Haustierboom im Kreis Ludwigsburg Tierärzte stärker belastet

Von Frank Ruppert
Der Haustierboom mach den Tierärzten im Kreis zu schaffen. ⇥ Foto: Inga Kjer

Die steigende Zahl der Vierbeiner in privaten Haushalten führt zu einem Patientenandrang bei den Veterinären. Weil sich weniger Ärzte niederlassen, ist eine Entlastung nicht zu erwarten.

Die Pandemie treibt manch seltsame Blüte. Dass die Tierheime über mehr Auslastung berichten, ist bekannt. Nun hat das Statistische Bundesamt aber einen weiteren Aspekt des Haustierbooms während Corona offenbart: Das Veterinärwesen hat im Corona-Jahr 2020 rund 4,4 Milliarden Euro Umsatz und damit ein Plus von 10,6 Prozent gegenüber 2019 erzielt. Schon vor Ausbruch der Pandemie waren die Umsätze in der Branche gestiegen: Im Vor- Corona-Jahr 2019 um 5,9 Prozent gegenüber 2018.

Rund 25 Prozent mehr Haustiere gebe es im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit, sagt Dr. Thomas Steidl, Präsident der Landestierärztekammer, im Gespräch mit der BZ. Das komme auch bei den Tierärzten an. Mehr Arbeit verteile sich dabei auf eine eher schwindende Zahl von niedergelassenen Veterinären. Dabei gebe es keine Beschränkungen bei der Niederlassung, der Rückgang liege vielmehr am Unwillen der überwiegend weiblichen Absolventen, eine Praxis zu eröffnen oder zu übernehmen.

50 000 Hunde und Katzen

Den Mehraufwand durch den Haustierboom können auch Tierärzte aus dem Kreis bestätigen. „Wir haben im vergangenen Jahr in der Kleintierklinik Ludwigsburg-Oßweil rund 50 000 Hunde und Katzen behandelt – und es werden jedes Jahr mehr“, sagt Dr. Marc Goldhammer.  Die Zahl der Patienten steige stetig.

„Die Zahl der Kaninchen, Meerschweinchen und Nagetiere hat extrem zugenommen“, sagt auch Dr. Karen Huber aus Ingersheim. Aus ihrer Sicht seien die Tierärzte weder Gewinner noch Verlierer der Pandemie. Die Mehreinnahmen durch mehr Patienten müsse man gegenrechnen mit dem administrativen Mehraufwand wegen Corona-Auflagen in der Praxis.

Nicht artgerechte Züchtung

Für Dr. Anne Posthoff, die ihre Praxis in Besigheim hat, ist ein großes Ärgernis, dass durch die Pandemie auch vermehrt Tiere aus nicht artgerechter Züchtung entweder importiert oder auch in Deutschland erworben werden. Die Nachfrage sei einfach so groß, dass auch unseriöse Züchter ein gutes Geschäft machten. Diese Einschätzung untermauern Zahlen des Gesundheitsamts. Nach Angaben eines Sprechers ist die Zahl der aus Ost- und Südeuropa in den Kreis nicht vorschriftsmäßig importierten Hundewelpen gestiegen. (2020: 49, 2021: 112). „Die Welpen kommen zum Teil erkrankt in Deutschland an oder entwickeln kurz nach Ankunft Erkrankungen wie lebensbedrohliche Durchfälle“, so der Sprecher.

Keine Lösung in Sicht

Neben der gestiegenen Zahl der Tiere macht auch das Verhalten einiger Tierhalter den Veterinären mehr Arbeit. Die Vermenschlichung der Tiere, gepaart mit der Unsicherheit unerfahrener Tierhalter („Viele haben Angst, etwas falsch zu machen“, sagt etwa Dr. Goldhammer), führe zu Tierarztbesuchen, die nicht unbedingt notwendig seien, ist zu hören von Tiermedizinern im Kreis.

Eine Lösung für die derzeitige Situation in den Praxen haben die  Tierärzte auch nicht parat. Dr. Posthoff äußert durchaus Verständnis, dafür, dass junge Kolleginnen und Kollegen den Weg in die Selbstständigkeit scheuen: „Wir haben uns früher eben zu einem gewissen Grad selbst ausgebeutet, und dazu ist die neue Generation nicht mehr bereit. Das ist sicherlich der gesündere Weg“, gibt sie zu bedenken.

Auch für Dr. Steidl ist der Trend hin zu weniger Praxen nicht mehr umkehrbar. „Es wird eher noch schlimmer“, sagt er. Das führe dazu, dass es mehr Kliniken gebe. Dies habe Vor- aber auch Nachteile, etwa wenn man daran denke, dass Großkonzerne sich diese gerade einverleiben.

 
 
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