Geschichtsverein Besigheim Große Dichte an Gaststätten um 1900

Von Gabriele Szczegulski
Erwin Ruff (vorne) schrieb für den Geschichtsverein (von links Vorstand Michael Aumüller, Hans-Jürgen Groß und Ursula Herbst) die 40. Besigheimer Geschichtsblätter über Wirtschaften. Foto: /Martin Kalb

Der Bietigheimer Erwin Ruff beschreibt in den Geschichtsblättern Nummer 40 die „Besigheimer Schild- und Schankwirtschaften im Wandel der Zeit“. 

Insgesamt 23 Wirtschaften gab es im Jahr 1905 in Besigheim. Das war der Höhepunkt in der Gastwirtschaftsgeschichte. Im Verlauf der letzten Jahrhunderte wurden in Besigheim in etwa 70 verschiedenen Häusern Schild- und Schankwirtschaften betrieben. Das hat Autor Erwin Ruff herausgefunden und eine Karte mit allen diesen Häusern zusammengestellt. „Besigheimer Schild- und Schankwirtschaften im Wandel der Zeit“ heißt denn auch die 40. Ausgabe der Besigheimer Geschichtsblätter, die Ruff geschrieben hat – mit 196 Seiten eine der dicksten Ausgaben. Ruff, gebürtiger Löchgauer und jetziger Bietigheim-Bissinger, ist seit sechs Jahren der Schatzmeister des Vereins.

Schild- oder Schankwirtschaft ist die Frage

Ein Drittel des Buches nimmt schon der generelle Erklärungsteil ein. Denn, was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Schild- und einer Schankwirtschaft? Erwin Ruff kann das natürlich erklären: Eine Schildwirtschaft erkannte man natürlich an ihrem Schild über der Tür, aber das durfte nur der Wirt aufhängen, der eine Konzession hatte, um Fremde zu beherbergen, Pferde unterzustellen, warme Speisen und Getränke auszugeben. Und der Wirt musste auch der Besitzer des Grundstücks sein. „Schankwirtschaften hingegen durften nur bestimmte Gerichte und nur kalte Speisen anbieten und niemanden beherbergen“, so Ruff. 1872 wurden die Schildwirte dann zu Gastwirten.

Das älteste Gasthaus, das heute immer noch besteht und als Gaststätte betrieben wird, ist das Waldhorn, das 1774 gegründet wurde. Das Gasthaus Anker gibt es seit 1818, es war einst ein Metzgereigasthaus, davon gab es bis ins 20. Jahrhundert sieben. Die älteste nachweisbare Schildwirtschaft ist die ehemalige „Natterische Herberge“, die spätere alte Krone, die bis ins Jahr 1569 zurückverfolgt werden kann.

Seit 1495 sind in Besigheim Wirtschaften nachweisbar. Ruff hat 70 Häuser aufgetan, in denen seit 1569 Wirtschaften untergebracht waren. Ruff hat sie alle aufgezählt und beschrieben. Die größte Dichte an Wirtshäusern gab es von 1880 bis 1920. 23 gar im Jahr 1905 – bei 3200 Bürgern im Ort. „Hier hat die Gastwirtschaft Tradition“, sagt Ruff und begründet dies damit, dass die Weinstadt viele Händler aus ganz Europa anzog, die auch in der Stadt übernachteten. Ihnen folgten die Künstler in Scharen, was Besigheim zur Malerstadt machte. Die meisten kleinen Gastwirtschaften aber sind in den 1930er-Jahren eingegangen, auch, weil ihre Wirte in den Krieg eingezogen wurden.

„Metzelsupp’“, so Ruff, war das beliebteste Essen in den Gastwirtschaften. Das bestätigt auch Ursula Herbst, Seniorchefin der gleichnamigen Metzgerei und des Gasthauses Ochsen. Die Besigheimerin steuerte einige Anekdoten aus den Wirtschaften ihrer Jugend bei, aus den Gasthäusern Lamm, Krone, Löwe, Post, Anker, Röser, Ochsen, Sonne – einige davon gibt es heute nicht mehr, von anderen zeugen noch die Schilder am Haus, wie beim Anker, dem Ochsen oder dem Lamm. „Sieben große Gasthäuser gingen Besigheim seit den 1960er-Jahren verloren“, sagt Ruff.

Im Ochsen bekamen Hund und Herr je eine Fleischwurst

Ruff hat mehr als zwei Jahre an dem Buch gearbeitet, in allen regionalen Archiven recherchiert und mehr als 30 Personen – Nachfahren von Gastwirten – befragt. Ergebnis ist ein interessanter Einblick in die Besigheimer Wirtshauslandschaft. Er informiert aber nicht nur über jede einzelne Gastwirtschaft, sondern auch über die Geschichte der Gastlichkeit, die staatlichen Regeln zur Erteilung einer Konzession und die Einschränkungen während der beiden Kriege. Aber auch das Thema Alkoholmissbrauch wird nicht ausgelassen. Bis 1806 wurde auf den Ausschank von Bier und Wein ein „Umgeld“ verlangt, von 1923 bis 1939 gab es sogar eine städtische Biersteuer.

Am besten aber sind die persönlichen Geschichten zu den Gasthäusern, die Ruff erzählt, voller Menschlichkeit und Humor. Ursula Herbst steuerte die vom Hund Erich bei, der jeden Abend mit seinem Herrn in den Ochsen kam, dann bekam der Herr eine Fleischwurst auf den Tisch serviert und Erich eine unter dem Tisch. „Danach mussten wir allabendlich unterm Tisch Großputz machen“, sagt die Seniorchefin.

 
 
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