In diesem Gebäude gibt es viel Geschichte“, sagt Gabriele Schiele. Vor allem die Geschichte des Kinos „Gloria Lichtspiele“, das ab 1954 die Großingersheimer vor die Leinwand lockte und 1975 zu zwei Wohnungen umgebaut wurde. Im Oktober 1957 kam die Familie Richard und Margarete Nägele mit den Kindern Fritz, Waltraut und Gabriele nach Großingersheim. Zuvor hatten die Nägeles eine Metzgerei mit der Gaststätte „Zur Traube“ in Untermberg.
Gloria-Kino in Ingersheim Filmklassiker aus dem „Bildwerferraum“
Vor 70 Jahren wurde der „Hirschsaal“ in Großingersheim zum Kino umgebaut. Im Gloria gab es zunächst keine feste Saaldecke, es waren nur rote Tücher gespannt.
Familie kauft den „Hirsch“
Die Familie kaufte das Anwesen an der Pleidelsheimer Straße, samt der Gaststätte „Zum Hirsch“ und der Metzgerei. Zu dem Gebäudekomplex zählte auch das Kino, dazu war bereits drei Jahre zuvor der „Hirschsaal“ umgebaut worden. Kinobesitzerin war bis 1957 Anna Strohhäcker. Geleitet wurde es von Eugen Ehmann aus Heutingsheim, der in der Bahnhofstraße 55 von 1955 bis 1958 ein Filmtheater betrieb, ebenfalls mit dem Namen Gloria.
1957 übernahm Margarete Nägele, die Mutter von Gabriele Schiele, das Kino in Großingersheim, bis im Oktober 1975 der Vorhang für immer fiel. Dazwischen habe sich fast ihr ganzes Leben um das Kino gedreht. „Ich war immer damit beschäftigt“, sagt die 71-jährige Schiele, die in ihrem Wohnzimmer heute noch zeigen kann, wo sich vor vielen Jahren die Leinwand befand.
Am Anfang gab es im Gloria noch keine feste Saaldecke, es waren nur rote Tücher gespannt, die bei einer Filmvorführung heruntergekommen sind. Dann erst wurde eine feste Holzdecke eingebaut. Selbst Bürgermeister Karl Braun schaltete sich ein. Er verhandelte mit den Nachbarn, bis diese einem Notausgang zustimmten. Margarete Nägele arbeitete an der Kinokasse, der Rahmen mit Scheibe ist bis heute erhalten geblieben. Die Karten wurden abgerissen und die Besucher mit einer Taschenlampe an die Plätze geführt, oft von Gabriele Schiele.
Kinokarten im Rathaus abgeholt
Im „Bildwerferraum“, wie der Vorführraum früher hieß, waren Fritz Nägele, Georg Schneider, Johann Steiner und Dieter Schiele abwechselnd mit den Filmen beschäftigt. Die Kinokarten mussten von der Betreiberfamilie wegen der GEMA im Rathaus abgeholt werden, die Filmrollen am Bietigheimer Bahnhof. Wenn der Zug Verspätung hatte oder die Filme nicht geliefert wurden, wurden die Kinobesucher eben auf die nächste Kinovorstellung vertröstet, die Karten waren ja schon bezahlt.
Wenn man Klassiker, wie „Ben Hur“, „Die zehn Gebote“, „Doktor Schiwago“, „Vom Winde verweht“ oder Karl-May-Filme zeigen wollte, musste man vier Filme abnehmen, die keine Klassiker waren. „Sonst hätte man die Klassiker gar nicht bekommen“, erinnert sich Schiele. Winnetou-Filme waren so beliebt, dass eine zusätzliche Bestuhlung nötig wurde. Der Eintritt im Gloria kostete damals zwischen 2,80 Mark für den ersten Platz und 3,80 Mark auf dem Balkon. Die Kinobilder, die noch aus dünnem Papier bestanden, wurden später an die Besucher verschenkt. Kinobilder aus festem Papier musste man wieder an den Verleih zurückgeben.
1962 wurde das Großingersheimer Gloria-Kino renoviert. Die zwei Filmprojektoren bekamen neue Xenon-Lampen, hinzu kam eine neue Bestuhlung, Zentralheizung und Wandverkleidung. Auch ein neuer Boden von DLW wurde im Kino verlegt. Zuvor war ein Parkettboden ausgelegt, den man wachsen und mit der Bohnermaschine mühevoll bohnern musste, so Schiele. Immer montags wurde das Kino gründlich gereinigt, schon damals klebte Kaugummi unter den Sitzen. Kinovorstellungen waren von Dienstag bis Samstag abends, sonntags und feiertags mittags und abends. Die Abendvorstellungen liefen von 20.15 bis 21.45 Uhr, die Spätvorstellungen von 22 bis 23.30 Uhr.
Filme in voller Breite
Filme in Cinemascope eroberten sehr schnell den Markt, dazu musste man im Großingersheimer Gloria eine sechs Meter lange Filmwand aus Gips errichtet, nun konnte man die Filme in voller Breite sehen. Das Kino hatte 178 Sitzplätze, verteilt auf den ersten und zweiten Platz, zwei Logen und Balkon.
1967 wollten Randalierer mit Schlagstöcken während einer Kinovorstellung das Kino stürmen. „Die Polizei wurde gerufen und die Randalierer abgeführt“, kann sich Schiele noch erinnern. Im Oktober 1975 war die Zeit der Großingersheimer Gloria Lichtspiele für immer vorbei. Die gesamte Kinoeinrichtung mit den Stuhlreihen, die Filmprojektoren sowie die großen Lautsprecherboxen wurden nach Tauberbischofsheim verkauft. Im dortigen Kino war beim Spielfilm „Hurra, die Schule brennt“ ein Feuer ausgebrochen.