social Media-Kanäle überprüft werden, damit keine verzerrten Zusammenschnitte kursierten. Zudem habe man festgestellt, dass bei den bislang praktizierten Online-Sitzungen der Teufel der Technik oft im Detail sitze. „Wenn eine öffentliche Übertragung nicht reibungslos läuft, können hier auch rechtliche Konsequenzen nicht ausgeschlossen werden, wenn Interessierte dann auf einmal ausgeschlossen wären.“

Auch in Bönnigheim zieht man Liveübertragungen derzeit nicht in Betracht. Im Zusammenhang mit der Frage, ob der Gemeinderat coronabedingt in Präsenz oder online tagen solle, habe man darüber geredet, sagt Bürgermeister Albrecht Dautel. Von den Räten sei dies jedoch nicht gewollt worden. Hinzu komme, dass der Gemeinderat nicht immer am selben Ort tage. Man habe dafür auch noch keine technischen Voraussetzungen geschaffen, so der Bürgermeister.

Bislang keine Initiative

In der Kreisstadt Ludwigsburg muss ebenfalls zur Sitzung kommen, wer die Ratsdebatten mitverfolgen will. Bis jetzt habe es weder vom Gemeinderat noch von der Stadtverwaltung eine Initiative zur Einführung des Livestreamings gegeben, teilt Sprecherin Susanne Jenne mit. Während der Coronazeit sei man mit Hybrid- und Digitalsitzungen gut gefahren. „Für ein Livestreaming gibt es außerdem, was den Datenschutz betrifft, rechtlich hohe Hürden“, so Jenne. „So müssen alle Sitzungsanwesenden – also auch Besucherinnen und Besucher oder Mitglieder der Stadtverwaltung – mit der Übertragung einverstanden sein.“

 
 
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