In Ingersheim wurde nach dem Bekanntwerden des geplanten Übergangs der Sozialstation an die Evangelische Heimstiftung (EHS) vieles vermutet, falsch kolportiert und auch Böses geäußert. Mit einer halbstündigen Erklärung ging Bürgermeisterin Simone Lehnert in der jüngsten Ratssitzung deshalb nochmals auf die Rahmenbedingungen und Gründe für den geplanten Übergang ein, der Gemeinderat wird nun frühestens im April einen entsprechenden Beschluss fassen. Der Betriebsübergang werde auf einem Silbertablett serviert, zeigte sich Lehnert in der Sitzung überzeugt.
Gemeinderat Ingersheim „Betriebsübergang auf dem Silbertablett“
Im Gemeinderat stand das Thema Sozialstation auf der Tagesordnung. Vieles wurde diesbezüglich zurechtgerückt.
In erster Linie finanzielle Gründe
Wie in der BZ berichtet, sind es in erster Linie finanzielle Gründe, die die Gemeinde zur Übergabe der Sozialstation an die EHS zwingen. So hat die Verwaltung den Abmangel der letzten Jahre zurück bis 2015 aufgelistet. Dieser beträgt pro Jahr in der Regel immer weit über 100.000 Euro. Im Jahr 2020 gar bei 337.600 Euro, 2023 sind es 265.700 Euro. Knackpunkt sind die intern erbrachten Leistungen der Gemeindeverwaltung für die Sozialstation, die einst von Bürgermeister Volker Godel ins Leben gerufen und mit einem hohen Arbeitsaufwand betrieben werden musste. Daran hat sich nichts geändert.
Bürgermeisterin Lehnert wies darauf hin, dass die Gemeinde die Sozialstation als rein freiwillige Aufgabe betreibe. Die meisten Kommunen hätten gar keine kommunale Sozialstation, diese Aufgaben würden in der Regel über eine Diakonie oder andere Organisationsstrukturen geführt.
In Ingersheim könne man Themen wie etwa Arbeitszeiten oder Arbeitsschutz gar nicht abarbeiten, wie dies in einer professionell geführten Einrichtung notwendig wäre. Deshalb, so Lehnert, befinde sich die Gemeinde öfters in einer rechtlichen Grauzone, auch weil man aufgrund der dünnen Personaldecke immer wieder an Grenzen stoße.
Im Gemeinderat hat man dem schon im September einen Riegel vorgeschoben und einem Interimsmanagement bis zur endgültigen Übergabe zugestimmt. Das Ziel: Ingersheim soll es ermöglicht werden, das jährliche sechsstellige Defizit der Sozialstation im Gemeindehaushalt endgültig zu beenden. Der Beschluss fiel einstimmig, wie Jürgen Fleischmann (FW) betonte, was immer seltener vorkomme.
Defizit wird erwartet
Wie eng die Finanzen sind, machte die Bürgermeisterin in einem kleinen Ausblick auf den Haushalt deutlich, der im Februar eingebracht wird. Obwohl man seit über vier Jahren Haushaltskonsolidierung neue Gebührenkalkulationen, neue Satzungen und neue Anpassungen abgearbeitet habe, rechnet man in der Kämmerei für den Haushalt 2025 im laufenden Betrieb mit einem Defizit von mehr als zwei Millionen Euro. Fazit: In diesem finanziellen Umfeld ist die Ingersheimer Sozialstation langfristig nicht überlebensfähig.
In die Sitzung waren auch Natalie Meinert und Martin Schäfer, beide Geschäftsführer der EHS, sowie Lena Luff, Pflegedienstleiterin der Sozialstation, eingeladen, die Rede und Antwort standen. Luff räumte mit den Gerüchten auf, die Ingersheimer Sozialstation sei über die Ortsgrenzen hinaus aktiv, „dies gibt der Rahmenvertrag gar nicht her.“
Meinert und Schäfer betonten, man habe auch keine Touren zusammengelegt, nach einer Kontrolle des Medizinischen Dienstes habe man lediglich Touren angepasst. Ziel sei es, noch mehr Touren anzubieten, so Meinert, die im Zuge des Interimsmanagements als Geschäftsführerin der EHS die organisatorischen Abläufe in der Sozialstation steuert. Derzeit müsse man zwar auf Leiharbeitsfirmen zurückgreifen, angestrebt werde aber eine Erhöhung des Personalstandes.
Keine Nachteile für Beteiligte
Mehrmals betont wurde auch, dass sich durch den Betriebsübergang zur EHS für Mitarbeitende als auch für Patienten nichts ändert, keiner werde schlechter gestellt. Gemeinderat Jürgen Fleischmann richtete deshalb einen Appell an die Mitarbeitenden der Sozialstation, zum Wohle der Gemeinde dabeizubleiben. Thorsten Majer von der SPD sagte, von dem Betriebsübergang profitiere die Gemeinde, die Sozialstation sei finanziell nicht mehr leistbar. Man hätte im Vorfeld der Interimslösung auch nur zustimmen können, weil alle Bedingungen für Mitarbeitende und Patienten der Sozialstation gleichbleiben. Für etwas anderes würde es keine Anhaltspunkte geben.