Geschichte Heimatliebe über den Tod hinaus

Von Martin Hein
Die Beisetzung von Julius Marx am 21. Oktober 1970, war die letzte Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Freudental.⇥ Foto: BZ-Archiv/ad

Vor 50 Jahren wurde der Schriftsteller Julius Marx beigesetzt. Marx traf in seinem Leben viele Prominente. Seine Beisetzung war zugleich auch die letzte auf dem jüdischen Friedhof in Freudental.

Oktober 1970 wurde der Kaufmann und Schriftsteller Julius Marx nach jüdischem Ritus in Freudental beigesetzt. Dies war zugleich die letzte Beisetzung auf dem dortigen jüdischen Friedhof. Julius Marx traf in seinem Leben viele Personen der Zeitgeschichte. Zeitlebens blieb er seinem Heimatdorf verbunden.

Marx wurde am 27. Februar 1888 in Freudental geboren. Nach der Volksschule besuchte Marx das Gymnasium in Heilbronn. Dort lernte er Theodor Heuss kennen, zu dem er eine lebenslange Freundschaft pflegte. Die Eltern von Julius Marx waren im Textil- und Lederhandel tätig und sind von Freudental in die Schweiz gezogen. Julius Marx nahm als Angehöriger eines württembergischen Regiments am Ersten Weltkrieg teil. Er wurde mehrfach verwundet und erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter das Eiserne Kreuz, die württembergische Militärverdienstmedaille und das Ritterkreuz des Friedrich-Ordens.

Antisemitismus in der Armee

Marx, der im Juli 1917 zum Leutnant befördert wurde, spürte einen im deutschen Offizierskorps vorherrschenden Antisemitismus und haderte damit, dass deutsche Soldaten jüdischen Glaubens in der kaiserlichen Armee nicht so akzeptiert wurden wie nichtjüdische Soldaten. Diese Ereignisse arbeitete er später in einem Buch auf. 1918 wurde er bei Kampfhandlungen an der Somme schwer verwundet und erlebte das Kriegsende in einem Lazarett.

Nach dem Ersten Weltkrieg gründete Marx in Stuttgart eine Fabrik für elektrische Autozubehörteile. Die gutgehende Firma hatte nach kurzer Zeit bereits mehrere hundert Mitarbeiter und Angestellte und produzierte unter anderem den ersten patentierten Autowinker. Etwa um 1930 begann Marx seine Kriegserlebnisse schriftstellerisch aufzuarbeiten. Der Schriftsteller Erich Maria Remarque (Im Westen nichts Neues) hatte ihn dazu ermuntert.

Offensichtlich bemerkte Julius Marx früh, dass das Klima für jüdische Mitbürger im Deutschen Reich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunehmend schwieriger und gefährlicher wurde. 1935 gab er seinen bis dahin gut gehenden Handel mit Autozubehörteilen in Stuttgart auf und zog nach Zürich. 1939 veröffentlichte Julius Marx in der Schweiz sein inzwischen vollendetes „Kriegstagebuch eines Juden“.

Während des Zweiten Weltkriegs spielte Marx den Engländern amtliche Geheimnisse zu, die, wie der Spiegel später schrieb, teilweise wohl nur bedingt von Nutzen waren, wie etwa der Hinweis auf die Syphilis-Erkrankung von Eva Braun und Adolf Hitler.

Marx fühlte sich Schriftstellern und Künstlern eng verbunden und unterhielt viele Kontakte, beispielsweise zu Lion Feuchtwanger, Carl Laemmle und Thomas Mann. Marx selbst veröffentlichte Kurzgeschichten und Gedichte, die in vielen Zeitungen abgedruckt wurden. Er gründete den Filmverlag „Thema“ und verkaufte bearbeitete Romane von Thomas Mann an die amerikanische Filmproduktions- und Filmverleihgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer. Nach dem Krieg veröffentlichte Marx einige Gedichtbände. In Anerkennung seiner Verdienste wurde Julius Marx anlässlich seines 80. Geburtstages das Verdienstkreuz zum Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. 1970 veröffentlichte Marx im Bertelsmann-Verlag das Buch „Georg Kaiser, ich und die anderen“. In diesem Buch arbeitete Marx unter anderem seine Begegnungen mit den Schriftstellern Georg Kaiser, Erich Maria Remarque, dem Komponisten Richard Strauss und dem Regisseur Erwin Piscator auf. Der Spiegel schrieb im Juli 1970 über dieses Buch: „Die Berühmtheiten sind so postiert, dass sie den Memoirenschreiber Marx niemals in den Schatten drängen“. Marx charakterisierte darin Erich Maria Remarque mit den Worten: „Er war blaß, ein wenig scheu, eigentlich eine uninteressante Erscheinung“, „Richard Strauss drischt feurig Skat und dirigiert zerstreut“, bemerkte Marx im selben Werk.

Bestattung im Geburtsort

Julius Marx verstarb wenige Monate später, nach längerer Krankheit am 17. Oktober 1970 im Alter von 83 Jahren. Seinem Wunsch entsprechend fand die Beisetzung auf dem jüdischen Friedhof in seinem Geburtsort Freudental nach jüdischem Ritus statt.

Der damalige Bürgermeister Hartmut Singer würdigte die Verdienste des Verstorbenen in einer kurzen Ansprache. Wie es sich der Verstorbene gewünscht hatte, wurde von einem Vertreter der Berliner Bildenden Akademie der Künste sein dem Heimatort Freudental gewidmetes Gedicht „Oh du mein kleines Dorf“ verlesen. Anschließend bedeckte ein Rabbiner den Sarg mit Erde. Ein hebräisches Schlussgebet beendete die letzte Trauerfeier auf dem jüdischen Friedhof in Freudental. Die Schlusszeile seines Gedichtes „O du, mein kleines Dorf“ steht auf dem Grabstein von Julius Marx und dokumentiert seine Heimatverbundenheit zu Freudental bis zum heutigen Tag.

Info Auf dem jüdischen Friedhof in Freudental stehen 435 Grabsteine. Der Friedhof ist ein geschütztes Kulturdenkmal. 2007 beschädigten und beschmierten Unbekannte einige Grabsteine mutwillig.

 
 
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