Gemeinderat Sachsenheim tagt erstmals online Hände hoch, Hände runter

Von Mathias Schmid
Bürgermeister Holger Albrich nimmt bei der ersten digitalen Gemeinderatssitzung in Sachsenheim im Turmzimmer des Kulturhauses Platz. Die Stadträte sind auf der Leinwand zugeschaltet. ⇥ Foto: Martin Kalb

Mit kleineren technischen Schwierigkeiten hat die Stadt ihre Feuertaufe für die erste digitale Gemeinderatssitzung bestanden.

Die Uhr zeigte 18.52, als die Übertragung in den eigentlichen Sitzungssaal des Kulturzentrums in Großsachsenheim stand. Mit diesen 22 Minuten Verspätung verkündete Bürgermeister Holger Albrich zum Start der ersten digital abgehaltenen Gemeinderatssitzung am vergangenen Donnerstag: „Es ist ein Novum in 526 Jahren Stadtgeschichte.“ Es hakte noch an der einen oder anderen Stelle. Doch fürs erste Mal klappte doch auch vieles.

Die Stadträte hatten sich zu Hause vor den Bildschirmen eingefunden, Bürgermeister Holger Albrich vom Turmzimmer des Kulturhauses in Großsachsenheim. Und eigentlich schien alles zu funktionieren. Doch im eigentlichen Sitzungssaal des Kulturhauses kam kein Ton an. Nicht, dass es jemand außer der Presse gestört hätte. Denn Zuschauer war kein einziger da. Dennoch: Die Öffentlichkeit musste hergestellt sein. Dazu ist die Stadt verpflichtet. So steht es auch im Beschluss, den der Gemeinderat zu digitalen Sitzungen im November gefasst hatte.

Rückzug per Telefon

Als dann endlich alles lief, lief doch nicht alles. Denn einzelne Stadträte wurden noch vermisst: Gert-Wilhelm Bechtle (SPD), so vermeldete seine Fraktionschefin zu Beginn Helga Niehues, hänge gerade am Telefon mit ihrem Mann, habe technische Probleme. Die hatten auch die beiden Mitglieder der FDP-Gruppierung. Eine knappe Dreiviertelstunde nach dem eigentlichen Sitzungsbeginn war dann auch dieses Problem geklärt.

Und das gerade, als sie erklären sollten, warum sie Sachsenheim eine Haushaltssperre auferlegen wollten. Thomas Wörner (GLS) verkündete schließlich, die beiden haben den Antrag telefonisch bei ihm zurückgezogen. Und pünktlich zur Abstimmung über den Haushalt waren die beiden dann auch wieder da und konnten ihre virtuelle Hand heben, um gegen den Entwurf der Stadt zu stimmen.

Apropos virtuelle Hände: Die können im verwendeten Video-Dienst Webex verwendet werden, um beispielsweise für oder gegen etwas zu stimmen. Dem einen oder anderen war das dann doch zu digital. So wurde zunächst teilweise noch per realem Handheben abgestimmt. Das machte das Zählen der Stimmen nicht einfacher. Doch bei Tagesordnungspunkt 3 hatte auch dieses Prinzip jeder verstanden. Wobei: Hand hoch bedeutet nach getaner Abgabe der Stimme auch immer Hand runter. Auch das erwies sich als nicht so einfach wie in echt. Es entwickelte sich sogar ein Spiel daraus: Jeder, der die Hand vergisst, sollte in eine virtuelle Kasse einzahlen.

All das trug nicht gerade zu einer konzentrierten Sitzung bei und erinnerte zwischenzeitlich eher an die Stimmung, die die Stadträte mit ihren animierten Hintergrundbildern von Palmenstränden und aus dem Weltall verbreiteten. Zeitweise drohte sich auch eine parallele schriftliche Diskussion im begleitenden Chat anzubahnen. Bürgermeister Albrich versuchte, den Überblick zu behalten.

Um 21.18 Uhr war es geschafft. Mit knappen dreieinhalb Stunden eine überdurchschnittlich lange Sitzung, wenn man die anfängliche Verzögerung noch hinzuzählt, ohnehin – 2020 lag die durchschnittliche Dauer bei zwei Stunden und 40 Minuten. Und dabei hatten sich die Fraktionen schon darauf geeinigt, ihre Stellungnahmen zum Haushalt nicht vorzulesen. Ein Indiz dafür, dass online nicht alles unbedingt schneller geht.

Online-Sitzungen in Gemeinderat und Co.

Seit Mai 2020 erlaubt Paragraf 37a in der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg Sitzungen ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder. Ändern die Kommunen ihre Hauptsatzung, können sie beispielsweise Gemeinderats- oder Ausschusssitzungen per Video-Chat durchführen. Es muss eine zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton in einen öffentlichen Raum erfolgen, sodass die Bürger (auch ohne Internet) teilnehmen können.

Im Regelfall darf eine Online-Sitzung nur dann stattfinden, wenn Gegenstände einfacher Art besprochen werden. Ansonsten müssen schwerwiegende Gründe, wie aktuell eine Pandemie, vorliegen.

 
 
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