Gründer aus dem Kreis Ludwigsburg Aus Asperg auf die europäischen Laufstege: „Wir haben häufig die selben Ideen, wie Telepathie“

Von Anna-Sophie Kächele
Patrick und Sanna Schubert in ihrem Atelier in Asperg Foto: Simon Granville

Sanna und Patrick Schubert entwerfen in ihrem kleinen Atelier in Asperg (Kreis Ludwigsburg) Mode, die Musiker auf Rolling-Stone-Covern und bei Preisverleihungen tragen. Welche Philosophie steckt hinter den Kleidungsstücken – und wieso gerade Asperg?

Die Musikerin PinkPantheress trägt einen ihrer Röcke auf dem Cover des Musikmagazins Rolling Stone. Die Schwestern der britischen Rockband Alt Blk Era sind darin gekleidet, als sie einen Preis entgegennehmen. Und auch „Griff“, die Sängerin, die Taylor Swifts Show in London eröffnete, trug die Stücke. Asperg im Landkreis Ludwigsburg ist keine Metropole für Mode – und dennoch sitzt dort ein Label, dessen Kleidungsstücke bereits auf Fashion Weeks in Rom und Berlin zu sehen waren: „Sanna Patrick“. Der Name des Labels setzt sich aus den Vornamen der Gründer Sanna und Patrick Schubert zusammen. Sie sind Ehepartner, Arbeitskollegen, Eltern.

In ihrem Atelier erzählen sie, welche Idee hinter den Kollektionen steckt, weshalb sie in Asperg gelandet sind – und wie sie es schaffen, gegenseitig die größten Kritiker und Unterstützer füreinander zu sein.

Hinter all ihren Kollektionen steckt ihre Beziehung und Platons Philosophie des kugelförmigen Menschen. Demnach ist der Mensch in seinem Wesen unvollständig und sucht nach Ergänzung, nach dem, was ihm fehlt – oder kurz: „Die Liebe ist die Basis von allem“, so die 35-jährige Sanna Schubert. Mit etwas Erklärung erkennt man dieses Verständnis in ihrer Arbeit. Sanna und Patrick Schubert schaffen Übergänge aus verschiedenen Stoffen und legen Materialien aufeinander – mal sind sie transparent, mal durch Öffnungen sichtbar, mal miteinander verflochten. „Das passiert auch, wenn sich zwei Menschen treffen, man übernimmt etwas vom Partner“, sagt Sanna Patrick.

Diskussionen gehören zum Geschäft

Auf dem Weg von einer Idee zum fertigen Kleidungsstück zeigt sich die unterschiedliche Berufserfahrung. Während bei der Ideenfindung beide beteiligt sind, übernimmt die studierte Modedesignerin die Schnitte und Näharbeiten, bis Patrick Schubert bei der Materialauswahl wieder einsetzt und durch seinen kreativen Hintergrund im Bereich Filmregie die Fotoshootings leitet. Die finden häufig in der Region statt – etwa bei Greiner in Pleidelsheim, einem Unternehmen, das Friseurstühle herstellt.

„Ich kritzel und sie transferiert das in verständliche Zeichnungen“, sagt Patrick Schubert über den Prozess. Foto: Simon Granville

„Wir haben häufig die gleichen Ideen, es ist fast wie Telepathie“, sagt der 45-jährige Patrick Schubert. Und wenn sich die doch mal unterscheiden? „Dann setzt sich einer durch“, sagt Sanna Schubert lachend. „Und dann kann es auch mal vorkommen, dass wir einen Tag nicht miteinander reden“, fügt Patrick Schubert hinzu. Wer sich beim Frühstück, bei der Arbeit und im Urlaub sieht, gerät auch mal aneinander. Kontroverse Diskussionen gehören zum Erfolg und Geschäft. „Sanna hat mir schon in ihrem Bachelor-Studium Entwürfe zugeschickt und ich sollte kritisieren“, erzählt Patrick Schubert. Als sie dann nach Antwerpen an die Royal Academy of Fine Arts gegangen sei, hätten sie sich häufig nur noch alle fünf Wochen gesehen – „und irgendwann hat sie dann gesagt, du arbeitest ja eh für mich“.

Zwei Kollektionen im Jahr

Sanna Schuberts Masterkollektion, an der beide gemeinsam arbeiteten, wird auf der AltaRoma – eine Modenschau für Haute Couture in Rom – und der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin präsentiert. „Da waren wir schon ein bisschen aus dem Häuschen“, sagt Patrick Schubert. Nach Jahren im europäischen Ausland zieht es sie 2018 zurück nach Deutschland. Dort, wo die Modeszene noch nicht gesättigt ist, wo sie noch etwas verändern können und wo ihre Eltern leben.

Nachdem Sanna Schubert eineinhalb Jahre bei Hugo Boss Erfahrungen gesammelt hat, wollen sich die beiden selbstständig machen, doch „dann kam Corona und alles brach zusammen“, sagt Patrick Schubert. „Wir haben uns trotzdem entschieden zu gründen“, sagt seine Frau. Während der Pandemie nähen sie aus Bettlaken Masken.

Auch heute nutzen sie hochwertige Tischdecken und Stoffe, die sie in Secondhand-Läden und auf Flohmärkten kaufen. „Wir wollen hochwertige Lieblingsstücke produzieren, die weitergereicht werden. Vererbbare Kleidung hauptsächlich aus Naturmaterialien“, erklärt Sanna Patrick. Die Kleidung produzieren sie auch aus nachhaltigen Gründen nur auf Bestellung, Caps und Schals in Vorproduktion. Die Preise starten bei 95  Euro für ein T-Shirt, ein Body mit Pelikan-Muster kostet 280 Euro. Die beiden produzieren zwei Kollektionen im Jahr, sie haben Verkaufsstellen in Frankreich, England, Italien, China. Und – wenn es die weltpolitischen Zustände zulassen – bald auch in den USA.

Fast Fashion – 19 Kilo pro Kopf

Verbrauch
 Die Menschen in der Europäischen Union verbrauchen laut Europäischer Umweltagentur so viel Kleidung, Schuhe und Textilien wie nie zuvor. 2022, das Jahr für das die aktuellsten Daten vorliegen, kaufte der europäische Bürger durchschnittlich 19 Kilogramm Textilien, drei Jahre zuvor waren es noch 14 bis 17 Kilogramm. Fast-Fashion-Marken bieten im Jahr bis zu 24 Kollektionen an.

Politik
 Ein Problem: Textilien werden häufig mit dem gemischten Haushaltsmüll entsorgt statt im Recycling-Müll. Eine EU-Richtlinie, die seit diesem Jahr gilt, schreibt deshalb vor, dass Textilien getrennt vom restlichen Müll entsorgt werden müssen. Die Produkte verbrauchen große Mengen an Ressourcen, erzeugen Treibhausgasemissionen, verschmutzen die Umwelt und werden unter schlechten Arbeitsbedingungen produziert.

 
 
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