Glatteis in der Region Blitzeis legt den Kreis lahm

Von Jennifer Stahl und John Patrick Mikisch
Die Räumdienste waren seit drei Uhr morgens im Einsatz. Foto: /Martin Kalb

Glatteis legte am Mittwochmorgen die Region lahm. Es kam zu hunderten Verkehrsunfällen und Verzögerungen im ÖPNV, Schulen und Kitas schalteten auf Notbetreuung um.

Hunderte Verletzte, massenweise Autounfälle, ausgefallene Busse: Das Blitzeis am Mittwochmorgen hat im Landkreis Ludwigsburg für Chaos gesorgt. Zeitweilig kam es auf der Autobahn 81 zur Sperrungen der Anschlüsse Ludwigsburg Nord und Süd sowie im Bereich des Autobahndreiecks Leonberg, wie das Polizeipräsidium (PP) Ludwigsburg mitteilte.

Mehr als 400 Verkehrsunfälle

In dessen Führungs- und Lagezentrum gingen seit etwa 4.30 Uhr nahezu im Minutentakt Meldungen über Verkehrsunfälle ein. In der Spitze koordinierte das Zentrum 200 Einsätze gleichzeitig, 190 davon im Zusammenhang mit Glatteis. Insgesamt 416 seien es bis 12 Uhr gewesen, so das Polizeipräsidium, die meisten im Landkreis Ludwigsburg. 38 davon ereigneten sich auf den vom PP betreuten Autobahnabschnitten, 378 auf den übrigen Straßen. Dabei wurden zwölf Personen verletzt, eine davon schwer. Der Sachschaden beträgt nach Schätzung der Polizei etwa zwei Millionen Euro.

Sehr gut beschäftigt waren auch Straßenmeistereien im Kreis. Diese hätten sich zwar schon am Vorabend auf die Glatteislage vorbereitet, so das Landratsamt Ludwigsburg. Seit 3 Uhr früh seien Streudienste dann mit zwölf eigenen und acht Fahrzeugen von Vertragsunternehmen auf Bundes-, Kreis- und Landstraßen unterwegs gewesen, um besonders priorisierte Hauptverkehrsrouten und Busstrecken offen zu halten. Die Rettungsdienste hatten wegen vieler kleiner Unfälle und Stürze dennoch alle Hände voll zu tun.

Volle Notaufnahmen

Entsprechend voll waren die Notaufnahmen im Landkreis. Das RKH-Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen meldete bis zum Nachmittag 136 Patienten in der Notaufnahmen, die Alexander Tsongas, Sprecher der RKH-Gesundheit auf BZ-Anfrage mitteilte. Im RKH-Klinikum Ludwigsburg waren es sogar 168 Patienten. Die Bandbreite der Verletzungen reichte von Prellungen über Frakturen bis zum Polytrauma, etwa bei Stürzen mit Kopfverletzungen.

Zu Personalausfällen aufgrund des Blitzeises sei es jedoch nur vereinzelt gekommen, so Tsongas. Auch der Krisenstab der RKH habe nicht aktiviert werden müssen. Gleichwohl sei es nach Erinnerung von Oberarzt Dr. Martin Schweiker, der in Bietigheim das Geschehen koordinierte, das heftigste Blitzeis der vergangenen zehn Jahre gewesen, so Tsongas.

Wetterdienst überrascht

Von der Situation überrascht war auch der Deutsche Wetterdienst (DWD). Der hatte zwar schon dienstagmittags vor überfrierender Nässe gewarnt und eine Wetterwarnung der Stufe zwei von vier für die Region herausgegeben: „markantes Wetter“. Das bedeutet, dass die Wetterlage nicht ungewöhnlich, aber gefährlich sein kann. Ab Stufe drei gibt es eine amtlich Wetterwarnung, die etwa auch über die Warn-App Nina ausgespielt wird.

Prognostiziert war demzufolge eine kleine Warmfront mit geringen Niederschlägen, die auf einen kalten Boden treffen sollten. Das sei auch eingetroffen, so ein Sprecher der DWD-Regionalbüros Stuttgart. Gerade einmal 0,1 bis 0,3 Millimeter Niederschlag seien als ganz feiner Sprühregen niedergegangen. Dessen Auswirkungen seien allerdings unerwartet und beeindruckend gewesen, so der DWD-Sprecher. Mit geringeren Temperaturabweichungen wäre möglicherweise sogar gar nichts passiert.

Für Donnerstagmorgen rechnet das DWD wieder mit überfrierender Nässe. Zum Wochenende sollen die Temperaturen steigen und die Sonne wieder herauskommen.

Notbetreuung in den Schulen

Für den Schulleiter der Waldschule Bissingen, Markus Nutz, war gleich am frühen Morgen klar, dass die Schülerinnen und Schüler gewarnt werden müssen. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt er. Im Wohngebiet oberhalb der GMS sei nicht gestreut worden. „Da war es selbst zu Fuß schwierig, in die Schule zu kommen.“

Die Gemeinschaftsschule habe eine Nachricht an die Schülerinnen und Schüler versendet. Demnach sollten sie erst zur dritten Stunde erscheinen. Auch im Lehrerkollegium habe es mehrere Ausfälle gegeben. „Wir haben eine Notbetreuung eingerichtet, da einige Kinder schon zur regulären Unterrichtszeit da waren“, sagt Nutz. „Wir haben außerdem dazu geraten, wenn möglich, ganz daheim zu bleiben.“

Ein Drittel bis ein Viertel der Schülerinnen und Schüler aus den Klassenstufen 1 bis 10 sei bis Mittag in der Schule erschienen. Der Unterricht sei dann auch nach Stundenplan fortgeführt worden. Er endete für viele bereits um 12 Uhr, spätestens um 14 Uhr. „Wir wollten auf keinen Fall vorschnell schließen, da das für viele Eltern zum Problem werden könnte“, sagt Nutz. Vereinzelt habe es Eltern gegeben, die ihre Kinder abholen wollten. Um kein weiteres Verkehrschaos zu verursachen, habe die Schule davon abgeraten.

Zum Zeitpunkt des Gesprächs mit der BZ hat sich Nutz bereits mit seinen Kollegen von der Schillerschule und von der Hillerschule ausgetauscht. Auch dort sei der Ablauf mit Notbetrieb bis circa 14 Uhr ähnlich vonstatten gegangen..

Die Situation sei sehr schwierig gewesen, sagt die Pressesprecherin der Stadt Bietigheim-Bissingen, Anette Hochmuth. „Der Bauhof startete mit Streudiensten, allerdings fielen etliche Mitarbeiter aus, weil sie auch nicht anfahren konnten“, erklärt sie. Zudem haben die Streumaschinen einige Schwierigkeiten gehabt und rutschten oft weg. „Bis circa 12.30 Uhr waren rund 50 Mitarbeiter des Bauhofs im Einsatz“, sagt Hochmuth. Besondere Schwierigkeiten haben ihrer Aussage nach die Steilstrecken in der Stadt, beispielsweise auf der Lug, aber auch die Bahnhofsstraße und die Ludwigsburger Straße bereitet. „Im Neuwengert konnte selbst der Rettungsdienst nicht durchkommen. Hier musste extra eine Mannschaft anrücken und von Hand steuern, bis das Rettungsteam wieder fahrbereit war.“

Hochmuth berichtet auch von der Situation in den städtischen Kitas. So soll an diesen ebenfalls lange nicht gestreut worden sein, weil der externe Hausmeisterdienst oft nicht ankam. „An einer Kita wurde, da auch das Personal nicht durchkam, nur Notdienst gemacht“, sagt sie. Ansonsten sollen sich die Erzieherinnen und Erzieher je nach Einrichtung gegenseitig ausgeholfen haben, bis wieder Normalbetrieb herrschen konnte.

Busse konnten lange nicht fahren

All diejenigen, die auf den Bus angewiesen sind, hatten es am Mittwochmorgen ebenfalls nicht leicht. Aufgrund der glatten Straßen sind Busse mit massiven Verspätungen und teilweise auch gar nicht gefahren, wie auch BZ-Leser über Instagram berichteten. „Um 9.15 Uhr konnte der erste unserer Busse losfahren“, sagt Melanie Heidel vom Busunternehmen Spillmann. Die Busse mussten stillstehen, bis die Straßen geräumt und soweit sicher befahrbar waren. „Nach Bissingen konnten sie erst wieder ab 11 Uhr fahren.“ Grund dafür sei gewesen, dass dort lange nicht gestreut worden ist. Um die Mittagszeit konnten alle Busse wie gewohnt fahren.

Zeitungszustellung schwierig

Betroffen waren auch die Zeitungszusteller der BZ. Sie starten häufig gegen 4 Uhr morgens oder früher mit ihren Runden – genau in der Zeit, als das Blitzeis einsetzte. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht gestreut. Einige kamen deswegen nicht einmal aus ihren Haustüren. In anderen Verteilgebieten mit vielen Steigungen wie im Kirbachtal verzichtete die BZ von sich aus auf die Zustellung, um die Gesundheit der Zusteller nicht zu gefährden. Soweit möglich wurde die Zustellung im Laufe des Tages nachgeholt. In den übrigen Fällen erhalten die Abonnenten die Mittwochsausgabe zusammen mit der heutigen.

 
 
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