Gemeinderat entscheidet sich für die Kürzung der Vereinsförderung Stadt fordert Solidarität von Vereinen

Von Rena Weiss
2019 konnte der TSV Bietigheim sein Waldfest noch veranstalten. Doch durch die Pandemie waren solche Feste, die auch für Einnahmen in der Vereinskasse sorgten, nicht mehr möglich. Neben den Einnahmen fallen nun auch städtische Förderungen weg. Foto: Martin Kalb

Einzig die CDU-Fraktion stimmte gegen die Kürzung der Sportvereinsförderung. Für die anderen Fraktionen sei Solidarität mit einer Stadt gefordert, die seit Langem wieder sparen muss.

Der Gemeinderat der Stadt Bietigheim-Bissingen hat am Dienstagabend beschlossen, die Richtlinien zur Vereinsförderung mit Ausnahme der Fördertatbestände Jugendförderung und Fahrtkostenzuschüsse im Sportbereich für das Haushaltsjahr 2021 auszusetzen. Einzig die CDU-Fraktion sowie Stadträtin Nicole Frölich stimmten diesem Beschluss nicht zu. Unterm Strich wurde die Förderung damit um 105 000 Euro im Vergleich zum Vorjahr reduziert. 2020 waren es 450 000 Euro, 2021 werden es 345 000 Euro sein, die immer noch den Sportvereinen zugutekommen.

Wie berichtet, war sich der Gemeinderat bereits in seiner Klausurtagung zur Haushaltskonsolidierung 2021 Ende Oktober einig, die als freiwillige Leistung jährlich gewährte Vereinsförderung für das Haushaltsjahr 2021 auszusetzen. Konsequenterweise war die CDU bereits damals nicht dafür gewesen. Fraktionsvorsitzender Thomas Wiesbauer erklärte auch am Dienstagabend, warum: Es gehe der Fraktion darum, dass die Stadt mit dieser Kürzung den Ehrenamtlichen die Anerkennung entziehe. „Es wird genau dort die beste Sozialarbeit der Stadt geleistet“, sprach Wiesbauer die Vereinsarbeit an, „das können wir als Stadt mit Geld nie leisten, was hier an Jugend- und Sozialarbeit auf freiwilliger Basis geleistet wird.“ Schon jetzt werden die Forderungen nach mehr Polizei und Videoüberwachung lauter, so Wiesbauer, wenn sich Jugendliche und Heranwachsende immer mehr auf den Straßen aufhalten. Dass auch die Stadt hierauf reagiere, zeigen die Alkoholverbote in diversen Stadtgebieten. Fehlende Vereinsarbeit fördere dies nur noch.

„Ein Schlag ins Gesicht“

„Jeder Euro, der entzogen wird, ist wie ein Schlag ins Gesicht der Ehrenamtlichen“, wie frustrierend und demotivierend müsse die Vorlage für die Vereine sein, ergänzte Wiesbauer. Schon 100 Euro seien für manche Vereine der Todesstoß. Es sei somit genau das falsche Zeichen und die Stadt sollte eher ein positives Signal senden. „In manchen Städten wird über eine Erhöhung und über Corona-Zuschüsse diskutiert.“ Eine der reichsten Städte Baden-Württembergs setze nun den Rotstift bei den Vereinen an – das wolle die CDU nicht akzeptieren. Wiesbauer geht noch weiter: „Jeder, der an eine soziale Verantwortung unserer Vereine glaubt, könne sicherlich auch nicht zustimmen.“

SPD-Stadtrat und Erster Vorsitzender des TSV Bietigheim, Günter Krähling ließ es sich ebenfalls nicht nehmen, die Kürzungen zu kommentieren: „Das Vereinsleben in Bietigheim-Bissingen ist in Gefahr, insbesondere die Sportvereine müssen dichtmachen, weil die Vereinsförderung im Haushalt 2021 gekürzt werden soll“, sagte Günter Krähling, SPD-Stadtrat, fügte jedoch hinzu, „wenn sie diese Aussage von mir erwarten, dann muss ich sie enttäuschen.“ Vielleicht sei es populärer, wenn er gegen die Kürzung der Vereinsförderung wäre, doch das Wichtigste, was wir dieser Tage brauchen, sei Solidarität. Ob diese Solidarität wirklich für die Finanzierung der städtischen Aufgaben nötig sei, könne diskutiert werden. „Aber, so wie die Vereine von ihren Mitgliedern Solidarität erbitten und bekommen, so sollen sie auch solidarisch mit unserer Stadt sein.“

Krähling ging zudem näher darauf ein, wie sich die Kürzungen letztlich auswirken, um Verständnis für die Entscheidung des Gemeinderats zu schaffen. „Für jeden Verein entfällt die Grundförderung in Höhe von 100 Euro. Wenn das der Todesstoß für Vereine ist, dann lief schon vorher etwas schief“, bezog er sich auf Wiesbauers Aussage. Für Vereine, die zu überregionalen Meisterschaften fahren, bleibe die volle Fahrtkostenerstattung für Kinder und Jugendliche erhalten. Bei der wichtigen Jugendarbeit, so Krähling, komme es in Summe also nicht zu Kürzungen. Bei den Erwachsenen werde ebenfalls eine Fahrtkostenerstattung bezahlt werden, allerdings nicht in vollem Umfang (die BZ berichtete). „Wie sich dies genau auswirkt, werden wir im Laufe des Jahres sehen, wenn hoffentlich der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann.“

Die Kürzungen bewegen sich im selben Bereich wie bereits in der Finanzkrise 2010, erinnert der SPD-Stadtrat. Auch hier musste die Stadt sparen und die Vereine trugen dies mit. „Ein wesentlicher Unterschied besteht aber doch: Die Finanzkrise hat die Vereine nicht daran gehindert, über Feste und Veranstaltungen zusätzliche Einnahmen zu generieren.“ Dies ist durch die Pandemie nicht mehr möglich. Daher werde die Situation der Vereine genau beobachtet, sodass im Einzelfall eingegriffen werden könne. „Die Vereine, egal ob Kultur oder Sport treibend, sind für das soziale Miteinander und die Sozialisierung von Kindern und Jugendlichen ungeheuerlich wichtig.“ Es sind diese Vereine und ihre Mitglieder, die wissen, wie Solidarität geht“ so Günter Krähling. „Sie erwarten, wenn Gemeinschaft wieder möglich wird, nicht als freiwillige Lebenserhaltung gesehen zu werden, sondern bei der Wiederaufnahme ihrer Aktivitäten großzügig und unbürokratisch behandelt zu werden“, fügte er jedoch hinzu.

Nötige Maßnahmen

Auch die GAL-Fraktion stimmte der Vorlage zu und Stadtrat Attila Tür begründete dies ebenfalls mit Solidarität gegenüber der Stadt. „Die aktuelle Lage erfordert Solidarität aller Bevölkerungsteile in der Stadt.“ Fairness sei im Sport ein hohes Gut, die Vereine leisten mit der Kürzung einen sehr fairen Beitrag. „Die temporären Kürzungen sind Teil eines dringend notwendigen Maßnahmenpakets, das wir bereits im Oktober gemeinsam beschlossen haben.“ Das sei nötig gewesen, um die Genehmigung des Regierungspräsidiums für den Haushaltsplan zu erhalten. Tür: „Wir sind Sport- und Kulturstadt, auch wegen des warmen Dauerregens den Staat und städtische Töchter auf uns herunter regnen lassen haben und an den wir uns gewöhnt haben.“ Selbstverständlich sei dies jedoch nicht.

Ute Epple, FW-Fraktionsvorsitzende, wollte eigentlich nichts zu diesem Tagesordnungspunkt sagen, doch aufgrund Thomas Wiesbauers Rede dränge es sie doch dazu: „Wir versagen den Vereinen auf gar keinen Fall die Anerkennung ihrer Arbeit, wenn wir sie heute um Solidarität bitten. Wir danken den Vereinen sehr herzlich, dass sie bereit sind, das solidarisch mitzutragen und für ihr großes Engagement“, sagte Epple, „das sollte unsere Haltung sein.“

Oberbürgermeister Jürgen Kessing versicherte indes: „Bei allen Dingen, die wir den Vereinen zumuten, wir haben in der Vergangenheit Vereine, die unverschuldet in Not geraten sind, geholfen und das können wir auch für die Zukunft so feststellen.“ Es seien immer Lösungen gefunden worden. „Nach der Krise müssen wir jedoch die Vereinsstrukturen, Vereinsmöglichkeiten und Fördermöglichkeiten auf den Prüfstand stellen, damit wir die Vereine auch krisenfest machen können“, erklärte Kessing. Das jedoch, sei eine bundesweite Aufgabe. Er sprach dabei das Problem an, dass Vereine keine Rücklagen bilden dürfen, die besonders in solchen Zeiten helfen würden. „Die Grundaktivität einer Vereinstätigkeit sollte ein Verein aus eigener Kraft stemmen können, mit eigenen Einnahmen.“ Er fügte hinzu, dass mit der Kürzung die Förderung nicht auf Null gesetzt werde, sondern fahre die Stadt „von einem sehr, sehr hohen Level ein bisschen runter.“

 
 
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