Gewalttat am Bietigheimer Bahnhof Zeugen schildern weitere Attacken

Von Bernd Winckler
Der Prozess wird vor dem Landgericht in Heilbronn verhandelt. Noch ist offen, ob am nächsten Prozesstag, dem 6. Februar, wie geplant das Urteil gesprochen wird. Foto: /Helmut Pangerl

Neben dem versuchten Totschlag eines Ukrainers an seiner Freundin am Bahnhof in Bietigheim-Bissingen am 3. Juni, gab es noch andere Vorfälle, unter anderem am 5. Juni in einer Flüchtlingsunterkunft in Steinheim, die Zeugen am Dienstag vor Gericht schilderten.

Es waren schlimme Szenen einer brutalen Misshandlung am 3. Juni letzten Jahres gegenüber seiner Freundin auf dem Bietigheimer Bahnhof, die sich die Richter am letzten Prozesstag per Video anschauen mussten. Beim gestrigen Verhandlungstag gegen den 43-jährigen Mann aus der Ukraine vor dem Heilbronner Schwurgericht ging es um weitere brutale Vorgänge, die er begangen haben soll.

Mehr als ein Dutzend Zeugen wurden vernommen

Mehr als ein Dutzend Zeugen haben die Richter der 1. Großen Strafkammer am Heilbronner Landgericht in den letzten Wochen vernommen. Zeugen, die den Vorfall am Bietigheimer Bahnhof schilderten und nunmehr in einem zur Flüchtlingsunterkunft umfunktionierten Hotel in Steinheim zu den schweren Vorwürfen gegen den Angeklagten ausgesagt haben. In dieser Unterkunft, in der hauptsächlich ukrainische Kriegsflüchtlinge mit ihren Familien untergebracht sind, befindet sich keine Videoüberwachung – im Gegensatz zum Bahnsteig am Bietigheimer Bahnhof, bei dem eine der Kameras die brutale Attacke des Angeklagten gegen seine am Ende lebensgefährlich verletzte Freundin aufgezeichnet hatte (die BZ berichtete).

Am gestrigen – vorerst vorletzten – Verhandlungstag beleuchteten die Heilbronner Richter den Punkt der Anklage wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zum Geschehen am 5. Juni letzten Jahres gegen den kräftig gebauten Angeklagten. Hier geht es darum, dass der Mann – wieder nach reichlichem Alkoholgenuss – in der Wohnung der Unterkunft Streit mit der Freundin entfachte, nach dessen Verlauf die Frau letztlich wieder mit schwersten und lebensgefährlichen Verletzungen in die Klinik gebracht wurde. Eine 49-jährige Frau, die mit ihrem Sohn in einem Nachbarzimmer wohnte, schilderte gestern im Zeugenstand, ihre Eindrücke.

Das Paar soll nahezu jeden Tag Streit gehabt haben

Demnach hatte das Paar nahezu täglich Streit, die Frau sei täglich geschlagen worden. An einen gravierenden Vorfall erinnert sich die Zeugin ganz besonders. Der Angeklagte habe mit beiden Händen die Kehle der Frau zugedrückt, und zwar längere Zeit. Die Zeugin hatte ihn schließlich dazu gebracht, damit aufzuhören. Sie schilderte auch, dass sie die Bilder, die sie teilweise mit angesehen habe, nicht mehr auszuhalten waren. Der Angeklagte habe ihr gesagt, sie solle der Polizei dazu keine Aussage machen.

Eine 20-jährige, die mit ihrem Freund ebenfalls aus der Ukraine des Krieges wegen nach Deutschland geflüchtet ist, hat nach ihrer gestrigen Aussage die schlimmsten Übergriffe des Angeklagten zwar nicht direkt mitbekommen, jedoch die Folgen gesehen. An jenem frühen Abend des 5. Juni habe sie die Hilfeschreie der Frau gehört. Schon Tage vorher, so die Zeugin, seien ihr die zahlreichen blauen Male im Gesicht der Frau aufgefallen. Vermutlich habe der Mann die Tür eingetreten, weil er ja wegen eines früheren brutalen Vorgangs ein Annäherungsverbot vom Amtsgericht verordnet bekam.

Jetzt habe die Freundin des Beschuldigten laut gerufen: „Hilfe er will mich umbringen!“ Die Zeugin sei in die Wohnung gegangen, habe die schwer verletzte Frau heraus geholt und erst einmal notversorgt. Sie schildert, dass das Opfer am Kopf blutüberströmt war. Sie habe die Wunden abgewaschen und der Frau nötigste Kleidung gegeben. Dann wurden die Polizei und der Rettungswagen alarmiert.

Nach der Anklage soll der Mann die Freundin an diesem Abend mit wuchtigen Fausthieben auf den Kopf und das Gesicht schwer misshandelt haben. Als sie vor ihm in die Toilette flüchtete, habe er erneut auf sie eingeschlagen und am Hals gewürgt. Die Misshandlung, so die Anklageschrift, sei mindestens eine halbe Stunde lang abgelaufen. Danach soll er sie in der Toilette mit dem Kopf absichtlich auf die Toilettengarnitur geschlagen haben. Dabei sollen die zahlreichen Brüche und Schnitte an Kopf – 50 an der Zahl – und am Oberkörper entstanden sein.

Gerichtsmedizinerin wird zu den Verletzungen befragt

Welche genauen Verletzungen die Frau dabei erlitt und wie die Ärzte die „potenzielle Lebensgefahr“ nach ihrer Einlieferung in die Klinik einstuften, dazu werden die Richter am nächsten Verhandlungstag die Gerichtsmedizinerin befragen. Auch ein weiterer Sachverständiger soll zum Thema Alkoholkonsum des Angeklagten ein Gutachten vortragen. Der Beschuldigte selbst hat angegeben, dass nicht nur er, sondern auch die Freundin bei den Streitereien reichlich betrunken waren. Das wird teilweise auch von Zeugen beschrieben.

Ob am nächsten Prozesstag, 6. Februar, wie geplant das Urteil gesprochen wird, ist noch offen. Die Heilbronner Schwurgerichtskammer hat noch weitere Zeugen geladen. Auch ein Urteil des Kriminalgerichts der Ukraine aus dem Jahre 2014 gegen den Angeklagten wegen Totschlags soll verlesen werden. Hier war er zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.

 
 
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