Geschichte Frische Weckle am Sonntag

Von Martin Hein
Schlangestehen war vor 25 Jahren angesagt. Das Angebot der Bäckerei Klein wurde am Sonntag, 29. Oktober 1995, gerne in Anspruch genommen.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Vor 25 Jahren verkaufte der Bietigheimer Bäcker Peter Klein erstmals sonntags Brötchen – mit überwältigender Resonanz.

Was war das für ein Politikum, als Bäcker Peter Klein vor 25 Jahren, am 28. Oktober 1995, in unserer Zeitung ankündigte, dass er seine Filialen im Buch und in Tamm am Sonntag, 29. Oktober, öffnen und frische Brötchen verkaufen wolle.

Stand Oktober 1995 war dies sehr umstritten. Vor 25 Jahren war gemäß einer Bekanntmachung über die Bereitung von Backwaren des Bundesrates vom Januar 1915 nach wie vor das Backen in der Zeit von 7 Uhr abends bis 7 Uhr morgens verboten. Umgangssprachlich hieß das Nachtbackverbot. 1995 machten zunehmend Tankstellen den Bäckern das Leben schwer.

Damals waren an Tankstellen ofenfrische Brötchen auch sonntags erhältlich. Dies wurde durch einen sprachlichen „Klimmzug“ umgangen. Wenn Teiglinge aus dem Gefrierschrank in den Herd geschoben werden, nannte man diesen Vorgang nicht Backen – denn das tun nur die Bäcker –, sondern Bräunen. Und das war dem Gesetz nach erlaubt. „Dem Handwerk gehen dadurch Marktanteile und letztlich Arbeitsplätze verloren“, befürchtete Peter Klein, und entschloss sich deshalb, am Sonntag, 29. Oktober 1995, frische Brötchen im Buch und in seiner Filiale in Tamm zu verkaufen.

Bundesweit wagten sich bereits im Juni 1995 einige Bäckereien vor. So verkauften beispielsweise einige Bäckereien in Hamburg, München und Stuttgart sonntags Brötchen. Die zuständigen Behörden drückten beide Augen zu.

Die Resonanz auf die sonntägliche Backaktion der Bietigheimer Bäckerei Klein war riesig. Vor der Bäckerei am Hans-Kudlich-Platz im Buch sowie vor der Filiale in Tamm standen die Kunden Schlagen. „Unsere Erwartungen wurden bei weitem übertroffen, wir sind gewaltig ins Schwimmen gekommen“, berichtete ein erschöpfter Bäcker Klein nach der gelungenen Premiere.

Im Oktober 1995 zeichnete sich zwar eine Lockerung des Nachtbackverbots ab. Das staatliche Gewerbeamt drohte jedoch dem Bietigheimer Bäcker Mitte November 1995 bei einem weiteren Verstoß gegen das sonntägliche Backverbot ein Zwangsgeld in Höhe von 5000 D-Mark an.

Das Thema landete zwischenzeitlich vor dem Petitionsausschluss. Dem Bietigheimer Bäcker teilte das Gewerbeaufsichtsamt am 24. November ein sogenanntes Stillhalteabkommen mit. Dies ermöglichte Klein den erneuten Sonntagsverkauf am 26. November und 3. Dezember 1995. Am 28. Februar 1996 beschloss der Petitionsausschuss schließlich, die Landesregierung darum zu bitten, in Zukunft die Herstellung und den Verkauf von Backwaren nicht in einem Gesetz, sondern getrennt zu behandeln.

Mit der darauf folgenden Änderung des Ladenschlussgesetzes zum 1. November 1996 wurde das Nachtbackverbot schließlich aufgehoben. Die Bäckerei Peter Klein geriet 2008 in finanzielle Schwierigkeiten und musste den Geschäftsbetrieb im Oktober 2008 einstellen.

 
 
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