Glücksspiel - Mehr online, weniger vor Ort? (Teil 2) Suchtexperte warnt vor „Hosentaschen-Casino“

Von Mathias Schmid
Matthias Liegl.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Suchttherapeut Matthias Liegl (41) vom Kreisdiakonierverband Ludwigsburg betreut in Bietigheim-Bissingen und Kornwestheim Abhängige aller Art. Das sagt er zu den neuen Glücksspiel-Regeln.

Laut Glücksspielstaatsvertrag gelten ab 1. Juli neue Regelungen fürs Glücksspiel: Mindestabstände zwischen Spielhallen von 500 Metern sollen endlich durchgesetzt werden. Gleichzeitig wird Online-Glücksspiel legalisiert.

Das sagt Suchtexperte Matthias Liegl dazu:

Sind Sie froh, dass die Abstandsregelung jetzt durchgesetzt wird?

Matthias Liegl: Ich begrüße ausdrücklich jede Maßnahme zur Glücksspielsuchtprävention. Dazu zählen die Abstandsregelungen. Zudem gibt es nun auch eine zentrale Sperrdatei, in der sich Spieler sperren lassen können. Die Abstandsregelung war lange bekannt. Kampagne Schlag ins Gesicht für Menschen, die mit Glücksspielfolgen kämpfen und Ringen. Die Branche hat den eigenen Gewinn und weniger das Schicksal einzelner Personen im Blick. Deshalb ist höchste Zeit, dass die Verschärfung kommt.

Wie sehen Sie die Legalisierung von Online-Glücksspiel?

Da hätte ich mir striktere Regeln gewünscht. Jetzt wird ja eher ein bisheriger Graumarkt legalisiert. Das ist eine bedenkliche Entwicklung. Unter Pandemiebedingungen beobachten wir auch, dass viel mehr Spieler online gegangen sind. Und Glücksspiele, die online stattfinden, werden weniger reguliert und verfügen über deutlich höheres Suchtpotenzial.

"Online gibt es keine Grenzen"

Wie wird sich das alles auf die Zahl der Spielsüchtigen auswirken?

Das wird in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zu beobachten sein. Die Spieler sind sehr unterschiedlich. Für einige ist Online kein Thema. Aber gerade für Jüngere kann das Smartphone schnell zum Hosentaschen-Casino werden.

Wie groß ist das Thema Onlinespielen bereits in der Suchthilfe?

Insgesamt ist es noch ein Randthema. Wir haben im Jahr 1200 Fälle. Ungefähr fünf Prozent haben mit Glücksspiel zu tun. Die allermeisten spielen bisher an Geldspielautomaten. Gleichzeitig beobachten wir, dass bei jüngerem Klientel zusätzlich zur stoffgebundenen Suchtproblematik das Thema Glücksspiel als Randerscheinung auftritt. Deshalb beobachten wir die Öffnung des Online-Glücksspielmarkts mit Besorgnis. Denn dort gibt es keine Grenzen.

Info: Selbsthilfegruppe in Bietigheim-Bissingen

Die Spielerselbsthilfegruppe trifft sich jeden Freitag, von 18 bis 19.30 Uhr im Japangarten 4 in Bietigheim. Infos auf www.spieler-selbsthilfegruppe.de und unter Telefon (07147) 1565406.

 
 
- Anzeige -