Bönnigheimer Ganerbenblätter Viel historischer Lesestoff

Von Tabita Prochnau
In einer Doppelausgabe 2018/19 sind kurz vor Jahresende die neuen Ganerbenblätter von der Historischen Gesellschaft veröffentlicht worden.⇥ Foto: Jürgen Kunz

In einer Doppelausgabe 2018/2019 hat die Historische Gesellschaft die Ganerbenblätter des 41. und 42. Jahrgangs herausgegeben.

Ein Schuss, der nach hinten losgeht, falsche Verdächtige, eine kindsmörderische Tante und ein blutiger Selbstmord. Dazu eine furchtbar fruchtbare Frau und ein alter Mann, der auf der Suche nach einer großen Menge Geld ist. Was klingt wie ein kurioser Krimi, sind in Wirklichkeit Ausschnitte aus der Geschichte Bönnigheims, festgehalten in der aktuellen Doppelausgabe 2018/19 der Ganerbenblätter der Historischen Gesellschaft Bönnigheim, die zum Jahresende erschienen sind.

In dem 116 Seiten starken Heft ist unter anderem ein Text von Ann Marie Ackermann enthalten, die den Mord am Bönnigheimer Schultes Johann Heinrich Rieber aufgearbeitet hat. „Liebe am Rand eines Mordes oder wie Christian Wachter seinen Daumen verlor“ liefert eine pikante Hintergrundgeschichte zu dem Bönnigheimer Bürgermeistermord, den sie in zwei veröffentlichten Büchern (in Englisch und in Deutsch) akribisch recherchierte.

Falsche Pistolenladung reißt linken Daumen ab

In der Hintergrundgeschichte zum Bürgermeistermord berichtet Ackermann von zwei jungen Männern, die mit Pistolen bewaffnet in der Nacht vom 21. Oktober 1835 auf den Kirchhof schlichen. Ihr Ziel war das Haus der „wunderschönen Katharine Mayer“, die gerade aus Stuttgart zu Besuch bei ihren Eltern war. Da Christian Wachter heimlich in sie verliebt war, wollte er die Chance nutzen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Gemeinsam mit seinem Freund Philipp Häberle plante er, die Pistolen unter Katharines Schlafzimmerfenster abzufeuern, damit diese ihr Fenster öffnet und mit ihnen redet. Der Plan scheiterte, als Wachters Pistole beim Schuss aufgrund einer falschen Ladung explodierte und dadurch sein linker Daumen abgerissen wurde. Die beiden Männer rannten daraufhin zum Bönnigheimer Stadtchirurg, um medizinische Hilfe zu bekommen.

Auf dem Weg hörten die beiden noch einen Schuss. Jemand hatte den Stadtschultheiß Rieber auf dem Hof vor dem Kavaliersbau in den Rücken geschossen. 30 Stunden später starb dieser. Vermutlich aus Panik hatten die beiden einen Umweg zum Stadtchirurg gewählt, unglücklicherweise in die Nähe des Tatorts. Damit wurden die beiden unschuldigen jungen Männer zu den ersten Verdächtigen im Mordfall Rieber.

Der Apotheker und Stadtrat, Georg Adam Michael Völter, suchte nach einer Vernehmung Wachters den Kirchhof ab und fand acht Teile einer Pistole mit Blutspuren sowie einige Teiler eines Fingers samt Fingerkuppe und Fingernagel, die er dem Oberamtsrichter Hammer übergab. Durch diesen Fund wurde die Aussage Wachters für glaubwürdig erklärt. Wachter sei mit einem verlorenen Daumen nicht in der Lage gewesen, noch einmal zu schießen. Zudem wolle kein vernünftiger Täter direkt vor einem Mord Aufmerksamkeit auf sich lenken, indem er aus Spaß und einer Frau zu Ehre schieße.

Letztlich ließ Oberamtsrichter Eduard Hammer die beiden Männer laufen. Wachters Ehrenschuss und Verletzung schienen auf Katharine jedoch keinen bleibenden Eindruck gemacht zu haben. Diese heiratete am 13. Februar 1840 den Bönnigheimer Christoph Friedrich Kohler, ein Küfermeister und Witwer. Christian Wachter dagegen heiratete am 8. Juni 1841 Christiane Rösche aus Hohenstein. Das Paar bekam elf Kinder, von denen nur zwei das Erwachsenenalter erreichten.

Zwei schockierende Todesfälle im 18. Jahrhundert

Ein Bericht von Otfried Kies über die Bönnigheimer Begräbniskultur im 16. bis 18. Jahrhundert zeigt zwei besonders schockierende Fälle. Im Allgemeinen war es bei unnatürlichen oder ungeklärten Todesfällen üblich, einen separierten Ort auf dem Kirchhof, den „locus separatus“, als Bestattungsort auszuwählen.

Nichts anderes geschah, als sich eine Frau 1733 aus Schwermut selbst tötete. Nachdem sie dreimal in 24 Stunden zuvor „die Hand an sich selber gelegt, und mit einem Meßer die Gurgel halb entzwey geschnitten hatte“, verschied Barbara Fugmann, geborene Schmidt am 8. Februar 1733. Etliche Tage vor der Tat habe man „eine Melancholie bey derselben“ bemerkt und ließ sie aus diesem Grund zur Ader. Man entschied sich, sie nicht weiter zu hüten und ließ sie anschließend in ihre Stubenkammer gehen. Ein Fehler, wie sich sogleich herausstellte: „alß man Ihr in wenigen Minuten nachgieng, lag sie schon in ihrem Blute ohne Sinnen“.

Grund für den Freitod war die Verlobung ihrer einzigen Tochter, die sie „ihrem Düncken nach nicht wohl von sich laßen könnte“. Dies hatte zu Folge, dass man ihr drohte, die Verlobungsgeschenke aufzuheben. Als man aber die Mutter „im Blute“ fand, eröffnete der Verlobte der Tochter daraufhin, dass bei so veränderten Umständen die Ehe nicht vollzogen werden könne. Die Verlobung wurde vor dem Ehegericht aufgelöst, die Sponsalien schließlich doch aufgehoben.

Ähnlich wurde bei einem weiteren überlieferten Fall verfahren, über den Pfarrer Kausler 1766 berichtete. Am 20. Januar 1766 „geschahe hier der Casus Tragicus“, als eine Maria Catharina Wolfin „ein Töchterlein ohne Beyseyn einer Hebamme oder irgendeine anderen Person“, zur Welt gebracht hatte. Als die Hebamme herbei kam, holte die ältere Schwester der frisch gewordenen Mutter, Eva Catharina Wolfin, das Kind aus dem Geschirrschrank. In Lumpen eingewickelt, wurde die Tochter tot geborgen. Im Sterberegister heißt es dann, dass die Tante des Kindes „nach langem hartnäckigem Leugnen“ doch noch zugab, das uneheliche Kind ihrer Schwester „an den Kasten der Stube nach der Geburt geschlagen“ zu haben. Da es nach diesem Schlag nicht gestorben war, schüttete sie entgegen dem Protest ihrer Schwester „einen Hafen mit kaltem Wasser über das in dem Kübel liegende Kind“ und ermordete es dadurch.

Am 22. April wurde die Mörderin „vor einer Menge einiger 1000 Zuschauer mit dem Schwerdt vom Leben zum Tod gebracht“. In seiner anschließenden Rede, hoffte Pfarrer Kausler, Gott möge „alle dergleichen betrübte Fälle von hiesiger Statt in Gnaden“ abwenden. Und wenn nach mehr als 100 Jahren keine ähnliche „Execution und Casus tragicus“ geschehen ward, so „lasse Er auch die späteste Nachkommen Bönnigheims nichts von dergleichen Jammer empfinden, den wir über diesen Fall gemeinschaftl: gefühlet haben“, so der Pfarrer.

Info Die Ganerbenblätter des 41./42. Jahrgangs 2018/2019 sind im Schwäbischen Schnapsmuseum, Meiereihof 7, erhältlich.

 
 
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