Glücksspiel - Mehr online, weniger vor Ort? (Teil 1) Weniger Einnahmen, mehr Platz für Stadtentwicklung

Von Mathias Schmid
Der Glücksspielbranche steht wohl ein Wandel bevor. ⇥ Foto: dpa/Carsten Rehder

Weil Spielhallen weiter auseinander sein müssen und Online-Glücksspiel legal wird, gibt es bald weniger Lokalitäten in den Städten.

Spielhallen und Casinos sind ein zweischneidiges Schwert für die Städte. Auch im Kreis Ludwigsburg drücken Verwaltungen sowie Bürgerinnen und Bürger immer wieder ihren Unmut über die Lokalitäten aus. Auf der anderen Seite ist die Glücksspielsteuer, die auch hier bis zu 25 Prozent der Bruttokasse beträgt, vielerorts eine nicht unrelevante Einnahmequelle. Diese könnte nun zum Teil versiegen. Denn das Land Baden-Württemberg will ab 1. Juli die Mindestabstände von 500 Metern zwischen den einzelnen Spielhallen sowie von Spielhallen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen konsequent durchsetzen. Ebenfalls zum 1. Juli wird Glücksspiel im Internet durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag weitreichend legalisiert.

Bereits seit 2012 sieht der Glücksspielstaatsvertrag einen Mindestabstand von 500 Metern zwischen Spielhallen und zu Kinder- und Jugendeinrichtungen vor. Nach einer Übergangsfrist will Baden-Württemberg diesen bei den 1000 staatlich konzessionierten Spielhallen im Land konsequent durchsetzen. Es könnten 65 Prozent der Betriebe betroffen sein. Bis es tatsächlich zu Schließungenkommt, könnte es vielerorts aber noch eine Weile dauern. Die Konzessionen liefern einen gewissen Bestandsschutz, Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart und dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg laufen noch, sieben davon betreffen laut Landratsamt den Landkreis Ludwigsburg. Doch auch die Kommunen im Kreis rechnen mit Schließungen.

„Trading-Down-Effekt“ stoppen

„Rein finanziell gesehen, wären es erhebliche Einbußen für die betroffenen Kommunen“, sagt Wirtschaftsförderer Matthias Friedrich. „Städtebaulich beziehungsweise funktional besteht dagegen die Hoffnung, dass eine punktuelle Aufwertung, vor allem in den Innenstädten, ermöglicht wird.“ Negative Entwicklungstrends in Innenstädten, sogenannte „Trading-Down-Effekte“ könnten gestoppt, die Aufenthaltsqualität erhöht und das Angebot vor Ort verbessert werden“, glaubt und hofft er.

Wie sich das zukünftig große legale Angebot von Glücksspiel im Internet auswirkt, ist für die Kommunen noch schwierig zu sagen, betonen sie. Sachsenheims Wirtschaftsförderer sieht jedoch grundsätzlich die Gefahr, dass das Glückspiel „ins Internet abwandern wird, womit das Business zwar in der Öffentlichkeit weniger sichtbar, die Grundproblematik Spielsucht aber weiterhin vorhanden wäre“.

In Bietigheim-Bissingen seien derzeit „noch keine Schließungen verfügt worden, da über die eingereichten Härtefallanträge noch nicht entschieden wurde“, sagt Sprecherin Anette Hochmuth, „allerdings wird es aufgrund der Dichte von Spielhallen, zum Beispiel in der Stuttgarter Straße, zu Reduzierungen kommen müssen.“ Allerdings nicht zum Stichtag 1. Juli. Bietigheim-Bissingen muss hier als Große Kreisstadt selbst entscheiden. Zur Bearbeitung sei aber – nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie – noch keine Zeit gewesen.

Eher ein Steuerungsinstrument

Aktuell gibt es 14 Spielhallen mit insgesamt 151 Geräten. Die Stadt Bietigheim-Bissingen sieht einer Reduzierung des Zocker-Angebots positiv entgegen: „Die negativen Folgen von Spielsucht beschäftigen auch in unserer Stadt die sozialen Dienste“, sagt Hochmuth, „daher wird die Vergnügungssteuer nicht als Einnahmequelle, sondern eher als Steuerungsinstrument betrachtet.“

Auch in Sachsenheim sind die Auswirkungen des Glücksspielstaatsvertrags noch nicht bekannt. Es laufen aber „Verfahren hinsichtlich einer möglichen Schließung“, so Friedrich. Vier Casinos mit insgesamt 68 Automaten zählt die Verwaltung. In Sachsenheim ist das Landratsamt für die Konzessionen zuständig. Von dort heißt es: Eine Örtlichkeit hat eine langfristige Konzession. Bei zwei Spielhallen geht es aktuell am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg um die Lizenz. Zwischen diesen beiden müsse das Landratsamt „gegebenenfalls eine Auswahlentscheidung treffen“, sagt Sprecher Dr. Andreas Fritz.

 
 
- Anzeige -